Ausgabe ___ | March 29 2017
22. Mai 2018
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Themen dieser Woche:

  • Studienschulden in den USA
  • Pro und Contra Hochschulbesuch 
  • Ratgeber für künftige Studierende und ihre Eltern
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe befassen wir uns mit Studienschulden in den USA und mit der daher gerne diskutierten Frage nach dem ökonomischen Nutzen eines Hochschulbesuchs. Wir werfen zudem einen Blick auf eine Zusammenstellung beratender Texte für künftige Studierende und ihre Eltern und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten der Woche.  

Ich wünsche Ihnen wie immer eine interessante Lektüre.

Stefan Altevogt
Studienschulden in den USA
Die von der New York Times jüngst in einem Beitrag zitierte Zahl von $28.400 als durchschnittliche Verschuldung nach einem Bachelor’s Degree in den USA (wir berichteten) fand nun auch Erwähnung in der Rubrik „Chancen” der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit”.

Ein Beitrag auf Inside Higher Education befasste sich in der vergangenen Woche mit den neuen Zahlen der alle vier Jahre neu herausgegebenen National Postsecondary Student Aid Study (NPSAS; die jüngste Ausgabe spiegelt die Situation 2015/16 wider), einer Studie einer repräsentativen Auswahl von 89.000 Undergraduates und 24.000 Graduate Students an 1.800 Hochschulen landesweit zur Frage, wie jeweils das Studium finanziert wurde. Weil die Zahlen zudem noch eine ganze Reihe demografischer Informationen enthielten, ließe sich laut Beitrag an ihnen zum einen die durchschnittliche Verschuldung von Undergrads genauer auffächern. Zum anderen nähmen sie auch die Finanzierung weiterführender Studien in den Blick.

Als Folge der Verbesserung des Arbeitsmarkts sei der Anteil der „nontraditional students” an der Kohorte der ein College besuchenden US-Amerikaner weiter gesunken. Es heißt zu dieser Entwicklung: „The proportion of older and financially independent college students has (...) shrunk since 2012, the previous survey year, possibly because of a stronger economy. Typically, when the economy is weaker, workers will return to college to get new credentials and improve their job prospects. But with a more robust job market, there is less demand for higher ed, particularly in the community college sector.”

Ein besonderes Augenmerk richtet der Beitrag auf die für bestimmte demografische Gruppen überdurchschnittlich starke Verschuldung von Studierenden, bei denen vor allem aus Bundesmitteln geförderten Darlehensprogrammen wie dem „Parent PLUS Loan Program” eine zweifelhafte Rolle zukomme. Es heißt: „Most recently, a report from New America this week argued that the federal Parent PLUS loan program has exacerbated the racial wealth gap by allowing low-income black families to take out debt they can’t repay to finance the cost of a child’s college education.”

Sie finden den Beitrag hier.

Sie finden den zitierten Bericht hier.

Der Beitrag zitiert zudem Robert Kelchen, Professor für Hochschulbildung an der Seton Hall University, der die Zahlen der fünf letzten NPSAS-Ausgaben in einem Schaubild und in folgenden Zeilen zusammenfasst: „The percentage with no debt fell from 51% in 2000 to 39% in 2008 before remaining steady throughout the rest of the period. Meanwhile, the percentage with at least $50,000 in debt (for both undergraduate and graduate school) went up from 9% in 2000 to 32% in 2016, with a steady upward trend across every cohort. The increases were even larger among those with more than $100,000 in debt, with that share going from 1.5% to 14.2% during this period.”

Sie finden die Webseite von Kelchen hier.

Sie finden die NPSAS-Zahlen hier.
Pro und Contra Hochschulbesuch
Angesichts des in den USA von privater Seite her betriebenen Aufwands bei der Finanzierung von Hochschulbildung ist es leicht nachzuvollziehen, dass der Besuch eines Colleges und dann möglicherweise noch die Bewältigung eines Graduate Studiums erst einmal unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet wird und nicht etwa unter Aspekten wie Eignung und/oder Neigung.

