Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
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Die Themen dieser Woche:
- „The Great Contraction“
- Bildungspolitik der neuen Regierung
- Die Schattenseiten internationaler Hochschulbildung
- Kurznachrichten
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Liebe Leserinnen und Leser,
wir befassen uns in dieser Ausgabe mit einem Prozess, den ein Beitrag im Chronicle of Higher Education „The Great Contraction“ nennt, und weiterhin mit der Bildungspolitik der neuen Regierung. Wir werfen zudem einen Blick auf die Schattenseiten internationaler Hochschulbildung und wie immer auf verschiedene Kurznachrichten.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Gesundheit, Geduld und Zuversicht.
Stefan Altevogt
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Ein Beitrag des Chronicle of Higher Education von Mitte Februar wirft ein Schlaglicht auf den durch Covid-19 noch einmal beschleunigten Schrumpfungsprozess der US-amerikanischen Hochschullandschaft und nutzt als ein Beispiel die Indiana University of Pennsylvania im Indiana County nordöstlich von Pittsburgh. Dort seien die Einschreibungszahlen zwischen 2011 und 2020 um ein Drittel zurückgegangen und etwa 150 Stellen in den Fakultäten seien weit überwiegend nach Ruhestand nicht wieder nachbesetzt worden. Man sei sich sicher gewesen, durch diese Anpassungsmaßnahmen wieder als regionale Hochschule zukunftsfähig geworden zu sein.
Doch dann trafen die Folgen der Corona-Pandemie die Universität. Es heißt: „Overnight, the university faced immediate new budget strains from giving housing and dining refunds to students and gained new enrollment worries for the fall. It could no longer count on short-term financial stability. It didn’t have the time to make the kind of gradual adjustments that leaders favored.”
Was man stattdessen habe tun müssen, sei eine weitere Verschlankung des akademischen Angebots gewesen, die Kündigung von 53 entfristeten Professorinnen und Professoren (15% der entfristeten Fakultätsmitglieder insgesamt) und die Beendung von 47 weiteren Arbeitsverhältnissen mit befristet angestellten Lehrkräften. Hierzu heißt es: „The final number and type of faculty jobs to be lost are still in flux, but along with layoffs among administrative personnel, the university will lose about 20 percent of its pre-pandemic work force.”
Dieser Anekdote stellt der Beitrag eine Reihe von Statistiken an die Seite, die auf eine künftig noch stärkere Konzentration der Hochschullandschaft hindeuteten und eine Vertiefung der Gräben zwischen den vergleichsweise kleinen Bereichen, in denen man sich keine Sorgen machen müsse, und der weiten Fläche von Einrichtungen, die in ihrer Existenz mehr oder weniger bedroht seien. So meldeten im vergangenen Herbst gut 35% der Hochschulen einen Rückgang der Einschreibungszahlen um mehr als 5%, davon wiederum die Hälfte Rückgänge um mehr als 10%. Auf der anderen Seite des Grabens meldeten 15% der Hochschulen eine Steigerung der Einschreibungszahlen um bis zu 5% und weitere knapp 4% Zuwächse um bis zu 10%.
Die mit Abstand größten Einbußen waren im Bereich der zweijährigen Community Colleges zu beklagen gewesen, die Hochschulen also, die sich derzeit eines besonderen Augenmerks der Regierung Biden/Harris erfreuen. Zu ihnen heißt es: „Nearly all two-year colleges shed students this fall. They were the most likely of all institution types to see enrollment drop more than 10 percent.”
Die Kontraktion sei auch gut im Rückgang der Beschäftigungszahlen in der Hochschullandschaft nachzuzeichnen, ein Bereich, der Covid-bedingt im vergangenen Jahr nach Zahlen des U.S. Bureau of Labor Statistics 13% bzw. 650.000 seiner Stellen eingebüßt habe.
Von der „Great Contraction“ seien in erster Linie die ohnehin schon unterprivilegierten und unterrepräsentierten Teile des Landes betroffen und die notwendigen Anpassungen drohten diese Ungleichheit noch einmal zu verstärken. Hierzu heißt es: „The pandemic has been hard on lower-income Americans and people of color, but it has been particularly brutal for the latter, including college students. The number of Black first-time freshmen this fall dropped 19 percent nationwide, according to data compiled by the National Student Clearinghouse Research Center, while the number of Latino freshmen dropped 20 percent, and the number of Native American freshmen dropped 23 percent. The number of freshmen of color attending community college dropped by nearly a third.”
Sie finden den Beitrag hier.
