Ausgabe ___ | March 29 2017
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Covid-19 und Hochschulen
  •  „Will the Coronavirus Forever Alter the College Experience?”
  • Synergie von Exzellenz und Massentauglichkeit?
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,
 
in dieser Ausgabe befassen wir uns weiterhin mit Covid-19 geschuldeten Nachrichten aus der nordamerikanischen Hochschullandschaft und mit einem Beitrag der New York Times zur Frage: „Will the Coronavirus Forever Alter the College Experience?” Wir werfen zudem einen Blick auf einen in Issues in Science and Technology erschienenen Beitrag von Michael Crow und William Dabars zu den bislang traditionell als Spannungsfeld wahrgenommenen Polen von Exzellenz und Massentauglichkeit und schließlich auf verschiedene und in dieser Woche kanadische Kurznachrichten.
 
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und in diesen Wochen zudem Gesundheit, Geduld und Zuversicht.
 
Stefan Altevogt

Covid-19 und Hochschulen
In der jüngsten Ausgabe ihrer Rubrik „Teaching” schildert Beth McMurtrie im Chronicle of Higher Education, was ein Hochschulpräsident über Lehre im derzeit praktizierten Modus des Fernstudiums habe lernen können, indem er sich als Studierender selbst eingeschrieben habe. David Wilson, Präsident der Morgan State University habe sich als großer Jazz-Fan unter anderem in einem Kurs zu Musiktheorie eingeschrieben, sei allerdings vom Niveau Seminarteilnehmer so beeindruckt gewesen, dass seine Teilnahme passiv geblieben sei. Er wird mit den Worten zitiert: „When I hear the students opining on this or that, and they are so deep into the material, they just make me feel ignorant. As a university president, I think I would never utter that word about myself. But it makes me understand, if you will, that learning is indeed a lifelong process.”
Soweit funktioniere der Unterrichtsbetrieb eigentlich „normal”, mal abgesehen von für Hochschulen eher untypischen Störungen im Home Office. Was allerdings fehle, seien die persönlichen Kontakte zwischen Lernenden und Lehrenden, die Hochschulerfahrung, für die Studierende viel Geld auszugeben bereit seien: „The office hours of professors, there’s something magical that takes place when you have a face-to-face genuine conversation with someone. You see the gesticulation, you read the body language, you are meeting that person emotionally as well as intellectually. What I see here [im Fernstudium per Zoom] is that we do a good job of trying to meet the students intellectually. But the emotional piece that is such an important part of our culture – that is difficult to translate.”

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Ein Beitrag im Chronicle of Higher Education geht der Frage nach, ob ein hoffentlich bald zur Verfügung stehender Test auf Coronavirus-Antikörper die Wiederaufnahme des „Normalbetriebs” US-amerikanischer Hochschulen bereits zum kommenden Herbstsemester erlauben könne. An der University of Arizona werde dies derzeit bejaht bzw. es werde darauf hin geplant. Gemeinsam mit dem Gouverneur des Bundesstaats habe der Präsident der Hochschule, Robert Robbins, in der vergangenen Woche angekündigt, dass die Universität ihre eigenen Tests entwickeln und produzieren und damit auch eine Vorreiterrolle für andere Teile der Bevölkerung spielen wolle, denn noch sei nicht klar, ob Antikörper auch Immunität bedeuteten. Robbins wird mit den Worten zitiert: „We need to get the data because knowledge is power. We feel that empowering our students, our faculty, and staff is really important.”

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Auf Inside Higher Education befasst man sich ebenfalls mit dem großen „If” und schreibt: „The difficult calls have not been made, those hard-to-send emails have not been sent. The question of whether campuses will be closed to students is still in many ways an open one.” Während an Einrichtungen wie Cal State Fullerton oder San José State bereits für ein weiteres Semester online geplant werde, erörtere man an Purdue University in West Lafayette, Indiana derzeit die Bedingungen (etwa noch kleinere Klassen und Aufteilung der Studierenden in stark oder weniger stark durch Covid-19 gefährdet), unter denen der normale Unterrichtsbetrieb wiederhergestellt werden könne. Das William Jewell College in Missouri sei sich sogar sicher, dass das kommende Semester on campus durchgeführt werde. Ein wichtiger Hintergrund für die unterschiedlichen Prognosen könne durchaus der Ort der jeweiligen Einrichtung sein, wobei Hochschulen in städtischen Verdichtungsräumen deutlich vorsichtiger vorgingen als Hochschulen in ländlichen Gebieten. Der Präsident der ländlchen University of Idaho, derzeit ebenfalls auf dem Pfad von Purdue, wird dazu mit den Worten zitiert: „A residential campus like the University of Idaho that’s in a fairly isolated location depends so much on really bringing students to that location. They’re going to try very hard to have a face-to-face semester.”

