Am Samstag nach der Wahl erklärten die großen Fernsehstationen und Nachrichtensender der USA die bis dahin bekannten Auszählungsergebnisse in Pennsylvania für eindeutig genug, die 20 Electoral Votes des Bundesstaats Joe Biden zuzurechnen, womit dann die Präsidentschaftswahl entschieden war. Trotz allen hinhaltenden Widerstands des derzeitigen Amtsinhabers wird Biden wohl am 20. Januar 2021 als 46. Präsident der USA vereidigt werden.
In einer ersten Einschätzung schreibt der Chronicle of Higher Education, dass eine Regierung Biden/Harris den Zugang zu Hochschulen als einen verlässlichen Pfad in den Mittelstand vor allem für bislang an den Hochschulen noch unterrepräsentierte Schichten erleichtern wolle, und verweist dabei auf den „Plan for Education Beyond High School“ als entsprechenden Punkt der Wahlkampfplattform. Insgesamt werde die künftige Regierung – nicht nur dank der Tatsache, dass die künftige First Lady, Jill Biden, als Professorin an einem Community College einen unmittelbaren Zugang zur Hochschullandschaft habe – dem tertiären Bildungssystem des Landes deutlich freundlicher gesonnen sein als die Trump-Regierung.
Der Beitrag verweist allerdings auch auf zwei Probleme. Zum einen müsse dringend den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Hochschulen gegengesteuert werden und zum anderen sei eine republikanische Senatsmehrheit wahrscheinlich und entsprechend die parlamentarisch kontrollierten Handlungsspielräume wenigstens bis zu den Midterm-Elections in zwei Jahren beschränkt.
Der Beitrag markiert dann die verschiedenen Handlungsfelder, auf denen sich eine Regierung Biden/Harris deutlich von ihren unmittelbaren Vorgängern unterscheide, geht dabei auf den international nicht so relevanten Streit um „Title IX“ ein, also wie Hochschulen mit sexuellen Übergriffen umzugehen haben, und widmet sich dann dem akut viel relevanteren Problem eines notwendigen Ausgleichs von Covid-bedingten Finanzproblemen an sehr vielen Hochschulen. Würde die ausgehende Regierung noch eine „kleine“, also den Vorstellungen des republikanisch dominierten Senats entsprechende, Lösung unterzeichnen, müsste die neue Regierung wahrscheinlich die Hilfen in den ersten Monaten 2021 noch einmal aufstocken. Angesichts einer erwarteten Senatsmehrheit für die Republikaner auch im neuen Kongress und der Politisierung von Hochschulen insgesamt sei dies keine einfache Aufgabe. Es heißt: „If Democrats fail to capture 50 seats in the Senate, Biden’s ability to deliver additional federal aid to colleges could depend heavily on his ability to negotiate with Senate Republicans – and on their willingness to compromise.”
Der Beitrag erinnert daran, dass Trump viel Bildungspolitik per Exekutiv-Anordnung gemacht habe, und sieht in einer solchen Vorgehensweise auch einen Weg für die neue Administration, um etwa in der Frage von Studienschulden aktiv zu werden bzw. das Studium für derzeitige und künftige Studierende über eine Erhöhung von Beihilfen erschwinglicher zu machen.
Im Hinblick auf das Ende einer als gegenüber internationalem Talent nur noch wenig einladend wahrgenommenen Stimmung im Land heißt es schließlich: „International education is an area where the Biden administration will most likely establish policies that are the complete opposite of Trump-era rules. (...) Biden has also promised to be more welcoming to foreign students – in particular those studying for STEM careers. (...) That shift in tone, and policy, could influence international students who are considering whether to study at American colleges. Cash-strapped colleges would welcome that trend with open arms.”
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Ein Beitrag warnt auf Inside Higher Education allerdings vor zu hohen Erwartungen an die neue Regierung im Hinblick auf den internationalen Attraktivitätsrückgang des Studienstandorts USA (freilich auf einem extrem hohen Niveau, denn noch immer zieht das Land mehr als 1 Mio. Studierende an). Der in den vergangenen vier Jahren durch die Trump-Administration verursachte Schaden am internationalen Image der USA als einem weltoffenen und leistungsbegrüßenden und –honorierenden Land sei zwar im Hinblick auf die zugrundeliegenden politischen Maßnahmen schnell reversibel, doch würde es deutlich länger dauern, das beschädigte Vertrauen wiederherzustellen. Doug Rand, ein Mobilitätsexperte aus der Obama-Administration, wird dazu mit den Worten zitiert: „In general, the good news is all these bad policies [der Trump-Administration] can be reversed and will be reversed. The bad news is if I’m an international student choosing where to go to college or grad school, for the first time in modern history I’m looking at the United States as a place that might be unwelcoming again in four years. I’m afraid the country has committed this insane self-inflicted wound. We were No. 1 in the world for international students, and now we’ve just ceded that massive advantage that took us generations to build.”
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Bei der New York Times ist man davon überzeugt, dass in einem Kabinett Biden/Harris das Bildungsministerium sehr rasch den Kurs der noch amtierenden Ministerin Betsy DeVos korrigieren, das öffentlich finanzierte Bildungssystem wieder besser ausstatten und mit Gewerkschaften im öffentlichen Dienst besser zusammenarbeiten werde. Im Hinblick auf das derzeit alles andere in den Schatten stellende Problem des Umgangs mit Covid-19 würde es ebenfalls zu einer Kehrtwende kommen, wobei das Hauptaugenmerk dann nicht mehr auf einer möglichst breiten Öffnung von Schulen und Hochschulen läge, sondern darauf, Infektionsrisiken zu minimieren und die negativen akademischen Neben-Effekte dieser Maßnahmen durch gezielte Förderungen aufzufangen.
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Ein Beitrag macht im Chronicle of Higher Education schließlich darauf aufmerksam, dass die Ära Trump von Attacken der Regierung auf eine Hochschullandschaft geprägt war, die traditionell immer um weitgehende politische Neutralität bemüht und darum nicht in der Lage gewesen sei, den Angriffen angemessenen Widerstand entgegenzusetzen. Als eine Lektion der vergangenen vier Jahre müssten die Hochschulen lernen, sich besser zu wehren, denn unabhängig vom Ausgang der Wahl sei die politische Grundstimmung im Land weitgehend unverändert und gegen Hochschulen eingestellt. Es heißt: „It is hard to imagine, though, that the nation hasn’t changed in some fundamental ways, with far-reaching implications for higher education (...). The calculation, unchanged, is whether college leaders serve their institutions best by acting as cooling saucers or Bunsen burners. Do they preach calm or call the moment what many think it is: an emergency? John Silvanus Wilson Jr., the former Morehouse president, says the latter is the only course. ‘Silence is unacceptable’, he says, ‘because too much is at stake’.”
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