Ein Beitrag in der New York Times, deren Leserschaft sich in erster Linie aus Menschen mit Hochschulbildung zusammensetzt, erregte in dieser Woche Aufsehen, obgleich er nur hypothetisch eine Meinung diskutierte, nämlich „College May Not Be Worth It Anymore”. Ellen Ruppel Shell, die für die Zeitung die Rubriken Wissenschaft, Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit abdeckt, arbeitet in ihrem Beitrag die gesellschaftlichen Bereiche heraus, auf die die statistisch gut unterlegte Aussage „ein Studium lohnt sich ökonomisch” nicht zutrifft, nämlich auf die einkommensschwächsten Bereiche und – dies wird häufiger synonym verwendet – auf die afroamerikanische (zunehmend auch lateinamerikanische) Minderheit. Sie schreibt: „African-American college dropouts on average earn less than do white Americans with only a high school degree. Meanwhile, low-income students of all races are far more likely to drop out of college than are wealthier students. Even with scholarships or free tuition, these students struggle with hefty fees and living costs, and they pay the opportunity cost of taking courses rather than getting a job. The value of a college degree also varies depending on the institution bestowing it. The tiny minority of students who attend elite colleges do far better on average than those who attend nonselective ones. Disturbingly, black and Hispanic students are significantly less likely than are white and Asian students to attend elite colleges, even when family income is controlled for. That is, students from wealthy black and Hispanic families have a lower chance of attending an elite college than do students from middle-class white families.”

Es sei eine grausame Ironie, dass Hochschulbildung je weniger lohnend sei, je ärmer die Familien wären, aus denen die Studierenden kämen und je nötiger sie entsprechend eine gute Ausbildung hätten. Auf der anderen Seite „bestrafe” die US-amerikanische Gesellschaft ihre ärmsten Mitglieder wie sonst kaum eine andere Gesellschaft in hochentwickelten Ländern für fehldende Bildung. Lebten 30% der Amerikaner ohne Oberschulabschluss in Armut, verglichen mit 5% derjenigen mit einem ersten Hochschulabschluss, lägen in 28 anderen hochentwickelten Ländern die entsprechenden Unterschiede im Armutsrisiko bei weniger als 5%.

Das hohe Armutsrisiko fehlender Hochschulbildung sei in den USA zudem wirtschaftlich nicht so einfach nachzuvollziehen, denn: „According to the Bureau of Labor Statistics, fewer than 20 percent of American jobs actually require a bachelor’s degree. By 2026, the bureau estimates that this proportion will rise, but only to 25 percent.” Warum aber erachte ein deutlich höherer Anteil der Arbeitgeber den Bachelor’s Degree als eine Einstellungsvoraussetzung? Weil sie es könnten, und dies drehe das beliebte Argument von der ökonomischen Sinnhaftigkeit eines Hochschulbesuchs herum: „The college-degree premium may really be a no-college-degree penalty. It’s not necessarily college that gives people the leverage to build a better working life, it’s that not having a degree decreases whatever leverage they might otherwise have.” Die Autorin bittet darum, dies Argument ernst zu nehmen und nicht als rein semantisch abzutun. Sie selbst habe ihren Kindern dringend zu einem Studium geraten.
 
Sie finden den Beitrag hier.
 
Der Chronicle of Higher Education antwortet auf diese „latest iteration” der ökonomischen Sinnfrage von Hochschulbildung und kommt vertändlicherweise zu einem gegenteiligen Ergebnis. Der Beitrag von Fernanda Zamudio-Suaréz macht zum einen deutlich, dass der New York Times-Beitrag ein zugrundeliegendes Paper („Degrees of Poverty: The Relationship Between Family Income Background and the Returns to Education”) nicht immer richtig zitiere und lässt einen der Autoren selbst zu Wort kommen. Zwar seien die in Abhängigkeit von sozialer Herkunft feststellbaren Unterschiede hinsichtlich der Erträge von Hochschulbildung zum Teil dramatisch, doch dürfe dies nicht zu einem Argument gegen Bildungsbemühungen umgemünzt werden. Richtig sei allerdings, dass Hochschulbildung alleine nicht der Motor sozialer Mobilität sei, den man sich erhoffe: „Low-income people going to college are much better off than they would be otherwise. Our research is basically saying there’s a next step of how people connect to the labor market. College is still very beneficial for most people, regardless of their income backgrounds. It’s just not going to solve income inequality. We need to understand why that’s still happening, even when people get education.”
 