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Der Chronicle of Higher Education listet die Einrichtungen, die derzeit eine Wiederaufnahme des Normalbetriebs angekündigt haben bzw. mehr sagen als „wir wissen es noch nicht”.

Sie finden die laufend aktualisierte Liste hier.

Mit dem derzeit in das Internet verschobenen Unterrichtsbetrieb verlagere und verstärke sich einem Beitrag im Chronicle of Higher Education zufolge auch das Problem von Brückenkursen. Man werde sich im kommenden Herbst auch ernsthaft die Frage stellen müssen, ob diese Art von Hilfestellung online überhaupt zu leisten sei. Es heißt: „With students across the country shifting to emergency online instruction for up to six weeks of their spring semesters, many educators predict that even more will start this fall unprepared for college-level work and needing [a] kind of personalized support (...). Which begs the question: How can that be done at scale in a virtual environment for students who, studies have shown, are more likely to struggle when instruction is completely online?” Vermutlich werde in den allermeisten Fällen dadurch reagiert, dass akademische Erwartungen zurückgeschraubt würden, um diesen Teil der Studierenden nicht zu verlieren.

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In einem Beitrag für den Chronicle of Higher Education schreibt die Karriereberaterin Karen Kelsky zu den Auswirkungen von Covid-19 auf den akademischen Arbeitsmarkt: „Higher education is reeling from this global pandemic, and everyone is stressed about budgets and money. But a lot of untenured faculty members and graduate students, in particular, are worried about what’s next for them and their future in academe. I’ll be blunt: The prospects are not good.”

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Will the Coronavirus Forever Alter the College Experience?”
Außerhalb von Schlagertexten sind Fragen, die sich um absolute Kategorien wie z.B. „immer, ewig und nie” drehen meistens rhetorisch gemeint, und so lautet die naheliegende Antwort auf die von der New York Times aufgeworfene Frage „Will the Coronavirus Forever Alter the College Experience?” denn auch: „The answer so far appears to be no. But some online education tools are likely to stick around.”
Man habe sich an allen Orten des Landes rasch und überwiegend im improvisatorischen Stil an die Notwendigkeiten angepasst. Es gäbe zahllose Beispiele und als eine Folge der großen Zahl von Lösungen könne man darunter geniale, weniger geniale und vermutlich auch absurde finden.
Was nach dem Abklingen der Krise von den vielen improvisierten Anpassungen wohl bleiben wird, sei eine verstärkte Einbindung von Online-Tools in das Unterrichtsrepertoire von Lehrenden und vermutlich auch eine Anpassung von Undergraduates an die Freiheits- und Selbstverantwortungsgrade, die derzeit für sie neu, für Graduate Students allerdings schon seit jeher die Regel seien. Insofern würden ohnehin bestehende Trends wahrscheinlich durch Covid-19 beschleunigt werden.
Man solle aber auch immer bedenken, dass die improvisierten Modi der gegenwärtigen Situation nur wenig mit Online-Education im eigentlichen Sinne zu tun hätten. Es heißt dazu: „Conceiving, planning, designing and developing a genuine online course or program can consume as much as a year of faculty training and collaboration with instructional designers, and often requires student orientation and support and a complex technological infrastructure.” Die oft in nur wenigen Tagen zusammengeschusterten und derzeit notgedrungen angebotenen Kurse könnten daher auf der anderen Seite auch das Bedürfnis nach traditioneller Lehre irgendwo auf einem hübschen College-Campus wiedererwecken.

