11.01.2020
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • 6. Januar 2021: Bewertungen und Folgen
  • Covid-19 und Hochschulen
  • Senatsmehrheit für die Demokraten
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,

trauriger Höhepunkt der vergangenen Woche war der Sturm auf den Sitz des US-amerikanischen Parlaments und der damit verbundene Versuch, den verfassungsmäßigen Ablauf eines Regierungswechsels zu verhindern. Wir befassen uns daher in der ersten Ausgabe des Jahres
mit Folgen und Bewertungen der Ereignisse des 6. Januar, die aus Gründen des damit verbundenen Rücktritts der Bildungministerin Betsy DeVos auch zu einer Rückschau auf ihre Bildungs- und Hochschulpolitik sind, und weiterhin mit dem Thema Covid-19 und Hochschulen. Wir werfen zudem einen Blick auf mögliche Folgen der am 5. Januar in den Nachwahlen in Georgia errungenen Mehrheit der Demokraten im US-Senat und schließlich wie immer auf Kurznachrichten.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und einen guten Start in ein gesundes und glückliches Jahr.

Stefan Altevogt

6. Januar 2021: Bewertungen und Folgen
Der Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol am vergangenen Mittwoch hatte mit dem Rücktritt von Bildungsministerin Betsy DeVos am darauf folgenden Tag keine unmittelbare bildungs- oder hochschulpolitische Auswirkung, weil ihre Amtszeit ohnehin mit der Vereidigung des neuen Präsidenten Joe Biden am 20. Januar geendet hätte. Jedoch bietet der Rücktritt von DeVos – mehr noch als die kurz vor Weihnachten geäußerte Absicht von Biden, mit Miguel Cardona den ehemaligen Bildungsminister von Connecticut als künftigen US-Secretary of Education zu nominieren – für die Fachmedien eine gute Gelegenheit, sich mit der Bilanz der scheidenden und entsprechend den Erwartungen an die kommende Regierung zu befassen.

Ein Beitrag auf Inside Higher Education zitiert aus dem zum Anlass ihres Rücktritts verfassten Schreiben der ehemaligen Bildungsministerin: „We should be highlighting and celebrating your administration‘s many accomplishments on behalf of the American people. Instead we are left to clean up the mess caused by violent protesters overrunning the U.S. Capitol in an attempt to undermine the people‘s business. That behavior was unconscionable for our country. There is no mistaking the impact your [Trump als Empfänger des Schreibens] rhetoric had on the situation, and it is the inflection point for me.”
Der Beitrag legt nahe, dass es neben den von DeVos im Schreiben aufgeführten Gründen für die ehemalige Ministerin auch einen praktischen Vorteil für den Rücktritt zu diesem Zeitpunkt gäbe, nämlich dadurch, nicht mehr in die Verlegenheit zu kommen, gemeinsam mit anderen Kabinettsmitgliedern und Vizepräsident Mike Pence den Präsidenten nach den Bestimmungen des 25th Amendments des Amtes entheben zu müssen, würde Pence diesen Weg beschreiten wollen.
Weniger spekulativ, weil auf einem Schreiben der Ministerin vom 5. Januar an die Fraktionsführer von Senat und Repräsentantenhaus und an die Vorsitzenden der Haushaltsausschüsse des Parlaments basierend, ist die Beschreibung eines letzten Versuchs von DeVos, auf bildungspolitische Weichenstellungen der kommenden Regierung Einfluss zu nehmen.
Dabei habe sie es laut Beitrag vor allem auf einen Bereich abgesehen, der in der Wahlplattform von Biden/Harris eine zentrale Rolle gespielt habe, nämlich die Behandlung des Problems von Studienschulden durch einen (teilweisen) Schuldenerlass. Dazu schreibt DeVos: „Across-the-board forgiveness of college debts is not only unfair to most Americans, it is also the most regressive of policy proposals – rewarding the wealthiest sector of our labor force at the expense of the poorest.“ Diesem Argument stellt der Beitrag die Faktenlage gegenüber, nämlich dass Biden/Harris auf der einen Seite den Besuch von Community und Black Colleges und Universities (HBCUs) für Kinder aus Haushalten mit Jahreseinkommen von unter $125.000 von Studiengebühren befreien wolle, dass man $10.000 Studienschulden wegen der Covid-Pandemie erlassen wolle und dass denjenigen, die weniger als $125.000 im Jahr verdienten, die durch Studiengebühren (ausdrücklich nicht Lebenshaltungskosten) akkumulierten Studienschulden erlassen werden sollten.
Ein weiterer, im Brief angesprochener Bereich beträfe die Regelungen für Hochschulen im Umgang mit Vorwürfen des Verstoßes gegen Title IX (u.a. sexueller Missbrauch, sexuelle Gewalt). Hierzu heißt es: „DeVos also urged Congress to preserve the new rules on campus sexual assaults her administration approved. Biden has said he plans to reverse the rules, which granted more protections to those accused of sexual assault and harassment but have raised concerns that they would deter victims from coming forward.”

