16.11.2020
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Nach den Präsidentschaftswahlen in den USA
  • Students for Fair Admissions vs. Harvard University: Supreme Court ist nun gefragt
  • Covid-19 und Hochschulen
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe befassen wir uns mit dem Wahlausgang in den USA und mit dem jüngsten Urteil eines Bundesgerichts im Verfahren „Students for Fair Admissions vs. Harvard University“. Wir werfen zudem wieder einen Blick auf das Thema Covid-19 und Hochschulen und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten der Woche.

Ich wünsche Ihnen wie immer eine interessante Lektüre, und in diesen Wochen zudem Gesundheit, Geduld und Zuversicht.

Stefan Altevogt
Nach den Präsidentschaftswahlen in den USA
Am Samstag nach der Wahl erklärten die großen Fernsehstationen und Nachrichtensender der USA die bis dahin bekannten Auszählungsergebnisse in Pennsylvania für eindeutig genug, die 20 Electoral Votes des Bundesstaats Joe Biden zuzurechnen, womit dann die Präsidentschaftswahl entschieden war. Trotz allen hinhaltenden Widerstands des derzeitigen Amtsinhabers wird Biden wohl am 20. Januar 2021 als 46. Präsident der USA vereidigt werden.

In einer ersten Einschätzung schreibt der Chronicle of Higher Education, dass eine Regierung Biden/Harris den Zugang zu Hochschulen als einen verlässlichen Pfad in den Mittelstand vor allem für bislang an den Hochschulen noch unterrepräsentierte Schichten erleichtern wolle, und verweist dabei auf den „Plan for Education Beyond High School“ als entsprechenden Punkt der Wahlkampfplattform. Insgesamt werde die künftige Regierung – nicht nur dank der Tatsache, dass die künftige First Lady, Jill Biden, als Professorin an einem Community College einen unmittelbaren Zugang zur Hochschullandschaft habe – dem tertiären Bildungssystem des Landes deutlich freundlicher gesonnen sein als die Trump-Regierung.
Der Beitrag verweist allerdings auch auf zwei Probleme. Zum einen müsse dringend den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Hochschulen gegengesteuert werden und zum anderen sei eine republikanische Senatsmehrheit wahrscheinlich und entsprechend die parlamentarisch kontrollierten Handlungsspielräume wenigstens bis zu den Midterm-Elections in zwei Jahren beschränkt.
Der Beitrag markiert dann die verschiedenen Handlungsfelder, auf denen sich eine Regierung Biden/Harris deutlich von ihren unmittelbaren Vorgängern unterscheide, geht dabei auf den international nicht so relevanten Streit um „Title IX“ ein, also wie Hochschulen mit sexuellen Übergriffen umzugehen haben, und widmet sich dann dem akut viel relevanteren Problem eines notwendigen Ausgleichs von Covid-bedingten Finanzproblemen an sehr vielen Hochschulen. Würde die ausgehende Regierung noch eine „kleine“, also den Vorstellungen des republikanisch dominierten Senats entsprechende, Lösung unterzeichnen, müsste die neue Regierung wahrscheinlich die Hilfen in den ersten Monaten 2021 noch einmal aufstocken. Angesichts einer erwarteten Senatsmehrheit für die Republikaner auch im neuen Kongress und der Politisierung von Hochschulen insgesamt sei dies keine einfache Aufgabe. Es heißt: „If Democrats fail to capture 50 seats in the Senate, Biden’s ability to deliver additional federal aid to colleges could depend heavily on his ability to negotiate with Senate Republicans – and on their willingness to compromise.”
Der Beitrag erinnert daran, dass Trump viel Bildungspolitik per Exekutiv-Anordnung gemacht habe, und sieht in einer solchen Vorgehensweise auch einen Weg für die neue Administration, um etwa in der Frage von Studienschulden aktiv zu werden bzw. das Studium für derzeitige und künftige Studierende über eine Erhöhung von Beihilfen erschwinglicher zu machen.
Im Hinblick auf das Ende einer als gegenüber internationalem Talent nur noch wenig einladend wahrgenommenen Stimmung im Land heißt es schließlich: „International education is an area where the Biden administration will most likely establish policies that are the complete opposite of Trump-era rules. (...) Biden has also promised to be more welcoming to foreign students – in particular those studying for STEM careers. (...) That shift in tone, and policy, could influence international students who are considering whether to study at American colleges. Cash-strapped colleges would welcome that trend with open arms.”

