Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
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Die Themen dieser Woche:
- „The Gloves Are Off”: Wettbewerb um Studierende in den USA
- Bildungsministerium plant neue Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Mittel
- Rede- und Meinungsfreiheit an US-amerikanischen Hochschulen
- Kurznachrichten
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Liebe Leserinnen und Leser,
in dieser Ausgabe befassen wir uns ein weiteres Mal mit dem sich verschärfenden Wettbewerb um Studienanfänger in den USA und mit einer geplanten Änderung von Richtlinien des Bildungsministeriums zur Vergabe öffentlicher Mittel an Hochschulen, in deren Folge die Rechte religiöser Gruppen gestärkt würden. Wir werfen zudem einen wiederholten Blick auf Rede- und Meinungsfreiheit an US-amerikanischen Hochschulen und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten der Woche.
Aufgrund von Dienstreisen an den kommenden beiden Wochenenden erscheinen die nächsten DAAD Nordamerika Nachrichten erst wieder am 1. März.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.
Stefan Altevogt
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„The Gloves Are Off”: Wettbewerb um Studierende in den USA
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Ein Beitrag des Chronicle of Higher Education zu den sich ändernden inoffiziellen „Spielregeln” für die Anwerbung der in den kommenden Jahren weniger werdenden Studierenden beginnt mit der für den Chronicle eher untypischen Aufforderung: „If you’re already feeling jittery about enrollment trends, please put down that coffee before reading any further.” Der Gefahr, vor Schreck den Kaffee zu verschütten, seien noch etwas über die Hälfte der für die Einschreibungszahlen verantwortlichen Hochschulmitarbeiter ausgesetzt. Die übrigen 35% gäben einer Umfrage von EAB, einer Consulting-Firma, bereits zu, dass sie, um ihre eigenen Klassen füllen zu können, durchaus bereit wären, in den Anfängerklassen der Konkurrenz zu „wildern”, also bereits an anderen Hochschulen eingeschriebenen Studierenden attraktive Abwerbeangebote unterbreiten zu wollen. Weitere 11% seien dazu selbst dann bereit, wenn sie mit den Rekrutierungszielen selbst noch nicht in Kontakt gestanden hätten.
Auslöser der Umfrage seien die im vergangenen Herbst auf Druck des Justizministeriums erfolgten Änderungen im Code of Ethics and Professional Practice (CEPP) der National Association for College Admission Counseling (NACAC) gewesen, dem Berufsverband der für ausreichend gefüllte Klassenräume verantwortlichen Hochschulmitarbeiter. Um mehr Wettbewerb zu gewährleisten, habe seinerzeit die Regierung gefordert, Tabus aus dem Code of Ethics zu streichen und eines der gestrichenen Gebote sei gewesen: „Du sollst nicht Studienanfänger anderer Hochschulen abwerben!”
Eine Vizepräsidentin von EAB wird zu dieser neuen Situation mit den Worten zitiert: „The gloves are off. Now there are more levers to pull. You may not love them; you may not want to use them. But there are a lot more of them to think about.”
Bislang kanibalisierten sich nach Einschätzung von EAB allerdings die vierjährigen Hochschulen noch nicht in dem Maße gegenseitig, wie man es befürchten müsse. Ein wesentlicher Grund hierfür sei, dass man mit Transfer-Studierenden von zweijährigen Community Colleges einen noch leichter zugänglichen Pool möglicher Studierender erschließen könne. Was allen vierjährigen Hochschulen jedoch zu denken geben solle, sei das zunehmende „Kundenbewusstsein” von Studienanfängern, die mittlerweile lange nicht mehr so fest zu ihren jeweiligen Auswahlentscheidungen stehen würden. EAB habe aus einer Umfrage unter 2.000 Studienanfängern gelernt, dass nur noch 48% „definitely” zu ihrer Entscheidung stünden, und weitere 31% nur noch „probably”. Der Rest, vor allem aber die 9% „probably not” und 5% „definitely not”, seien für andere Hochschulen sicherlich ein lohnenswertes Rekrutierungsziel.
Freilich könnten die allermeisten Hochschulen auch nur begrenzt in den Anfängerklassen ihrer Peers „wildern”, denn Abwerbungen erforderten günstigere Angebote, die wiederum von den Hochschulen nur schwer zu machen seien, die auf Einnahmen aus Studiengebühren angewiesen seien. Es heißt: „A college must balance its ideals against bottom-line imperatives, which can be especially difficult at tuition-dependent colleges scrapping for every shred of revenue.”
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Bildungsministerium plant neue Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Mittel
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Inside Higher Education meldet Pläne des US Department of Education, Richtlinien zur Vergabe von Bundesmitteln an Hochschulen so zu verändern, dass auf der einen Seite die Rechte religiöser Gruppen an den Hochschulen gestärkt würden, und freilich auf der anderen Seite auch die Autonomie der Hochschulen leiden würde.