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Bildungspolitik der neuen Regierung
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Der Nutzung politischer Handlungsspielräumen per Gesetzgebung sind der Regierung Biden/Harris derzeit wegen einer Verfahrensregel im US-Senat, dem sog. Filibuster, enge Grenzen gesetzt, denn es bedarf für den Übergang vom Aussprache- in den Abstimmungsprozess im 100-köpfigen Senat einer Mehrheit von 60 Stimmen, die die Demokraten nicht haben. Zur Abschaffung bzw. Schwächung des Filibuster fehlt es in der demokratischen Senatsfraktion zudem derzeit an Geschlossenheit, doch hat man in Fragen der Haushaltsgesetzgebung mit der sog. Budget Reconciliation einen wenn auch komplizierten Umweg um den Filibuster gefunden und ist ihn bereits beim $1,9 Bio. schweren American Rescue Plan Act of 2021 gegangen, in dem mehr als $120 Mrd. für Bildungsausgaben vorgesehen sind. Die überparteiliche Geschäftsführerin des Senats, Elizabeth MacDonough, hat nun entschieden, dass der Weg der Budget Reconciliation in einem Haushaltsjahr mehrfach beschritten werden dürfe, eine gute Nachricht für das auf gut $2 Bio. angelegte Infrastrukturprogramm der neuen Regierung, in dem (Hochschul)-Bildung zur Förderung der internationalen Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit als einer wissensbasierten Erwerbsgesellschaft eine zentrale Rolle einnimmt.
Sie finden die Beschreibung des Infrastrukturprogramms hier.
Präsident Biden hatte den „American Jobs Plan“ zuletzt in einer in Pittsburgh gehaltenen Rede mit den Worten beworben: „I don’t think you’ll find a Republican today in the House or Senate – maybe I’m wrong, gentlemen – who doesn’t think we have to improve our infrastructure. They know China and other countries are eating our lunch. So there’s no reason why it can’t be bipartisan again.”
Sie finden die Rede des Präsidenten hier.
Dennoch wird die Regierung aller Voraussicht nach, den „American Jobs Plan“ und auch den Haushalt für das im Oktober beginnende Haushaltsjahr FY22 gegen den Widerstand der Republikaner im Parlament verabschieden lassen müssen, was Verhandlungen und möglicherweise Abstriche von bzw. Veränderungen bei einzelnen Ansätzen zur Folge haben dürfte.
Inside Higher Education befasst sich mit den bildungspolitischen Aspekten in dem in der vergangenen Woche vorgelegten ersten Skizze des Haushaltsentwurfs der Regierung und führt aus: „An additional $3 billion would go towards funding federal Pell Grants, increasing the maximum award by $400 – the largest one time increase in more than a decade. (The current maximum is $6,495.)“ Die Antragsberechtigung für die Pell Grants solle auf die Gruppe der „Dreamers“ ausgeweitet werden, Personen, die als Kinder illegaler Immigranten in die USA gekommen waren und derzeit von Abschiebungen ausgenommen sind.
Das Budget des Bildungsministeriums solle um 41% auf dann über $102 Mrd. aufgestockt werden, damit es neben der Ausweitung der Studienförderung vor allem auch die besondere Förderung bislang unterrepräsentierter Minoritäten unter besonderer Berücksichtigung der STEM-Fächer stemmen könne.
Sie finden den Beitrag hier.
Im „Biden/Harris-Ticker“ des Chronicle of Higher Education heißt es: „In his proposed budget for the 2022 fiscal year, President Biden on Friday requested big spending increases that would direct hundreds of millions of dollars to community colleges and minority-serving institutions, and would bolster financial aid for underserved and low-income students. The new higher-education dollars would ‘help shrink racial gaps in higher education – which have worsened amidst the Covid-19 pandemic,’ the White House said in a fact sheet outlining the budget.”
Sie finden den Ticker hier.
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Die Schattenseiten internationaler Hochschulbildung
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One Voice Canada befasst sich in einem „The Realities for International Students: Evidenced Challenges” überschriebenen Bericht mit den bei weitem nicht durchweg positiven Erfahrungen von internationalen Studierenden aus Indien in den beiden kanadischen Provinzen British Columbia und Ontario. Es heißt zu den drastischsten Konsequenzen der Probleme: „Being an international student in Canada is also having an impact on the mental well being of many Indian international students. International student suicides have become a disturbing trend in Canada. (...) The economic impact of COVID-19 seems to have exacerbated these problems.”
Im Zentrum des Berichts stehen internationale Studierende aus der indischen Provinz Punjab, die einen beachtlichen Anteil an der nach China zweitgrößten Kohorte internationaler Studierender an kanadischen Hochschulen repräsentierten. Unter den „Internationalen“ aus Punjab seien wiederum Elternhäusern stark vertreten, die sich eigentlich ein Auslandsstudium ihrer Kinder nicht leisten könnten. Sie würden sich allerdings durch Schuldenaufnahme weit über ihre Verhältnisse für die Bildungschancen ihrer Kinder einsetzen, nicht zuletzt, weil mit dem Studienabschluss in Kanada in der Regel auch eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis verbunden sei, man also das Auslandsstudium als Familieninvestition begreifen würde. Dies würde auch von den professionellen Anwerbern in den Herkunftsländern so kommuniziert. Es heißt: „Canadian postsecondary schools pay a commission to foreign consultants for every student they recruit. In Punjab, this economic model has given birth to an industry catering to youth wanting to obtain a study visa and settle [in] Canada. The promotion of a Canadian education as a means to obtain permanent residency is so affective that some families are taking loans to send their children to Canada.”