Sie finden diesen Beitrag hier.
 
Sie finden das Paper hier.

Ratgeber für künftige Studierende und ihre Eltern
Anlässlich der „Graduation Season” an US-amerikanischen Oberschulen hat Kathleen O’Brien in der New York Times eine Sammlung von Texten zusammengestellt, die sich mit verschiedenen Aspekten des möglicherweise (und im Hinblick auf die Entwicklung der Leserschaft der NYTimes hoffentlich) anstehenden Hochschulbesuchs befassen. Da geht es etwa um den Wert internationaler Erfahrungen (ein Beitrag des Op-Ed-Autoren Nicholas Kristof aus dem Jahr 2014), den wichtigen Freiraum an Hochschulen, auch mal „dumme” Fehler machen zu dürfen (ein Beitrag von Jim Reische aus dem vergangenen Dezember) und um die sexualerzieherische Funktion von Hochschulen in Zeiten von Tinder (ein Beitrag von Phoebe Lett aus dem vergangenen Februar).

Sie finden die Zusammenstellung hier.

Für die Themen der heutigen Ausgabe der DAAD Nordamerika Nachrichten sind zwei Beiträge der Zusammenstellung besonders relevant, nämlich „Did I Choose the Wrong College?” von Jennine Capó Crucet (April 2018) und „Why I Defaulted on My Student Loans” von Lee Siegel (Juni 2015).
Jennine Capó Crucet bedauert im Nachhinein etwas ihre Entscheidung für ein deutlich kostenintensiveres Studium an Cornell University gegenüber einem ebenfalls für sie im Angebot befindlichen, voll finanzierten Studium an der heimischen University of Florida. Die Entscheidung für Cornell sei trotz der erheblichen finanziellen Belastungen in der Familie vor allem im Hinblick darauf getroffen worden, ihr eine möglichst gute Ausbildung an einer möglichst guten Adresse zu ermöglichen. Sie schreibt: „I don’t know why the University of Florida didn’t feel like the right place for me, but that feeling was strong enough to make me sign on for some major financial commitments at a school far from home at the ripe old age of 18 and head to a school that may not have been right for me either.”

Dieses Gefühl, die University of Florida sei nicht der beste aller erreich- und finanzierbaren Bildungswege, sei auch ein Ergebnis eines „recruitment events” von Cornell gewesen, das die Hochschule im Privathaus eines erfolgreichen Alumnus in Florida abgehalten habe. Sie zitiert die Erinnerung ihrer Mutter an diese Veranstaltung mit den Worten: „We wanted that for you, for you to have all that, be all that.”

Sie finden den Beitrag hier.

Lee Siegel begründet in seinem Beitrag, warum er die Zahlung seiner Studienschulden eingestellt habe, in erster Linie mit dem „System” in den USA, einer Kombination aus unnötig teuren Studienplätzen auf der einen Seite und leicht erhältlichen Finanzierungen der dadurch unnötig hohen Studienkosten auf der anderen. Er schreibt: Our economic system ensures that so long as you are willing to sink deeper and deeper into debt, you will keep being enthusiastically invited to play the economic game.” Es sei also kein Problem, auch ökonomisch weniger sinnvolle und überteuerte Bildungsangebote auf das Risiko hin zu finanzieren, in eine möglicherweise bis ans Lebensende reichende Schuldenfalle zu geraten. Würden deutlich mehr Schuldner seinem Beispiel folgen, könne möglicherweise das ganze System kollabieren und auf diese Weise verändert werden: „The government would get out of the loan-making and the loan-enforcement business. Congress might even explore a special, universal education tax that would make higher education affordable. There would be a national shaming of colleges and universities for charging soaring tuition rates that are reaching lunatic levels. (...) If people groaning under the weight of student loans simply said, ‘Enough,’ then all the pieties about debt that have become absorbed into all the pieties about higher education might be brought into alignment with reality. Instead of guaranteeing loans, the government would have to guarantee a college education.”

Sie finden diesen Beitrag hier.