Es gehe um die Frage, ob Hochschulen die an ihnen tätigen Gruppen durch Mittelzuweisung bzw. -entzug zu einem Verhalten zwingen dürften, das mit den Prinzipien der Hochschule (etwa Pluralismus und Toleranz) konform sei. Konkret ginge es derzeit vor allem um das Recht religiöser Gruppen an den Hochschulen, diejenigen von Mitgliedschaft oder Führungspositionen auszuschließen, die in ihren Lebensanschauungen bzw. -vollzügen Prinzipien der religiösen Gruppen widersprächen. Es heißt: „In other words, a college couldn’t withhold recognition or funding from a student group because – based on the group's religious beliefs – it bars LGBTQ students from joining or holding leadership positions, said Joe Cohn, legislative and policy director for the Foundation for Individual Rights in Education (FIRE).”
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Anlass der Richtlinienreform sei laut Bildungsministerium ein Urteil des US Supreme Courts aus dem Jahr 2017. Aus
„
Trinity Lutheran Church of Columbia, Inc. v. Comer” ergäbe sich die Notwendigkeit, die Richtlinien der Vergabe öffentlicher Mittel an Hochschulen so zu modifizieren, dass die Rechte religiöser Gruppen dort besser geschützt würden. Ein Beitrag in Politico machte seinerzeit auf die Kosten der Entscheidung aufmerksam, die in der Minderheitsmeinung zum Ausdruck gebracht worden sei. Es hieß: „A lengthy dissent by Justice Sonia Sotomayor and joined by Justice Ruth Bader Ginsburg took strong exception to Roberts’ [Chief Justice John Roberts] decision, saying it ‘slights both our precedents and our history, and its reasoning weakens this country’s longstanding commitment to a separation of church and state beneficial to both’.”
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Vor im vergangenen Februar befasste sich Karin Fischer in einem Beitrag zu den Hochschultrends des angebrochenen Jahres mit einem wachsenden Widerstand in der öffentlichen Meinung gegen die Autonomie von Colleges und Universitäten gegenüber außerakademischen Einflüssen und schrieb: „The academy has long set itself apart from the rest of the world, as a place of open inquiry and critical thinking. That autonomy is part of what has given higher education authority and influence. Increasingly, though, the public has little patience for it.”
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Rede- und Meinungsfreiheit an US-amerikanischen Hochschulen
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Das Thema Redefreiheit lässt die US-amerikanische Hochschullandschaft nicht in Frieden. Der Chronicle of Higher Education befasst sich in einem Beitrag mit der Reaktion der University of Louisville auf die Verbreitung eines Flugblatts mit homophoben Inhalten und schreibt: „The incident called into question whether the classroom is a protected space for free speech and at what point administrators should intervene when marginalized groups feel threatened. Faculty members involved in the dispute felt that the dean of students’ office was dismissive of their safety concerns. The university, however, maintains that the pamphleteer followed the law and campus policy.”
Was war geschehen? In einem Einführungskurs der Hochschule mit der Kursbezeichnung „Introduction to LGBTQ Studies” seien durch einen Studierenden Pamphlete mit dem Titel „God&Sexuality” ausgelegt worden, in denen alles das, was sich hinter den Buchstaben „LGBTQ” verberge, als Sünde bezeichnet worden sei. In den USA lache man darüber nicht, sondern mache das zu einem Grundsatzproblem, nämlich zur Frage: Darf ein Studierender überall auf dem Campus und nicht nur in den „free-speech zones” seine oder ihre Meinung zum Besten geben, selbst wenn diese Meinung für Mitstudierende verletzend sein könne oder sich gar durch sie bedroht fühlen könnten.
Die Hochschulleitung habe sich an der University of Louisville für eine weite Auslegung des Rechts auf Meinungsfreiheit entschieden, zumal der Autor des Pamphlets sich auf eine „Weisung Gottes” berufen habe und als (heterosexuell) Frischvermählter ein wohl akkut gesteigertes Interesse an der Bestätigung seines Lebensweges und ergo der Ablehnung vieler anderer der möglichen Entscheidungen. In einer salomonischen Kompromissformel habe sich die Hochschulleitung mit dem Autor des Pamphlets und der Dozentin der „Introduction to LGBTQ Studies” darauf geeinigt, dass „God&Sexuality” auch weiterhin im Klassenzimmer ausgelegt werden dürfe, aber nur nach Ankündigung wenigstens 48 Stunden vor dem Auslegen.
