19.04.2021
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Budgetentwurf und Infrastrukturprogramm der neuen Regierung
  • Die Qual der Auswahl: Studienzulassung an den kompetitivsten Hochschulen
  • Fernunterricht als dauerhafte Folge von Covid-19?
  • Kurznachrichten

Liebe Leserinnen und Leser,
 
wir befassen uns in dieser Ausgabe mit dem Budgetentwurf und dem Infrastrukturprogramm der neuen Regierung und mit dem Dilemma bei der Studienzulassung an den kompetitivsten Hochschulen der USA. Wir werfen zudem einen Blick auf Fernunterricht als eine mögliche dauerhafte Folge von Covid-19 und wie immer auf verschiedene Kurznachrichten.
 
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Gesundheit, Geduld und Zuversicht.
 
Stefan Altevogt
Budgetentwurf und Infrastrukturprogramm der neuen Regierung
Am 9. April hat die Regierung Biden/Harris ihren Haushaltsentwurf für das im Oktober beginnende Haushaltsjahr 2022 (FY22) vorgelegt und darin angekündigt, künftig deutlich mehr in viele der bislang vernachlässigten Bereiche von Bildung mit dem Ziel investieren zu wollen, die USA zu einem sozial weniger zerklüfteten Land zu machen. Dem Bildungsministerium will die neue Regierung zum Beispiel für die gezielte Förderung sog. „High-Poverty Schools” $36,5 Mrd. und damit $20 Mrd. mehr als noch im vergangenen Jahr zukommen lassen. Es heißt dazu im Entwurf: „This investment would provide historically under-resourced schools with the funding needed to deliver a high-quality education to all of their students.”
Als einen ersten Schritt zu einer von Präsident Biden angekündigten Verdopplung der Höchstsätze im Pell-Grant Programm der Bundesregierung, eine Art einkommensabhängiges BaföG in den USA, soll die Obergrenze von derzeit $6.495 um $400 angehoben werden, „the largest one-time increase since 2009“, wie es heißt.
Den drei Gruppen von vor allem Minoritäten dienenden Hochschulen – das sind Historically Black Colleges and Universities (HBCUs), Tribally Controlled Colleges und Universities (TCCUs) und Minority-Serving Institutions (MSIs) – und den Community Colleges sollen zusätzliche $600 Mio. zur Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit zur Verfügung gestellt werden.
 
Sie finden den Haushaltsentwurf hier.  

Im „Biden/Harris-Ticker“ des Chronicle of Higher Education heißt es zum Haushaltsentwurf: „The new higher-education dollars would ‘help shrink racial gaps in higher education – which have worsened amidst the Covid-19 pandemic’, the White House said.”
 
Sie finden den Ticker hier.
 
Das zweischrittige und mehr als $2 Bio. schwere Investitionsprogramm der Regierung geht in seinem Ende März vorgelegten ersten Teil, dem „American Jobs Plan“, mit einem Planungshorizont von fünf Jahren noch deutlich über den Entwurf des FY22 hinaus und sieht allein $100 Mrd. zur Verbesserung der öffentlich finanzierten Schulen in den USA vor. Für die Verbesserung der Qualität der Community Colleges des Landes sind $12 Mrd. vorgesehen, für berufliche Ausbildung bzw. Umschulungen sieht der Plan in einem „Dislocated Workers Program“ $40 Mrd. vor.
Weitere $48 Mrd. sollen in noch andere Programme zur beruflichen Ausbildung fließen, zu denen es heißt: „This includes registered apprenticeships and pre-apprenticeships, creating one to two million new registered apprenticeships slots, and strengthening the pipeline for more women and people of color to access these opportunities through successful pre-apprenticeship programs such as the Women in Apprenticeships in Non-Traditional Occupations. This will ensure these underserved groups have greater access to new infrastructure jobs.”
 