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Synergie von Exzellenz und Massentauglichkeit?
Mit „Designing the New American University” hatten Michael Crow und William Dabars 2015 ein vielbeachtetes Buch vorgelegt, dass der US-amerikanischen Hochschullandschaft zur Aufgabe machte, sich als Merkmal einer exklusiven Exzellenz nicht mehr eine möglichst große Zahl abgelehnter Bewerber zum Ziel zu setzen, sondern vielmehr mit deutlich inklusiveren Strategien deutlich größere Kohorten zu bedienen und sie auf ein akademisch sehr hohes Niveau zu befördern. Crow verkörpert als Präsident der Arizona State University (ASU) den Charme, dass dort seine Ideen in der praktischen Anwendung und in ihren Auswirkungen zu beobachten sind; Dabars ist dort ebenfalls auf der Stabsebene beschäftigt und Senior Research Fellow im ASU Consortium for Science, Policy & Outcomes (CSPO).
In einem Beitrag für Issues bauen beide ihre bereits 2015 entwickelten Thesen aus und werben für die deren Langfassung in dem jüngst ebenfalls bei Johns Hopkins University Press veröffentlichten Buch „The Fifth Wave: The Evolution of American Higher Education”. Sie schreiben: „America’s future depends on embracing the idea that excellence and access in higher education are not incompatible, but synergistic.” Es sei vor allem die globale Wettbewerbssituation zunehmend wissensbasierter Erwerbsgesellschaften, die eine nun fünfte Welle von Innovation der US-amerikanischen Hochschullandschaft erfordere. Man müsse sich von dem bestehenden „Boutique-System” (Harvard, Stanford etc.) verabschieden und statt hunderter sehr gut Ausgebildeter tausende (annähernd) ebenso gut Ausgebildete hervorbringen, sonst werde man überrollt: „As nations worldwide invest strategically to educate broader segments of their citizenry for the knowledge economy, America has outgrown its existing research-grade academic infrastructure.”
Die Skalierung qualitativ hochwertiger Lehre und Forschung sei die einzig angemessene Antwort auf die Realität der gegenwärtigen Situation, die die beiden Autoren in Anlehnung an Oren Cass vom Manhattan Institute for Policy Research mit den Worten beschreiben: „The trajectories of recent cohorts diverge starkly according to a predictable pattern. Cass estimates that one-fifth of the seniors will fail to receive a high school diploma; one-fifth will pursue no further formal schooling; one-fifth will enroll in college but fail to graduate; one-fifth will complete some level of college but subsequently enter the workforce in a position that does not require a degree; and only one-fifth will eventually graduate and find suitable employment.”

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Kurznachrichten
Die Canadian Broadcasting Corporation (CBC) meldet die Entschlossenheit der Provinzregierung in Manitoba, die öffentlichen Hochschulen an der Bewältigung der Folgekosten von Covid-19 durch Einsparungen zu beteiligen, und die Regierung habe auch schon eine Größenordnung genannt: bis zu 30%. Es heißt: „The province gave universities a Tuesday deadline to prepare scenarios for budget cuts of 10, 20 and 30 per cent over the next four months, either by cutting back on their workforces or by reducing other expenditures. The University of Manitoba, the largest in the province, is ‘exploring every option’ and will respond to the province by Tuesday, said vice-president John Kearsey, who handles external relations for the school.”

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Die University of Prince Edward Island (UPEI) hat einer Meldung auf CBC zufolge ihre Werbemaßnahmen an das Leben mit der Corona-Krise angepasst und biete zur Anwerbung künftiger Studierender nun virtuelle „Rundgänge” über den Campus, durch Studierendenwohnheime und Labore an. Es heißt: „Sarah Roach-Hannah, the manager of domestic recruitment and first year advising, said while a virtual open house may not have the same feel as an in-person event, it will mean more people from around the world can take part.” Unter den Teilnehmern würden Preise der Hochschule verlost, darunter kostenlose Kurse.

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Colleges & Institutes Canada befasst sich mit dem Problem internationaler Studierender, die derzeit in Kanada vom Auslaufen ihrer Visa bedroht seien, weil sie aufgrund der Krise nicht ausreisen können. Immigration, Refugees, and Citizenship Canada (IRCC) habe jetzt alle Betroffenen aufgefordert, eine Visumsverlängerung zu beantragen. Der Beitrag zitiert IRCC mit den Worten: „Temporary workers and international students who are in Canada and whose temporary resident status will soon expire are being advised to apply online to extend their status before it expires. This allows them to maintain their temporary resident status in Canada while their extension is processed by IRCC. (…) They remain subject to the same conditions listed on their expired work or study permit.”

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Die Regierung von British Columbia habe laut einer Meldung auf CBC mit „Here2Talk” jetzt einen psychologischen Betreuungsdienst für Studierende eingerichtet, damit sie mit den Folgen der gegenwärtigen Krise besser klarkommen. Es heißt: „It is directed at students who need help dealing with depression, anxiety, loneliness, pressure to perform, crises, racism and relationships.” Der rund-um-die-Uhr-Service werde ersten Schätzungen nach mit Can$1,5 Mio. zu Buche schlagen und die zuständige Bildungsministerin wird zur Überfälligkeit des Dienstes mit den Worten zitiert: „Students advocated for years to fill the gap in available mental-health counselling services in British Columbia. With the advent of Covid-19 and the increased stress it puts on students, we doubled down to get students the supports they so desperately need.”

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Die Concordia University in Edmonton meldet die Unterzeichnung eines MOU mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) zur gemeinsamen Zusammenarbeit in Europa, bei dem Concordia vor allem an den europäischen Mobilitätsprogrammen interessiert zu sein scheint. Was FAU an der Sache interessiert und warum FAU in Edmonton dann nicht gleich zur University of Alberta gegangen ist, erschließt sich aus der Pressemitteilung nicht, zeigt aber, dass internationale Zusammenarbeit vor allem von engagiert arbeitenden Personen abhängt.

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