Sie finden den Beitrag hier.

Über das Schreiben wurde zuerst von Associated Press berichtet. Sie finden diesen Beitrag hier.

Ein Beitrag im Chronicle of Higher Education bemerkt (etwas polemisch), dass DeVos am 6. Januar einen Grund gefunden habe, gegen Trump zu protestieren, wo sie doch als seine Ministerin in den vergangenen knapp vier Jahren bildungspolitisch weitestgehend auf einer Wellenlänge mit ihm gewesen sei. Nicht nur deshalb habe sie im bildungspolitischen Establishment des Landes eigentlich nie eine reelle Chance gehabt. Es heißt: „Betsy DeVos probably never had much of a chance with higher ed’s in-crowd. A billionaire philanthropist with no professional education experience, her passions resided outside the realms of colleges and universities. Her most cherished cause seemed to be school-choice programs, including those that allow taxpayer dollars to go toward private schools through tuition vouchers. Like many conservatives, she was skeptical of professors, whom she described as ‘ominously’ telling students what to think.”
Der Beitrag erinnert auch an die Skepsis ihr gegenüber bei den Senats-Anhörungen zu ihrer Bestätigung als Ministerin, die erst durch einen Eingriff des Vizepräsidenten in seiner Rolle als Mehrheitsbeschaffer bei unentschiedenen Abstimmungslagen gelungen sei. Nach ihrem Amtsantritt sei es dann auch nicht besser geworden: „What followed in the ensuing years, many higher-education officials say, was a series of missed opportunities and disputes. Colleges sparred with the Trump administration over immigration policy and received little guidance about how to safely reopen during the Covid-19 pandemic, leaving many officials to conclude that higher education simply wasn’t part of the agenda.” Das scheint dann auch die Bilanz ihrer Zeit als Ministerin zu prägen, dass nämlich Hochschul- und Bildungspolitik nicht zu den wichtigen Themen der Trump-Administration zählte und man sich ihr nur widmete, wenn man musste oder wenn man politische Punkte zu gewinnen hoffte.

Sie finden diesen Beitrag unter.

Für Patricia McGuire sind die Ereignisse des 6. Januar ein Fanal des Versagens von Hochschulen, den „alternativen Wirklichkeiten“ des noch amtierenden Präsidenten und damit der Erosion einer wesentlichen Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung entschieden entgegenzutreten. In einem Beitrag für den Chronicle of Higher Education schreibt die Präsidentin der Trinity Washington University: „Higher education should be the great counterweight to government, the reliable steward of truth and knowledge against the corrupting tendency of politics to manipulate facts and tell outright lies as a means to gain and secure public support. Truth was one of the earliest victims of the Trump administration, with the president racking up more than 20,000 documentable lies across four years.”

Sie finden diesen Beitrag unter.

Auch ein Beitrag auf Inside Higher Education sucht nach einer möglichen Mitschuld der Hochschullandschaft an den Ereignissen vom 6. Januar und fragt: „Do the presidents of universities that helped elevate Donald Trump to the White House have extra responsibility amid the chaos that unfolded at the end of his presidency?” Gemeint sind hier in erster Linie Führungskräfte von christlichen Hochschulen, allen voran Liberty University in Lynchburg, VA, deren Präsident, Jerry Prevo, sich bislang nicht zu den Vorgängen am 6. Januar geäußert habe. Es heißt weiter: „Liberty (...) gave Trump a prominent platform early in his 2016 presidential campaign, and he has appeared at the university multiple times, including speaking at its commencement in 2017.”

