08.02.2021
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Covid-19 und Hochschulen

  • Wachsende Bedeutung von Community Colleges in der US-Bildungslandschaft

  • Gibt es ein ethisches Dilemma bei Internationalisierung von Hochschulen?

  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,

wir befassen uns in dieser Ausgabe weiterhin mit dem Thema Covid-19 und Hochschulen und mit der wachsenden Bedeutung von Community Colleges in den USA bei der Vermittlung von Bachelor-Abschlüssen. Wir werfen zudem einen Blick auf die Frage, ob Internationalisierung von Hochschulen und internationale Mobilität von Studierenden in ein Dilemma führen, und schließlich wie immer auf Kurznachrichten der Woche.
 
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Gesundheit, Geduld und Zuversicht.

Stefan Altevogt
Covid-19 und Hochschulen
Der Covid-Ticker des Chronicle of Higher Education meldet unter anderem die Veröffentlichung einer im Social Science Research Network veröffentlichten Untersuchung, deren Ergebnis, dass die jeweiligen Reaktionsweisen von öffentlich finanzierten Hochschulen auf Herausforderungen der Pandemie eher von politischen als infektiologischen Motiven getrieben seien, nur wenig überraschen sollte. Es heißt: „States’ sociopolitical features were the most significant influence on public four-year universities’ decisions to reopen last fall.” Anders sei es bei privaten Hochschulen: „Private four-year institutions, in contrast, were influenced by both local political features and the severity of the pandemic.”
 
Sie finden das Paper hier.
 
Der Ticker meldet weiterhin negative Schlagzeilen aus dem Präsidium der christlich-fundamentalistischen Liberty University. Diesmal war es allerdings nicht eine außereheliche Affäre, wie sie zuletzt Jerry Falwell zum Rücktritt als Präsidenten gezwungen hatte, sondern eine Schneeballschlacht, zu der „acting president“ Jerry Prevo eingeladen hatte, ohne auf Sicherheitsabstand und Maskenschutz zu bestehen. In einer auf Twitter veröffentlichten Entschuldigung heiße es: „I messed up. We did not think through or communicate the need to wear facial coverings and remain 6 feet apart.”
Eine andere Entschuldigung komme laut Ticker aus dem Präsidium der University of Rochester, das Impfeinladungen an zwei Dutzend Spender der Hochschule verschickt habe. Zwar seien die Angeschriebenen ohnehin impfberechtigt, doch erwecke die Einladung einen falschen Eindruck. Es heißt: „The notion of privileging some people over others to receive a potentially lifesaving vaccine runs counter to our values. It undermines the hard work we are doing to support the health of everyone in our community during this pandemic.”
 
Sie finden den Ticker hier.
 
Ein weniger punktuelles Thema ist die Auswirkung der Corona-Krise auf die Beschäftigungsverhältnisse an US-amerikanischen Hochschulen. Ein Beitrag im Chronicle of Higher Education nennt die Zahl von 650.000 Stellen, die seit Februar 2020 an Hochschulen gestrichen wurden. Damit seien 13% der 4,744 Mio. Arbeitsplätze (Stand Februar 2020) weggefallen. Ein Schaubild zeigt im Vergleich zu den beiden Krisenzeiten der jüngeren Vergangenheit (Rezession 2001 und Finanz- und Wirtschaftskrise 2008), wie verheerend sich die derzeitige Krise auf die Hochschulen ausgewirkt habe. Zum Vergleich: Der Arbeitsplatzverlust für die USA insgesamt habe seit Februar 2020 bei 9,9 Mio. Stellen gelegen, was bei einer Gesamtgröße des Arbeitsmarkts von seinerzeit 152 Mio. einen Verlust von knapp 7% bedeutet.
 
Sie finden den Beitrag hier.
 
Ein Beitrag in der Washington Post befasst sich mit der Frage, welche Art von Stellen an den Hochschulen in der Krise verloren gegangen seien. Es heißt: „Part-time workers bore brunt of spring job losses in higher ed, but full-time workers lost hours in fall.” Zwar hätten die bereits geflossenen Bundesmittel zur Bewältigung der Krise geholfen, doch seien sie bei Weitem nicht ausreichend gewesen. Der American Council on Education und Hochschulverbände schätzten den akuten Bedarf der Hochschulen auf $120 Mrd., ohne die die Covid-Krise die Hochschulen noch deutlich länger im Griff behalten werde als die Gesellschaft insgesamt. Es heißt weiter: „And those who will suffer the most will be the most vulnerable students, workers and communities.
 
