26.10.2020
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Covid-19 und Hochschulen
  • Hochschulen und die kommende US-Präsidentschaftswahl
  • New York Times bezieht Stellung zu Visa-Verschärfungen in den USA
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,
 
in dieser Ausgabe befassen wir uns weiterhin mit dem Thema Covid-19 und Hochschulen und mit dem kommenden Wahltag in den USA am 3. November. Wir werfen zudem einen Blick auf eine Stellungnahme des Editorial Boards der New York Times zu den von der Trump-Administration geplanten Verschärfungen von Visa-Regelungen und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten der Woche.
 
Ich wünsche Ihnen wie immer eine interessante Lektüre und in diesen Wochen zudem Gesundheit, Geduld und Zuversicht.
 
Stefan Altevogt
Covid-19 und Hochschulen
Der Chronicle of Higher Education meldet in seinem Covid-19-Ticker die Entscheidung der Northeastern University, für das kommende, im Januar beginnende Spring Semester wieder zur Präsenzpflicht für Fakultätsmitglieder zurückzukehren, unabhängig von Alter und anderen Risiko-Faktoren. Die Meldung zitiert ein im August veröffentlichtes Op-Ed des Hochschulpräsidenten, der mit Hinweis darauf, dass man mit dem Coronavirus zu leben lernen müsse, einen mit $50 Mio. finanzierten Plan für Test- und Eindämmungsprogramme vorgestellt habe. Die von der Hochschule verfolgte Strategie sei vielversprechend. Es heißt: „Northeastern’s most recent seven-day average positivity rate is 0.06 percent. After administering more than 288,000 tests for the virus, the university has logged a total of 147 positives among students and employees.”
 
An der University of Dayton wird der Tod eines Studierenden an Covid-19 gemeldet.
 
Boston University verlange von ihren Studierenden nun ein elektronisches Zeugnis zum jeweiligen Corona-Status, das beim Eintritt in die Gebäude auf dem Campus vorgelegt werden müsse. Es heißt: „The badges show green on smartphones for students who are up to date [mit den Covid-Tests]; orange if they were in contact with someone who tested positive; red if they themselves tested positive; or yellow for they are overdue for testing or screening.” Die Maßnahme sei notwendig geworden, weil es zuletzt infolge nachlassender Aufmerksamkeit mehr Infektionsfälle gegeben habe.
 
Die „Rückkehr zur Normalität” auf dem Campus der University of Wisconsin in La Crosse habe möglicherweise zu einer Häufung von Covid-bedingten Todesfällen in Altersheimen vor Ort geführt. Es heißt: „Infections appeared first in the student-age population and then swept through local nursing homes.”
 
In einem Brief an des US-Kongress haben die Spitzen der zehn wichtigsten Hochschulverbände die Politik dazu aufgefordert, wenigstens $120 Mrd. in die Hand zu nehmen, um eine Katastrophe für die Hochschullandschaft infolge von Covid-19 noch abzuwenden. Es heißt in dem Schreiben: „Since
the start of the pandemic, colleges and universities have been overwhelmed by a combination of factors unique to the unprecedented challenges confronting students and institutions. The bottom line is clear: to stave off catastrophic consequences, our associations strongly believe that at least $120 billion in new federal support is needed, and it is needed quickly.”
 
Sie finden den Ticker hier.
Sie finden das zitierte Schreiben hier.
 
Inside Higher Education schaut in den Jahresbericht von Harvard University, der infolge von Covid-19 um $138 Mio. verringerte Einnahmen ausweise und ein Haushaltsdefizit von $10 Mio. Dennoch sei die Hochschule auch in diesem Jahr noch wohlhabender geworden. Es heißt: „Harvard’s net assets increased in 2020 despite the operating loss, with net assets jumping by $893 million to $50.2 billion thanks to growth in its massive endowment.”
 
Sie finden die Meldung hier.
Hochschulen und die kommende US-Präsidentschaftswahl
In gut einer Woche wird sich entscheiden, ob es einen neuen US-Präsidenten geben wird, ob die Demokraten ihre Mehrheit im House of Representatives verteidigen und ob sie den Republikaner dazu noch die Kontrolle über den US-Senat entreißen können. Eine hohe Wahlbeteiligung am 3. November, darüber sind sich Experten weitgehend einig, würde den Demokraten nutzen, und Republikanern wird häufig vorgeworfen, sie versuchten die Wahlbeteiligung so klein wie möglich zu halten.