Die ökonomisch prekäre Situation dieser internationalen Studierenden und ihrer Familien schlage sich nicht nur in ihren Herkunftsregionen nieder, sondern mache die Studierenden selbst zu Zielen von Willkür und Ausbeutung. Hierzu heißt es: „To manage this financial burden many international students are working illegally. This has put them in a vulnerable position and many are victims of labour exploitation, and, exploitation of international students has become prevalent in communities across Canada. The economic dependency of female international students is especially unsettling as it makes them vulnerable to sexual violence.”
Sie finden den Bericht hier.
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Der Corona-Ticker des Chronicle of Higher Education meldet Ergebnisse einer Umfrage der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) unter mehr als 1.800 Hochschulen, der zufolge mit 51% eine knappe Mehrheit der befragten Hochschulen keine Testroutinen für asymptomatische Infektionen hätten, obgleich bekannt sei, dass etwa die Hälfte der Ansteckungen auf asymptomatische Fälle zurückzuführen seien.
Sie finden die Meldung hier.
Den Studierenden, so die Ergebnisse einer weiteren auf dem Ticker zitierten, allerdings nicht repräsentativen Umfrage, scheint mehr oder weniger egal zu sein, mit welchen Mitteln die Hochschulen im kommenden Herbst Ansteckungen im Präsenzunterricht vermeiden wollen. Es heißt: „Researchers found that under every scenario they asked about, comfortable majorities of respondents said they would enroll in the four-year colleges they were considering. If the college required masks on campus? Eighty-eight percent of responding transfer students, and 95 percent of responding first-year students, said they would go. If vaccines were required? Seventy-four percent of transfer students and 85 percent of first-years would enroll.”
Sie finden diese Meldung hier.
Sie finden die Umfrage hier.
Der Strategie einer wachsenden Zahl von Hochschulen, Ansteckungen durch obligatorische Impfungen zu vermeiden, hätten nun mit Utah und Texas einer weiteren Ticker-Meldung zufolge zwei Bundesstaaten einen gesetzlichen Riegel vorgeschoben. Die dortigen Regierungen hätten den öffentlich finanzierten Hochschulen eine Impfpflicht für Studierende untersagt. In Florida seien auch private Hochschulen von einem solchen Verbot betroffen, nachdem der dortige Gouverneur per Executive Order allen Unternehmen untersagt habe, von ihren Kunden einen Impfnachweis zu fordern. Es heißt: „Abbott, Cox, and DeSantis [die Gouverneure in den erwähnten Bundesstaaten] are all Republicans.“
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Inside Higher Education meldet einen erfolgreichen Börsenstart des MOOC-Anbieters Coursera, dessen Aktien für $33 ausgegeben worden seien. Der Kurs habe sich am Ende des ersten Börsentags bei $45 eingependelt gehabt, ein deutliches Zeichen des Vertrauens der Anleger in das Geschäftsmodell von Coursera. Es heißt zum weiteren Verlauf während der Börsenwoche: „Through Thursday of this week, Coursera shares peaked at $62 apiece, pushing the company’s market capitalization over $7 billion.”
Sie finden diese Meldung hier.
Ein Beitrag des Higher Education Quality Council of Ontario (HEQCO) befasst sich mit einer Initiative der Regierung in Ontario zur Ausweitung des Angebots sog. „Microcredentials“ an den Hochschulen der Provinz. Es heißt: „The Ontario government has dedicated close to $60 million for a micro-credential strategy that includes new programs, an online portal and a public awareness campaign.” Durch eine Ausweitung der Anspruchsberechtigung für Studienförderung auf mehr als 600 Programme für derartige Kurzausbildungen an Hochschulen sei noch einmal mit einem deutlichen Aufschwung zu rechnen, vorausgesetzt: „Ontarians know these opportunities exist and see the value in them“.
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Das Finalspiel im College-Basketball der Herren, in diesem Jahr zwischen Baylor University und Gonzaga University, hatte knapp 17 Mio. Zuschauer an den Bildschirmen der USA. Zum Vergleich: Die jüngste Finalserie im Profi-Basketball hatte im Schnitt 7 Mio. Zuschauer. Entgegen anderslautenden Aussagen wird immer wieder hervorgehoben, dass es tatsächlich eine Gonzaga University in Spokane im Bundesstaat Washington gibt und nicht nur eine sehr erfolgreiche Basketballmannschaft namens Gonzaga.
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