Sie finden diesen Beitrag hier.  

Inside Higher Education bringt einen auf Times Higher Education veröffentlichten Beitrag zu australischen Hochschulen, die aufgrund einer Covid-bedingten Schließung der Landesgrenzen keine internationalen Studierenden betreuen könnten und darum in finanzielle Schieflage zu geraten drohten. Das Land sei auf bestem Wege gewesen, das Vereinigte Königreich als zweitbeliebtestes Zielland für internationale Studierende (nach den USA) abzulösen, doch stünde dieses Ziel nicht mehr so hoch auf der Agenda. Eine Expertin wird dazu mit den Worten zitiert: „My political nose tells me that [Australia’s] government is not greatly worried about the declining position of university science and still less about the overall position of universities in Australia. It knows that the decline of international education means that the economy will take a hit, but with this government, politics comes before economics.”
 
Sie finden diesen Beitrag hier.  

Ein weiterer Beitrag des Chronicle of Higher Education wirft einen Blick auf die Central Methodist University, an der das Aufeinandertreffen von guten Vorsätzen und schlechter Vorbereitung zu einer Infektionsrate von 25% geführt habe. Dies sei gemessen an den von der New York Times gepflegten Zahlen zu Infektionen an Hochschulen zwar ein Ausreißer, aber kein so außergewöhnlicher, denn vor allem an kleinen Liberal Arts Colleges in ländlichen Regionen seien Infektionsraten von 20% nicht unerhört. Was man im Hinblick auf die Zahl an Central Methodist im Kopf haben sollte sei allerdings, dass bei weitem nicht alle Hochschulen so intensiv testen würden, wie Central Methodist es tue, und Covid-19 ein „silent spreader“ sei. Es heißt: „Without surveillance testing, a school’s numbers are almost certainly underestimates of the true extent of infections among their students.”
 
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Wachsende Bedeutung von Community Colleges in der US-Bildungslandschaft
Die vergangene Almanach-Ausgabe des Chronicle of Higher Education warf bereits im vergangenen Herbst einen Blick auf die Frage, welche Rolle mittlerweile die regelmäßig zweijährigen, stark auf Berufsausbildung ausgerichteten und deutlich kostengünstigeren Community Colleges der USA bei den Abschlüssen an vierjährigen Hochschulen erlangt haben. Seinerzeit hielt man es für Berichtens wert, dass unter den Hochschulen mit den meisten Transfer-Studierenden (Studienbeginn an einem Community College und Weiterführung eines Bachelor-Studiums an einer vierjährigen Einrichtung) noch keine Hochschule gewesen sei, bei der der Anteil von Transfer-Studierenden die Marke von 50% durchbrochen habe. Es hieß und es beschreibt eine bereits länger andauernde Tendenz: „Private institutions at the baccalaureate and master’s level got the closest to 50-percent transfer students.“
 
Sie finden den Beitrag hier.
 
Das National Center for Science and Engineering Statistics (NCSES) bei der National Science Foundation (NSF) hat jüngste Zahlen zum wachsenden Anteil von Bachelor-Absolventen unter den insgesamt in den USA in Arbeitsverhältnissen beschäftigten Menschen veröffentlicht, die ihren jeweiligen Weg über ein Community College genommen hatten. Es heißt: „Of the 14.8 million graduates who earned their first bachelor’s degree between 2008 and 2017, more than half (52%) had previously attended a community college and 25% had earned an associate’s degree. In contrast, among the 29.8 million college graduates who earned their first bachelor’s degree before 2008, only 48% had attended a community college and only 19% had earned an associate’s degree.”
 