Die knapp 700 Leserbriefe zum Artikel schwanken zwischen anekdotischen Berichten anderer, zum Teil drastischer Schuldnererfahrungen und Vorwürfen, Siegel würde seine eigenen charakterlichen Schwächen als politisches Programm verkaufen wollen.
Kurznachrichten
Ein Beitrag im Chronicle of Higher Education geht der Frage nach, ob die in den USA üblichen Evaluierungen der an Hochschulen Lehrenden durch ihre Schüler sinnvolle Aussagen über die Qualität der Lehre zuließen und entsprechend von den Hochschulen gewürdigt werden sollten. Der Beitrag zitiert Elizabeth Barre, die Autorin zahlreicher Studien und Metastudien zu dieser Frage, mit den Worten: „We have not yet been able to find an alternative measure of teaching effectiveness that correlates as strongly with student learning. In other words, they [teacher evaluations] may be imperfect measures, but they are also our best measures.”
 
Sie finden den Beitrag hier.
 
Mit „Small Changes in Teaching: The First 5 Minutes of Class” bietet James M. Lang im Chronicle of Higher Education einige Ratschläge an, den Unterricht an Hochschulen so zu gestalten, dass die in den ersten fünf Minuten noch vorhandene Aufmerksamkeit der Studierenden nicht verpuffe, sondern in engagierter Beteiligung am Lernstoff münde. Technisch-administrative Dinge seien in diesen Minuten fehl am Platz. Statt dessen sollten ein oder zwei Fragen zu den Zielen der Unterrrichtsstunde formuliert und rekapituliert werden, was bis dahin gelernt worden sei und was man damit anstellen könne. Das wichtigste sei dann aber: „Write it down. All three of the previous activities would benefit from having students spend a few minutes writing down their responses. That way, every student has the opportunity to answer the question, practice memory retrieval from the previous session, or surface their prior knowledge – and not just the students most likely to raise their hands in class.”
 
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Das St. Clair College in der kanadischen Provinz Ontario ist einer Meldung von CBC Canada auf der einen Seite mit mehr als 3.000 Einschreibungen für das Sommersemester nicht nur sehr erfolgreich bei der Rekrutierung internationaler Studierender, sondern sorgt in der kleinstädtischen Umgebung seines Campus in Windsor derzeit auch für einen akkuten Mangel an geeignetem Wohnraum. Die Hochschule glaube aber weiterhin an die Kraft des Marktes und lasse sich durch einen Verantwortlichen mit den Worten zitieren: „There may be a little bit of lag time in terms of how the market responds to the housing requirements but, so far, the rental house market has handled it.”
 
Sie finden die Meldung hier.
 
University Affairs befasst sich mit Bemühungen von Hochschulstandorten an der kanadischen Atlantikküste, mit einem „Study and Stay in Nova Scotia” genannten Programm die dort an die Hochschulen kommenden internationalen Studierenden längerfristig an die Region zu binden, um den dortigen, demografisch problematischen Entwicklungen (Überalterung, Landflucht, Fachkräftemangel) entgegen zu wirken. Es heißt: „Run by EduNova, a co-operative industry association made up of the province’s education and training providers, it includes services and resources such as one-on-one employment and transition support, workplace placement, and community and peer mentorship.”
 
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Sie finden das Programm hier.
 
Mit einer Zahlung von $500 Mio, so ein Beitrag im Chronicle of Higher Education, wolle man an der Michigan State University die zivilrechtlichen Folgen des Missbrauchsskandals um den Sportarzt Larry Nassar bewältigen. Bislang sei allerdings noch nicht wirklich klar, wie die Entschädigungssumme finanziert werden könne. Der zur Bewältigung der Folgen des Skandals eingestellte Interim President der Hochschule, John Engler, wird mit den Worten zitiert: „We can’t print the money. (…) We have to look at reserves that we may have accumulated. Can they be used? What role would bonding play? There’s a series of rather complex strategies that we have to work through.”
 
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Inside Higher Education meldet die Schließung der Marylhurst University in Portland, Oregon und schreibt: „Because the university has a history of serving adult students (…) its enrollment patterns look more like those of community colleges and for-profit institutions, which have taken a beating as the labor market has (partially) recovered.”
 
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