Sie finden diesen Entwurf hier.
Die Qual der Auswahl: Studienzulassung an den kompetitivsten Hochschulen
Ein Beitrag im Chronicle of Higher Education befasst sich mit den wenigen, während der Corona-Pandemie noch selektiver gewordenen Hochschulen des Landes, den Harvards, Yales und Dukes, die zuletzt Zulassungsquoten von nur noch 3,4%, 4,6% bzw. 5,8% der Studienbewerber gehabt hätten. Aus einem riesigen und in der Regel durch die Bank außerordentlich begabten Bewerberpool die wenigen herauszufischen, die dann einen Zulassungsbescheid erhalten sollten, bräuchte schon ungewöhnliche Sehschärfe, eine Sehschärfe, die – schaue man auf das Ergebnis – allerdings nicht erreicht werde. Das Ergebnis sei nämlich, dass man ohne irgendeinen bemerkbaren Qualitätsverlust in den Anfängerklassen die tatsächlich zugelassenen Bewerber durch eine gleichgroße Gruppe der nächstbesten Abgelehnten ersetzen könne, auch diese wieder durch die dann folgende Gruppe und so fort. Das ginge zwar nicht beliebig häufig, aber immerhin häufig genug, dass ein Losverfahren zu qualitativ gleichrangigen Ergebnissen kommen würde, wie der aufwändige, aber von den Hochschulen offensichtlich geliebte Zulassungsprozess. Statt die Studienplätze aber zu verlosen oder sonst wie durch Zufall verteilen zu lassen, vertieften sich die kompetitivsten Hochschulen in ihre Auswahlprozesse, machten sie durch „holistisch“ genannte Verfahren noch aufwändiger und drängten scheinbar noch tiefer in die Persönlichkeiten der Bewerber ein.
Nur scheinbar, weil sich freilich die Strategien der Bewerber sehr gut und schnell an die jeweiligen Moden in den Auswahlgremien anpassten. Es heißt: „With holistic admissions, colleges have created a sort of Heisenberg uncertainty dilemma: Eager, anxious, ambitious kids, hearing of the latest behavioral and character traits favored by admissions offices, will do their best to affect or adopt those traits. If you take this dilemma seriously, then the current buzzword of holistic admissions might strike you as odd. That buzzword is authentic. ‘Authentic’ and ‘authenticity’ pop up everywhere in admissions discourse, often in jarring, self-contradictory formulations.”
 
Sie finden den Beitrag hier.
Fernunterricht als dauerhafte Folge von Covid-19?
Ein Beitrag in der New York Times zu Veränderungen von Unterrichtsformen infolge von Covid-19 zitiert Ergebnisse einer von der Rand Corporation durchgeführten Untersuchung und schreibt: „In a study by the RAND Corporation, ‘Remote Learning Is Here to Stay’, 58 out of 288 district administrators – roughly 20 percent – said their school system had already started an online school, was planning to start one or was considering doing so as a postpandemic offering.”
Damit würden Schulen auf eine deutliche Ausweitung der Nachfrage nach einer bislang nur sehr selten (von etwa 1% aller Schüler im Primär- und Sekundärbereich) genutzten Möglichkeit reagieren, Kinder dauerhaft in virtuellen Formaten zu unterrichten, Formate, die zwar auf der einen Seite in wenigen, besonderen Fällen erkennbare Vorteile für Schüler hätten, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle allerdings zu deutlich schlechteren Lernergebnissen führten. Die Verantwortlichen in den Schulbezirken sähen sich allerdings nicht in der Lage, sich einer solchen Entwicklung zu widersetzen, deren eine Triebfeder durchaus auch die Bequemlichkeit von Eltern sein könne, die ihre Kinder gerne zu Hause unterrichtet hätten. Es heißt: „Districts said they were simply responding to demand from parents and children who want to stick with remote learning – some because of student health issues, some because of concerns about bullying or discrimination in their school, and some who just prefer the convenience of learning at home. Districts that fail to start online schools could lose students – along with government education funding – to virtual academies run by neighboring districts, companies or nonprofits, administrators said.”
 
Sie finden den Beitrag hier.  
Sie finden die Untersuchung hier.  