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Ein Beitrag warnt auf Inside Higher Education allerdings vor zu hohen Erwartungen an die neue Regierung im Hinblick auf den internationalen Attraktivitätsrückgang des Studienstandorts USA (freilich auf einem extrem hohen Niveau, denn noch immer zieht das Land mehr als 1 Mio. Studierende an). Der in den vergangenen vier Jahren durch die Trump-Administration verursachte Schaden am internationalen Image der USA als einem weltoffenen und leistungsbegrüßenden und –honorierenden Land sei zwar im Hinblick auf die zugrundeliegenden politischen Maßnahmen schnell reversibel, doch würde es deutlich länger dauern, das beschädigte Vertrauen wiederherzustellen. Doug Rand, ein Mobilitätsexperte aus der Obama-Administration, wird dazu mit den Worten zitiert: „In general, the good news is all these bad policies [der Trump-Administration] can be reversed and will be reversed. The bad news is if I’m an international student choosing where to go to college or grad school, for the first time in modern history I’m looking at the United States as a place that might be unwelcoming again in four years. I’m afraid the country has committed this insane self-inflicted wound. We were No. 1 in the world for international students, and now we’ve just ceded that massive advantage that took us generations to build.”

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Bei der New York Times ist man davon überzeugt, dass in einem Kabinett Biden/Harris das Bildungsministerium sehr rasch den Kurs der noch amtierenden Ministerin Betsy DeVos korrigieren, das öffentlich finanzierte Bildungssystem wieder besser ausstatten und mit Gewerkschaften im öffentlichen Dienst besser zusammenarbeiten werde. Im Hinblick auf das derzeit alles andere in den Schatten stellende Problem des Umgangs mit Covid-19 würde es ebenfalls zu einer Kehrtwende kommen, wobei das Hauptaugenmerk dann nicht mehr auf einer möglichst breiten Öffnung von Schulen und Hochschulen läge, sondern darauf, Infektionsrisiken zu minimieren und die negativen akademischen Neben-Effekte dieser Maßnahmen durch gezielte Förderungen aufzufangen.

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Ein Beitrag macht im Chronicle of Higher Education schließlich darauf aufmerksam, dass die Ära Trump von Attacken der Regierung auf eine Hochschullandschaft geprägt war, die traditionell immer um weitgehende politische Neutralität bemüht und darum nicht in der Lage gewesen sei, den Angriffen angemessenen Widerstand entgegenzusetzen. Als eine Lektion der vergangenen vier Jahre müssten die Hochschulen lernen, sich besser zu wehren, denn unabhängig vom Ausgang der Wahl sei die politische Grundstimmung im Land weitgehend unverändert und gegen Hochschulen eingestellt. Es heißt: „It is hard to imagine, though, that the nation hasn’t changed in some fundamental ways, with far-reaching implications for higher education (...). The calculation, unchanged, is whether college leaders serve their institutions best by acting as cooling saucers or Bunsen burners. Do they preach calm or call the moment what many think it is: an emergency? John Silvanus Wilson Jr., the former Morehouse president, says the latter is the only course. ‘Silence is unacceptable’, he says, ‘because too much is at stake’.”