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Covid-19 und Hochschulen
Der Covid-Ticker des Chronicle of Higher Education meldet die Absicht der kommenden Regierung Biden/Harris, als eine Hilfestellung in Zeiten der Corona-Krise Studienschuldner um jeweils $10.000 zu entlasten und auf Rückzahlung von Darlehen aus Bundesmitteln in dieser Höhe zu verzichten.
Die University of Pittsburgh gehöre laut Ticker zur wachsenden Gruppe von Hochschulen, die ihre Studierenden derzeit möglichst noch nicht auf den jeweiligen Campus zurückkehren sehen wollten. Für ihre Rückkehr an die Studienorte fordere die American College Health Association nun eine schnellere Impfung der Studierenden, weil sie zwar nicht selber in besonderem Maße von Covid-19 bedoht, jedoch starke Vektoren bei der Verbreitung des Virus seien. Der Verband wird mit den Worten zitiert: „Given the risk of asymptomatic and presymptomatic students’ spreading Covid-19 to other cities, states, and countries during the ‘mass-migration events’ at the beginning and end of each semester [the group wants] students be vaccinated prior to the end of spring semester 2021.”

Sie finden den Ticker hier.

CBC meldet die Bemühungen von Hochschulverwaltungen in der kanadischen Provinz New Brunswick, auf den Campus zurückkehrende Studierende bei den Quarantänemaßnahmen zu unterstützen. Es heißt: „Each of the three universities have compiled lists of returning and new students coming from outside the province. Students living both off and on campus have to submit a quarantine plan before their return. The universities check with students daily via phone calls or emails. Conversations revolve around symptom checks, ensuring that guidelines are being followed and that students are feeling mentally and physically well.”

Sie finden die Meldung hier.

Inside Higher Education zitiert eine Einschätzung der Rating-Agentur Fitch, wonach die in der jüngsten Stimulus Bill von Ende Dezember vorgesehenen Hilfen für die Hochschullandschaft zur Bewältigung der finanziellen Folgen der Covid-Pandemie unzureichend seien. Es heißt: „The ratings agency stated that the $22.7 billion allocated to postsecondary institutions in the Consolidated Appropriations Act is significantly more than the $14.3 billion distributed through the federal CARES Act last spring, and that the new aid provides more flexibility to institutions in how they can spent the funds. But the federal support likely pales in comparison to the current and future revenue shortfalls and cost increases many institutions will face, given enrollment decreases, flat or reduced state funding, and other factors.”

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Sie finden die zitierte Einschätzung von Fitch hier.
Senatsmehrheit für die Demokraten
Am 5. Januar fanden in Georgia die Nachwahlen zu beiden noch vakanten Sitzen im US-Senat statt, die in einem Fall so knapp ausfiel, dass erst am 6. Januar klar wurde, dass beide Sitze an die Bewerber der Demokraten gehen würden und dass damit auch der Senat von den Demokraten insofern dominiert werden würde, als bei einem Patt von 50 zu 50 Stimmen Kamala Harris als Vizepräsidentin eine Mehrheit herstellen wird und Chuck Schumer als Führer der neuen faktischen Mehrheitsfraktion bestimmen kann, was diskutiert und über was abgestimmt werden wird.
Ein Beitrag auf Inside Higher Education setzt sich mit der Frage auseinander, ob die Mehrheit in Repräsentantenhaus und Senat nun die Umsetzung der bildungspolitischen Ziele der kommenden Administration wesentlich erleichtern und ob darüber hinaus auch der Wunschzettel der progressiveren Kräfte innerhalb der Demokraten abgearbeitet werden würde. Der Autor erinnert dazu an die knappest mögliche Mehrheit im Senat und schreibt: „For the new Senate majority leader, Chuck Schumer, to shepherd anything through the body, he will not be able to lose the support of any single Democrat in an ideologically diverse caucus that ranges from progressives like Vermont Independent Bernie Sanders and Massachusetts’ Elizabeth Warren to moderates like Joe Manchin, of West Virginia, or Jon Tester, of Montana.”
Vor allem hinsichtlich von mit möglicherweise hohen Kosten verbundenen bildungspolitischen Zielen seien derart knappe Mehrheitsverhältnisse problematisch, allen voran der Vorschlag von Biden zur Gebührenbefreiung für den Besuch von Community Colleges für Kinder aus Haushalten mit Einkommen unter $125.000 pro Jahr. Wenngleich immer wieder betont werde, die damit verbundenen Kosten würden durch höhere Steuereinnahmen infolge besserer Bezahlung von Absolventen wieder ausgeglichen, könne das Preisschild an einer solchen Maßnahme mit geschätzten knapp $700 Mrd. über die nächsten elf Jahre doch abschrecken und zu Diskussionen führen.
Einfacher könnten hingegen andere Themen zu bewältigen sein, etwa Maßnahmen zur Unterstützung der Hochschulen über das jüngst verabschiedete und aus Sicht der Demokraten nur $900 Mrd. schwere zweite Covid-Hilfspaket hinaus ($23 Mrd. seien hier für die Hochschulen vorgesehen) oder auch Stundung von Teilen von Studienschulden im Rahmen von Covid-Hilfen.
Bereits im Vorfeld sei man schließlich darüber weitgehend einig gewesen, dass die von DeVos eingeleiteten Maßnahmen zum Schutz gewinnorientierter Hochschulen vor Regressforderungen ehemaliger Studierender und zum Schutz des Zugangs der For-Profits zu Bundesmitteln von der Biden-Administration rasch wieder rückgängig gemacht würden. Allerdings wünsche man sich hierzu auch längerfristige Lösungen in Gestalt von Bundesgesetzen, was wiederum schwieriger umzusetzen sei, als eine bloße Verordnung durch das Ministerium.