Ein Beitrag im Chronicle of Higher Education befasst sich auf der einen Seite mit einem als „historisch“ beschriebenen Interesse von Studierenden an der Stimmabgabe in der anstehenden und ebenfalls als „historisch“ bezeichneten Wahl, auf der anderen Seite werden die vielen Hürden beschrieben, die es oft verhinderten, dass Studierende wählen könnten und sie sich zu einem wichtigen „voting bloc“ entwickeln könnten. Hochschulen würden in diesem Konflikt, der bereits zu zahlreichen Gerichtsverfahren geführt habe, eindeutig Stellung beziehen. Es heißt: „The roadblocks have forced colleges to expand their ‘get out the vote’ efforts beyond the simple message that voting is important. Some institutions have devised new tactics and built on old ones to help ensure their students can exercise the right to vote.”
 
Sie finden den Beitrag hier.
 
Inside Higher Education setzt sich mit den Folgen eines möglichen Wahlsiegs von Joe Biden auseinander und fragt, ob die Politik des Bildungsministeriums einer Biden-Administration noch aggressiver gegen profitorientierte Missbräuche in der Hochschullandschaft vorgehen würde als es zu Zeiten der Regierung Obama der Fall gewesen sei. Der Beitrag erinnert daran, dass das Department of Education unter der derzeitigen Ministerin Betsy DeVos die Regeln verschärft habe, nach denen Studienschuldner, die Opfer irreführender Programme geworden seien, von Schulden befreit werden können („borrower defense to repayment rule“) und dass die „gainful employment rule“, nach der Hochulen nachweisen müssen, dass ihre Abschlüsse zur Begleichung von Studienschulden befähigen, zugunsten der For-Profits entschärft wurde. Hier könne eine Regierung Biden durchaus rasch und per Executive Order handeln, doch sei es laut Bidens Wahlkampfteam das erklärte Ziel, die üblichen parlamentarischen Prozesse in das Regierungshandeln einzubinden und entsprechend auch parteiübergreifende Lösungen anzustreben.
Wie weit man über die bloße Restauration der hochschulpolitischen Errungenschaften der Obama-Administration hinausgehen wolle, ob und wenn ja, wie weitgehend man sogar eine im Nominierungswahlkampf heiß diskutierte Stundung von Studienschulden in Angriff nehmen wolle, dazu würden derzeit allerdings keine Stellungnahmen des Wahlkampfteams mehr abgegeben. Zur Erinnerung: „Biden has pledged to forgive all undergraduate tuition-related federal student debt from two- and four-year public colleges and universities for debt holders earning up to $125,000. He would also cancel a minimum of $10,000 in debt for each borrower during the pandemic.”
Was man allerdings jetzt schon sagen könne: Eine besondere Aufmerksamkeit würden in einer Biden-Administration die Community Colleges des Landes genießen, denn mit Jill Biden würde eine Englisch-Professorin des Northern Virginia Community College First Lady werden und sie beabsichtige, ihren beruflichen Verpflichtungen auch als Gattin des US-Präsidenten nachzukommen.
 
Sie finden diesen Beitrag hier.
 
In seinem Blog auf Inside Higher Education warnt John Warner vor den möglichen Folgen eines erneuten Wahlsiegs von Donald Trump bei unveränderten Machtverhältnissen im Senat. Er schreibt: „I could see a Trump Administration following through on their promise to withhold federal funds from schools that don’t open to face-to-face instruction. Imagine what would happen to schools who cannot access Pell money. They would have no choice but to bend the knee.”
Auf der anderen Seite solle man sich auch von einem Wahlsieg Bidens und einer Verschiebung der Machtverhältnisse im Parlament keine Allheilmittel für die derzeit sehr schwierige Situation der Hochschullandschaft versprechen, denn: „The future is rough for higher ed no matter what. Most everyone believes we’re just scratching the surface in terms of the revenue contractions at the state level, and history tells us higher education will take more than its share of lumps when it comes to budgets.”
 