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Auch auf Inside Higher Education befasst man sich mit dem Konfliktfall von Louisville und schreibt zur gegenwärtigen Rechtslage: „Louisville’s policy follows a Kentucky campus free speech law enacted in 2019 that broadly protects the First Amendment [Meinungs-, Rede-, Versammlungs- und Pressefreiheit] rights of faculty members and students. Under the law, which mirrors several other campus free speech laws enacted by various states over the last four years, the university and other public institutions in the state are required to guarantee that the ‘free exchange of ideas is not suppressed because an idea put forth is considered by some or even most of the members of the institution’s community to be offensive, unwise, disagreeable, conservative, liberal, traditional, or radical,’ the law states.”
Weil man seitens der Hochschulleitung nicht habe erkennen können, dass der Autor des Pamphlets die Grenzen zu „hate speech” überschritten habe, und laut geltender Rechtsprechung auch eine Beschränkung von Meinungsäußerungen auf „free-speech zones” nicht zulässig sei, müsse man die Verteilung des Flugblatts im Klassenraum hinnehmen, selbst wenn sich Studierende durch die Inhalte des Flugblatts bedroht fühlen könnten.
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An der University of California at Berkeley ist es jetzt einem Beitrag des Chronicle of Higher Education zufolge dazu gekommen, dass eine auch diskriminatorisch aufzufassende Warnung vor Ansteckungen mit dem derzeit vor allem in China grassierenden Coronavirus von der Hochschule als eine „normale Reaktion” bezeichnet wurde. Es heißt zur derzeitigen Situation und Gefühlslage: „Despite the rising number of documented coronavirus cases, the risk of an outbreak on American campuses remains low. But another phenomenon has accompanied the panic over the virus – real and perceived discrimination against Asian American students.”
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Inside Higher Education zitiert einen Beitrag der Times Higher Education, in dem wiederum die Freie Universität Berlin (FU) wegen eines Abkommens mit der chinesischen Regierung kritisiert wird, das ihr Einfluss auf die Lehre an der FU einräume. Es heißt: „German lawmakers have criticized the Free University of Berlin (FU) over the terms, which critics fear give the Chinese government leverage to prevent teaching about subjects such as the 1989 Tiananmen Square massacre and Tibet. The contract, obtained by the Berlin newspaper Tagesspiegel, allows the Chinese side to reduce or halt funding if any element of the program contravenes Chinese law.”
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Der Chronicle of Higher Education befasst sich mit den gelegentlich unterschätzten Problemen, die eine Fusion zweier Hochschulen mit sich bringen könne, vor allem wenn es, wie im geschilderten Beispiel, zwei Hochschulen mit unterschiedlichen weltanschaulichen Ausrichtungen und verschieden hohen Studiengebühren seien. Nach Ankündigung einer Fusion des Watkins College of Art mit der christlich ausgerichteten Belmont University – beide in Nashville, Tennessee angesiedelt – sei es zum Streit darüber gekommen, ob die Rechte der an Watkins gut vertretenen LGBTQ-Community auch weiterhin Beachtung finden würden, ob nach der Fusion auch nicht bekennende Christen unterrichten dürften und ob künftig die Studiengebühren auf dem Niveau von Watkins ($31.000 pro Jahr) liegen würden oder auf dem Niveau von Belmont ($49.000).
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Georgetown University ist einer Meldung auf Inside Higher Education zufolge die jüngste Hochschule, die sich aus der Finanzierung fossiler Energieträger zurückziehen und das Portfolio ihres Anlagevermögens entsprechend umsortieren werde. Es heißt: „Georgetown University is the latest institution to commit to divesting from fossil fuels. Its Board of Directors on Thursday approved a policy saying the university would divest from public securities of fossil fuel companies within the next five years and from existing private investments over 10 years. Georgetown will continue to make investments in renewable energy and immediately freeze new endowment investments in companies or funds whose primary business relates to fossil fuel exploration or extraction.”
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McGill University und Queen’s University haben sich einer Meldung von McGill zufolge in einem Conflict Analytics Lab zusammengeschlossen, um Datenverarbeitung und künstliche Intelligenz (endlich auch) im Bereich der Jurisprudenz zur Anwendung zu bringen und die Menschheit (hoffentlich) von der Last schlechter Anwälte und Rechtsprechung zu befreien. Man verspricht: „The Conflict Analytics Lab brings together more than 30 lawyers, technology experts, and the business community to provide both citizens and businesses with the tools they need to resolve small cases in a fair way.”
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Die New York Times meldet jüngste Zahlen des National Center for Homeless Education, denen zufolge landesweit mehr als 1,5 Mio. Schülerinnen und Schüler als obdachlos gelten. Es heißt zu den häufigsten Gründen: „Some children lost a stable home when a parent succumbed to opioid addiction. Others were forced to stay in hotels after hurricanes or fires destroyed their homes. Still others fled abuse or neglect.”
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Tel:
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Redaktion:
Benedikt Brisch, Stefan Altevogt, Casey Detrow
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