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Kurznachrichten
Das Nova Scotia Community College (NSCC) möchte einen Inklusionsbeitrag dadurch leisten, dass Kinder, die in staatlicher Obhut aufgewachsen sind, ohne Studiengebühren studieren dürfen. Der Präsident der Hochschule wird in einer entsprechenden Presseerklärung mit den Worten zitiert: „By eliminating barriers to education in this way, we’re opening up a world of possibilities and ensuring that all Nova Scotians have the opportunity to move successfully into training and the workforce.”

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An der McMaster University möchte man zur besseren Inklusion von Afro-Amerikanern jetzt in einem Pilotprojekt dafür sorgen, dass mögliche Vorurteile frühzeitig erkannt und nicht zu einer Benachteiligung bei der Studienbewerbung führen würden. Das dazu eingerichtete Programm „Equitable Admissions for Black Applicants (EABA)” solle dabei Folgendes leisten: „The program allows students who self-identify as Black to have a supplementary application form evaluated by a panel of Black faculty, alumni, and students. The pilot project aims to reduce potential bias in the evaluations of applicants.”

Sie finden diese Presseerklärung hier.

In einem Beitrag für Inside Higher Education machte Elizabeth Redden bereits im Herbst vergangenen Jahres auf die immer noch sehr hohen Hürden aufmerksam, die zwischen Afro-Amerikanern und deren Besuch einer der besseren Hochschulen des Landes bestünden. Helfen könnten hier Quoten bzw. die Berücksichtigung ethnischer Hintergründe von Studienbewerbern, doch sei dies derzeit noch lange kein Thema. Sie schreibt: „What about considerations of race? Fewer than 7 percent of colleges (...) say race or ethnicity has ‘considerable influence’ on admission decisions, while 17.8 percent say it has ‘moderate influence’ and 16.9 percent ‘limited influence’. (...) Well over half – 58.4 percent – said race or ethnicity has no influence on their admission decisions.”

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Ein Beitrag feiert auf University Affairs das 20-jährige Jubiläum der Canada Research Chairs (CRC) und zitiert Paul Dufour von der University of Ottawa zu Hintergründen und Erfolgen des Programms. Danach habe man auf eine für Kanada als „Brain Drain“ wahrgenommene internationale Mobilität reagieren wollen und die Reaktion sei zu „one of the most important programs ever created in Canada“ geraten, in der Spitze ablesbar durch Beispiele wie John Smol, Molly Shoichet und Mona Nemer, die mit den CRC nach Kanada gekommen seien und von denen letztere Wissenschaftsberaterin der kanadischen Regierung wurde.

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