Sie finden diesen Beitrag hier.
New York Times bezieht Stellung zu Visa-Verschärfungen in den USA

Das Editorial Board der New York Times hat sich in einer Stellungnahme deutlich gegen die von der Trump-Administration geplanten Verschärfungen von Regelungen zur Vergabe von Visa für die USA ausgesprochen und argumentiert, dass sich die USA damit ohne Not oder entsprechendem Nutzen große Nachteile im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe einhandeln würden.
Man sehe ein, dass die angekündigten und zum Teil auch schon durchgeführten Maßnahmen Teil eines Wahlversprechens seien, illegale Immigration zu unterbinden und legale Immigration auf ein Minimum zu beschränken, doch gerade der zuletzt vermauerte Stein in „the wall“ sei ausgesprochen kontraproduktiv und als „self-inflicted wound for the U.S.“ vermeidbar. Es heißt: „The latest brick in this wall is aimed at making it much harder and more expensive for foreign students, exchange visitors and journalists to work or study in the United States. The value of hosting these groups is self-evident – students and exchange visitors bring valuable perspectives (and tuition payments) and, in most cases, take back an appreciation of American life. Resident foreign journalists explain the workings of American society and democracy to audiences worldwide.”
Die zuletzt geplanten Regeländerungen (wir berichteten: Visa sollen künftig nur noch für zwei oder vier Jahre ausgestellt werden und nicht mehr „for the duration of status“) beträfen etwa 2,3 Mio. Menschen, davon seien mehr als 2 Mio. Studierende, die nach Schätzungen von NAFSA derzeit pro Jahr $41 Mrd. zur US-Volkswirtschaft beitrügen. Die fremdenfeindliche Politik der Trump-Administration habe bereits zu deutlichen Verlusten in diesem Bereich geführt, von NAFSA kumulativ auf $11,8 Mrd. geschätzt, die nun in anderen Ländern erwirtschaftet würden. Aber: „Dollars and jobs are not the whole story. International students and immigrants have played a major role in the study of science, technology, engineering and mathematics, and have garnered a major share of American Nobel Prizes in the sciences. Returning to their home countries, they become a major American soft-power asset.”
 
Sie finden den Beitrag hier.
Kurznachrichten
Beckie Supiano diskutiert in einem Beitrag für den Chronicle of Higher Education die sich angesichts virtueller Lehrveranstaltungen verstärkt aufdrängende Frage, ob man verhindern könne, dass Studierende bei Leistungstests schummelten, und ob es überhaupt sinnvoll sei, es verhindern zu wollen. Die Fronten in dieser Frage seien derzeit noch verhärteter als ohnehin schon und beide Seiten förderten auf die eine oder andere Weise sicherlich Kreativität. Die einen beim Katz-und-Maus-Spiel mit den akademisch weniger aufrichtigen Studierenden, die anderen bei der Suche nach weniger betrugsanfälligen Beurteilungskriterien. Wenn man aber darauf bestehe, dass ein Hochschulbesuch auch auf das Berufsleben vorbereiten solle und Leistungstests etwas Anderes darstellten als ein bloßer Schritt auf dem Weg zum Abschlusszeugnis, dann könne man sich heutzutage nicht mehr vor der folgenden Einsicht verschließen: „College graduates will rarely have to solve problems in an hour during which they have no access to the internet or other people.“
 
Sie finden den Beitrag hier.
 
Der Anbieter von Hochschulzugangstests ACT hat sich einer Meldung auf Inside Higher Education zufolge mit den Anwälten einer Sammelklage darauf geeinigt, ohne ein Schuldeingeständnis $16 Mio. auszuzahlen, um die Klage aus der Welt zu schaffen. ACT war vorgeworfen worden, unrechtmäßig Auskünfte über Behinderungen von Testnehmern an Hochschulen und Stipendienorganisationen weitergegeben zu haben. Mit dem Vergleich sei ein bereits länger schwelender Streit zwischen Interessenvertretungen Behinderter und Unternehmen wie ACT beigelegt, der dadurch entstanden gewesen sei, dass Behinderten gegen den Widerstand der „Testing Industry“ per Gesetz gewisse Erleichterungen eingeräumt wurden und sie gemeinsam mit den Testergebnissen den Hochschulen mitgeteilt wurden. Die habe dann nach Ansicht der Kläger zu einer Benachteiligung Behinderter bei Zulassungsentscheidungen geführt, weil – so die Argumentation – „colleges would be less likely to admit someone with disabilities“.
 
Sie finden die Meldung hier.

Der Chronicle of Higher Education meldet die Einigung zwischen der University of Utah und den Eltern einer Studierenden, die 2018 auf dem Campus der Hochschule ermordet worden war. Die Hochschule räume mit der Einigung das Versäumnis ein, angemessen auf eine der Hochschule bekannte Bedrohungssituation des späteren Mordopfers reagiert zu haben, und verpflichte sich zur Zahlung von insgesamt $13,5 Mio. in eine nach dem Opfer benannten Stiftung zum besseren Schutz von Studierenden vor Gewalttaten.
 
Sie finden diese Meldung hier.