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Students for Fair Admissions vs. Harvard University: Supreme Court ist nun gefragt
Eine der voraussichtlich langlebigeren Folgen von vier Jahren Trump-Administration und zuletzt sechsjähriger Mehrheit der Republikaner im US-Senat ist die Besetzung von Bundesgerichten mit eher konservativen Richterinnen und Richtern.
Vor dem – dank dreier von Trump durchgeführten Neubesetzungen – nun deutlich konservativer eingeschätzten US Supreme Court wird einem Beitrag der New York Times zufolge aller Voraussicht nach auch das Verfahren „Students for Fair Admissions (SFFA) vs. Harvard University landen, denn jetzt liege die Entscheidung der Instanz unmittelbar darunter vor. In dieser Entscheidung habe die Universität zwar in ihrer Auffassung Recht bekommen, sie würde durch ihre jeweiligen Entscheidungen bei der Zusammensetzung ihrer Freshmen-Classes nicht unrechtmäßig diskriminieren, doch vermute man im Supreme Court derzeit ein anderes Klima bei der Einschätzung von Maßnahmen im Rahmen von Affirmative Action. Würde der Supreme Court den Fall mit den dafür erforderlichen vier von neun Stimmen annehmen, dann hätte SFFA als Kläger ein wesentliches Ziel erreicht, dass nämlich Affirmative Action noch einmal nach 2016 vom Supreme Court entschieden werden würde. Seinerzeit hätten Maßnahmen von Affirmative Action im Fall Fischer vs. University of Texas noch den Segen des obersten Gerichts bekommen, aber eben nur knapp mit 4:3 (eine Richterin hatte sich aus der Entscheidung wegen Befangenheit zurückgezogen und eine Vakanz war seinerzeit noch nicht wiederbesetzt). Die drei vom Urteil abweichenden Stimmen seien noch im Supreme Court vertreten und das Gericht tendiere dazu, zu ihm vorliegenden Fragen ändernden öffentlichen Meinungen zu folgen. Und hier gäbe es mittlerweile einen deutlichen Stimmungsumschwung gegen Affirmative Action. Hierzu heißt es: „In one indication of public sentiment, California voters declined this month to overturn a state ban on affirmative action; about 57 percent of voters supported keeping it. A Pew Research Center survey taken in early 2019 found that 73 percent of Americans said race or ethnicity should not be a factor in college admissions.”

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Das Verfahren findet wegen seiner grundlegenden Bedeutung auch außerhalb der Landesgrenzen Interesse und die Einschätzung vieler US-Medien wird häufig geteilt, wonach der US Supreme Court entscheiden und zwar gegen die Rechtmäßigkeit von Affirmative Action entscheiden werde. Im englischen Guardian heißt es: „Opponents of the decision by the first US circuit court of appeals in Boston promised to appeal to the US supreme court, where legal experts believe the 6-3 conservative majority could use the case to end more than 40 years of allowing race as a factor in higher education admissions.”

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Covid-19 und Hochschulen
Der Corona-Ticker des Chronicle of Higher Education meldet, dass mehr und mehr Hochschulen in den USA planten, nach Thanksgiving wieder auf virtuellen Unterricht umzustellen und die Studierenden nicht mehr auf „on campus“ zu betreuen. Es heißt: „The University of Missouri at Columbia and the University of Wisconsin’s Eau Claire, River Falls, and Stout campuses are among the latest institutions to announce that most or all classes will be conducted remotely after Thanksgiving.”
Trotz der Covid-Krise meldeten die öffentlichen Hochschulen im Bundesstaat Georgia zuletzt ein Wachstum bei den Einschreibungszahlen um 2,4%, bei Einschreibungen ins Erstsemester gar um 6,5%. Diese erfreuliche Entwicklung stünde im deutlichen Kontrast zu den im landesweiten Durchschnitt zuletzt um 10% zurückgegangenen Einschreibungen von Studienanfängern.
Eigentlich keine Nachricht, weil erwartbar: Im Ticker heißt es zu Parties von Studierenden, die sich zu „Spreader-Events“ entwickelten: „The Universities of Pittsburgh and of Tennessee at Knoxville are citing Halloween parties as the cause of recent coronavirus-case surges on their campuses. At Pittsburgh, officials issued a three-day shelter-in-place order following a sharp increase that they ’suspect’ was related to Halloween parties.”