Sie finden die Zahlen hier.
Gibt es ein ethisches Dilemma bei Internationalisierung von Hochschulen?
In einem Beitrag für University World News fordert Wei Liu, Mitarbeiter der internationalen Abteilung der University of Alberta und dort verantwortlich für ein „Global Academic Leadership Development Program“, dass sich Internationalisierungsstrategien von Hochschulen nicht weiterhin nur an Wachstumszielen ausrichten, sondern auch ethische Aspekte berücksichtigen sollten. Er stellt fest: „The 2020 COVID-19 pandemic has interrupted the international flow of higher education students. But it has provided a good opportunity for me to pause and reflect on my work as an international educator.”
Liu sieht in den bislang praktizierten Internationalisierungsstrategien ein inhärentes Dilemma, denn sie würden im Ergebnis die Ungleichheit in der Welt noch vertiefen. Er schreibt: „As an export industry for major English-speaking countries, international education has become part and parcel of economic globalisation. Economic globalisation tends to concentrate more wealth, knowledge and power in places that already have them.”
Stattdessen solle sich Internationalisierung von Hochschulen in den hochentwickelten Ländern an den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen orientieren und dafür sorgen, dass die verteilungspolitischen Nachteile von Globalisierung nicht noch durch Internationalisierung der Hochschulen verstärkt würden. Wenngleich Hochschulen nicht auf die Einnahmen durch internationale Studierende verzichten könnten und wollten, so könne und sollte man aber dafür sorgen, dass diese Einnahmen besser zur Beseitigung von Entwicklungsunterschieden eingesetzt würden.
Schließlich müsse sich auch etwas in den Lehrplänen ändern: „Global education programming should be strengthened to raise awareness of global injustice for both domestic and international students. More students from the West should be funded to study in poor countries to strengthen their commitment to building a more equitable and just world.”
 
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Kurznachrichten
Zur besseren Rekrutierung von internationalen Studierenden will die kanadische Queen’s University künftig in ihren Doktorandenprogrammen auf höhere Studiengebühren, als von Landeskindern gefordert, verzichten. Es heißt in einer Presseerklärung der Hochschule: „International PhD students are an integral part of the life of Queen’s, bringing diverse perspectives to campus and contributing to the university’s research mission. Soon these students will have improved financial support from the university. Starting September 2021, tuition fees for international PhD students will be assessed at the same rate as those of domestic students, which will result in a substantially lower cost to pursue their education.”
 
Sie finden die Presseerklärung hier.  

Die New York Times befasst sich mit Personalrückgang und Frustration in US-amerikanischen Bundesministerien während der Trump-Administration und führt für das Bildungsministerium (diesbezüglich auf Rang drei nach Arbeits- und Außenministerium) einen Personalrückgang von fast 8% auf. Es heißt: „By 2020, there were 300 fewer federal employees at the Department of Education than when Mr. Trump arrived.”          
 
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Die University of Victoria (UVic) in der kanadischen Provinz British Columbia hat einer Presseerklärung zufolge jetzt erreicht, dass keine Anteile ihres Stiftungsvermögens mehr in fossile Brennstoffe investiert seien, ohne dass die finanziellen Investitionsziele hätten heruntergeschraubt werden müssen. Der Treasurer der Hochschule wird dazu mit den Worten zitiert: „We are acting on our commitment to address climate change in every domain at UVic including through our investments. The opportunity to invest in renewable power is clear and it aligns with UVic’s responsible investment strategy allowing for support of future technologies while also ensuring a strong financial return.”
 
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Die New York Times meldet die Entscheidung des US-Justizministeriums, ihre Klage gegen Yale University wegen Verstößen gegen das Gebot der Gleichbehandlung in Zulassungsverfahren zurückzuziehen. Während der Trump-Administration habe man die Bemühungen der Hochschule, den Anteil noch unterrepräsentierter Schichten in den Anfängerklassen zu erhöhen (affirmative action), als Diskriminierung gegen Weiße und Asiaten gewertet. Damit sei der Fall für Yale allerdings noch nicht ausgestanden. Es heißt: „Students for Fair Admissions, a group opposed to affirmative action, plans to pick it up and refile it under its name.”
 
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In einer Pressekonferenz habe laut New York Times der neue Mehrheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, den Druck auf die Biden-Administration erhöht, bei der Frage nach einer möglichen Stundung von Studienschulden größer zu denken als die bislang diskutierten $10.000. Es heißt: „[He] is amping up the pressure on President Biden to take fast action on a plan to cancel $50,000 in student loan debts for each borrower, a top progressive priority.”
 
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