Ein weiterer Beitrag der New York Times zur Praxis des Fernunterrichts an High Schools in den USA zitiert Zahlen aus dem Schulbezirk Paterson in New Jersey, nach denen am Tag der Untersuchung von IP-Adressen von 5.400 Oberschülern 306, also 5,6%, von außerhalb der USA am Unterricht teilgenommen hätten. Im benachbarten Elizabeth seien es 2,7% gewesen, deren IP-Adressen in 24 Länder außerhalb der USA verwiesen hätten. Es heißt: „Most were tuned in from Caribbean countries; the Dominican Republic was the most common location. But there was one child each in Kenya, Moldova and Bangladesh. Five students (...) were in Pakistan.”
 
Sie finden diesen Beitrag hier.
Kurznachrichten
Der Corona-Ticker des Chronicle of Higher Education listet die derzeit 32 US-Hochschulen, die für das kommende Herbstsemester von ihren Studierenden Corona-Schutzimpfungen verlangten. Darunter ist auch die privatfinanzierte Nova Southeastern University in Florida, die damit gegen ein entsprechendes Verbot des Gouverneurs verstößt.
 
Sie finden die Liste hier.
 
Eine weitere Meldung des Tickers berichtet eine Spende der Bloomberg Stiftung in Höhe von $6 Mio. an vier „historically Black medical schools“ zur besseren Finanzierung ihrer jeweiligen Covid-Impfkampagnen. Es heißt dazu: „The pandemic has disproportionately hurt Black Americans, but they are underrepresented among the vaccinated population, according to the Centers for Disease Control and Prevention. The grant comes from Bloomberg Philanthropies’ Greenwood Initiative, which seeks to ‘accelerate the pace of Black wealth accumulation in the United States and address decades of systemic underinvestment in Black communities’, its announcement said.”
 
Sie finden die Meldung hier.  

Die University of Alberta (U of A) in Edmonton meldet Überlegungen, im kommenden Jahr Studiengebühren in zwölf ihrer mehr als 500 angebotenen Programmen an die Gebühren vergleichbarer Hochschulen anzupassen und entsprechend in einzelnen Fällen auch drastisch zu erhöhen. Studierendenvertreter zeigten sich laut Edmonton Journal entrüstet über das Ansinnen der Hochschule und nannten die geplanten Erhöhungen von zwischen 17% und 104% „absolutely outrageous“. In einem „Tuition Framework“ erläutert die Hochschule auf 20 Seiten die neue Preisstruktur und schreibt zu den Studiengebühren für internationale Studierende: „Institutions’ boards of governors have the authority to set tuition for international students at their own discretion. Similarly, the rates at which international student tuition increase are entirely at the discretion of institutional boards. This provides institutions with flexibility to set tuition rates at a level that reflects both the cost to deliver the program and the requirements of attracting international students.”
 
Sie finden die Meldung der U of A hier.  
Sie finden die Stellungnahme der Studierendenvertreter hier. 
Sie finden die Begründung der neuen Preisstruktur hier.  

University World News meldet die Entscheidung der Canadian Human Rights Commission, wonach kanadische Hochschulen ihre bislang auf rein kompetitiver Basis eingeworbenen Canada Research Chairs nun gemäß Proporz an bislang noch unterrepräsentierte Teile der Bevölkerung vergeben müssten, um nicht die Teilnahmeberechtigung am Programm zu verlieren. Begründet werde die Entscheidung mit der an den Ergebnissen angelehnten Vermutung, dass bereits der Ausschreibungsprozess die bislang deutlich überrepräsentierten Schichten bevorzuge.
 
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Mit der Erfahrung aus der Lektüre von 3.000 Bewerbungsschreiben rät ein ehemaliger Karriereberater eines US-Colleges zu Effizienz und Präzision und schätzt, dass Leser solcher Schreiben im Schnitt sechs Sekunden mit der Lektüre verbrächten. Entsprechend stark begründet sollten eine etwaige siebte oder gar achte Lesesekunde sein. Er illustriert seinen Standpunkt mit dem historisch wohl ersten Bewerbungsschreiben, einem Brief von Leonardo da Vinci an den Herzog von Mailand, in dem da Vinci seine Genialität als Entwickler von Kriegsgeräten pries. Als Ratschlag an alle Bewerbungsschreiber schreibt der Autor: „Résumés do violence to language. They are poetry, inverted. You must dry the joy from the bones of words; drain the human sauce; leave a labored husk printed on eggshell.”
 
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