Sie finden den Ticker hier.

Die acht Hochschulen der Ivy-League melden die vorläufige Einstellung aller sportlichen Liga-Wettbewerbe bis mindestens Februar 2021 und zitieren in einer gemeinsamen Presseerklärung die Hochschulpräsidenten mit den Worten: „We look forward to the day when intercollegiate athletics –  which are such an important part of the fabric of our campus communities – will safely return in a manner and format we all know and appreciate.“

Sie finden die Presseerklärung hier.

In einem Beitrag plädiert Joshua Kim auf Inside Higher Education dafür, Lehrveranstaltung künftig nur noch so zu konzipieren, dass sie auch online erfolgreich abgehalten werden können. Er schreibt, dass jetzt für eine „post-COVID university” geplant werden müsse, denn nur so könne eine Regression zu „pre-pandemic norms“ und eine entsprechende Anfälligkeit in künftigen, Covid-vergleichbaren Situationen verhindert werden. Es heißt: „We learned from COVID that smart institutions make significant investments in preparing for low-probability/high-impact events. The next black swan that causes all courses to toggle from residential to remote may not be a pandemic, but it might be a wildfire, a hurricane or an earthquake. The ability to seamlessly move between residential and online delivery modes is the best guarantee for resiliency in an uncertain world.”

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Ein Beitrag in der New York Times befasst sich mit dem Problem fehlender bzw. unzureichender Internetanbindung in vielen ländlichen Bereichen der USA und den daraus resultierenden Nachteilen für betroffene Studierende bei virtuellen Unterrichtsformaten. Es heißt: „Millions of American students lack reliable internet access. Some are learning in parking lots connected to Wi-Fi buses or crashing with relatives to get online.”

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Die Canada Fountation for Innovation (CFI) meldet Investitionen der kanadischen Regierung in Höhe von Can$28 Mio. für Infrastrukturmaßnahmen für die kanadische Covid-Forschung und schreibt: „The funding, which covers the urgent need for equipment for ongoing research related to COVID-19, will support 79 projects at 52 universities and research hospitals, colleges, polytechnics and Cégeps [Collège d’enseignement général et professionnel, General and Vocational College] across Canada.”

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Kurznachrichten
Die Regierung der kanadischen Provinz Alberta meldet die Zusammenarbeit mit der Innovationsagentur Mitacs zur Schaffung von 3.800 Praktikumsplätzen und zitiert den Hochschulminister mit den Worten: „Hands-on learning is critical to helping students get the skills and training they need, and to prepare them for success in their careers. This partnership supports Alberta’s Recovery Plan, and helps ensure our province has the talent and ability to get Albertans back to work, meet labour market demands, and give students important experience needed for their future.”

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Ein Beitrag befasst sich in der New York Times mit der nach wie vor großen internationalen Anziehungskraft der USA auf Talent weltweit, der auch die restriktive Immigrationspolitik der vergangenen vier Jahre keinen großen Schaden habe zufügen können. Schaue man zum Beispiel auf Grand Island, ein Städtchen im ländlichen Nebraska mit knapp 45.000 Einwohnern, dann ergäbe sich das folgende Bild der „latest great wave of immigration to the United States“: „More than 60 percent of public school students are nonwhite, and their families collectively speak 55 languages.“

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Inside Higher Education befasst sich mit Ergebnissen einer jüngsten Umfrage unter Studierenden, ob sie sich mittlerweile an die virtuellen Unterrichtsformen gewöhnt hätten und etwas glücklicher damit seien als noch im Frühjahr. Es heißt: „Undergraduates who are studying online this fall rate their learning experience as modestly better than what they encountered last spring – with greater levels of satisfaction among students who see their instructors taking steps to understand and engage them.”

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