Ausgabe ___ | March 29 2017
14.07.2020
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Umzug in den Cyberspace
  • Covid-19 und Hochschulen
  • „Also-Ran“: Bildungsaspekte in der Wahlkampfplattform der Demokraten
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,
   
in dieser Ausgabe befassen wir uns mit dem weitgehend von Covid-19 erzwungenen Umzug wesentlicher Hochschulfunktionen in den Cyberspace und mit weiteren Nachrichten im direkten Kontext von Covid-19. Wir werfen zudem einen Blick auf bildungspolitische Aspekte einer von der „Biden-Sanders Unity Task Force“ veröffentlichten Wahlkampfplattform der Demokraten für die anstehenden Präsidentschaftswahlen und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten.

Auf die jüngste Entscheidung der US-Regierung, Visa für die internationalen Studierenden annulieren bzw. nicht vergeben zu wollen, die nur virtuell unterrichtet werden können, gehen wir in dieser Ausgabe nicht ein, wenngleich sie als ein weiteres Signal sich derzeit schließender „Open Doors” deutlich wahrnehmbar ist. Sie wird vor Gerichten derzeit angefochten und wird in den deutschen Medien ausreichend behandelt. Angesichts der Berichterstattung in deutschen Medien sollte allerdings noch einmal daran erinnert werden, dass die häufiger genannte Zahl von 5% Internationalisierung US-amerikanischer Hochschulen eine Durchschnittszahl aller mehr als 4.000 Einrichtungen ist und nur wenig mit der Wirklichkeit auf dem Höhenkamm der Landschaft zu tun hat, mit dem wir uns vor allem befassen. Hier liegt die Quote auch schon mal in Richtung 20%, mit entsprechenden Erträgen aus Tuition and Fees, Room and Board.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Gesundheit, Geduld und Zuversicht. 

 
Stefan Altevogt
Umzug in den Cyberspace
Ein Beitrag der Rubrik „Inside Digital Learning“ fasst auf Inside Higher Education die Ansichten von drei Expertinnen und einem Experten zusammen und gießt sie in sieben Empfehlungen für den Unterricht im Cyberspace. Rita-Marie Conrad und Judith V. Boettcher, Autorinnen des „The Online Teaching Survival Guide“, Marjorie Vai, Autorin der „Essentials of Online Course Design“, und Elliot King, Mit-Autor der „Best Practices in Online Program Development“, gehen dabei davon aus, dass elektronische Unterrichtsformate etwas grundsätzlich anderes seien, als bloße Digital-Versionen klassischen Unterrichts. Es heißt dazu: „The authors agreed that the online classroom is different enough from the traditional one that faculty members and adjuncts need to create courses for digital delivery that are substantially different from those they teach on campus. And they said teaching online requires an even keener focus on student engagement than the face-to-face model does.“
Die sieben Ratschläge für einen unter dieser Maßgabe gelungenen Umzug in den Cyberspace lauten:
„Make It a Group Effort“: Die zusätzliche und erhebliche Arbeitsbelastung bei der Erstellung virtueller Unterrichtseinheiten müsse auf viele Schultern verteilt werden.
„Focus on ‘Active‘ Learning“: Frontalunterricht sei virtuell noch problematischer als live und daher seien deutlich mit Interaktion aufgelockerte Formate sehr empfehlenswert.
„‘Chunk‘ the Lessons“: Wie zuvor, nur noch mit dem Hinweis versehen, dass die Aufmerksamskeitsspanne von Studierenden im Cyberspace auf zehn Minuten sinke und entsprechend klein die „Brocken“ gehalten werden müssten.
„Keep Group Sizes Small“: Siehe weiter unten der entsprechende Hinweis von Lisa Feldman Barrett, wenngleich hier etwas größere Zahlen genannt werden (20-30 für Online Classes und bis zu zehn für Online Seminare und Übungen).
„Be Present“: Die unmittelbare Beantwortung von im „online chat“ gestellten Fragen der Studierenden sei selbstverständlich, doch müsse sich darüber hinaus das Lehrpersonal auch als sozial verfügbar präsentieren, also auch schon mal mitteilen, was so auf dem Nachttisch für Lektüre liege, welche brennende Forschungsfrage gerade verfolgt werde oder per Foto den Beweis antreten, dass Lehrende mit Laptop bei Starbucks sitzend durchaus „normal“ aussehen können.
Parse Your Time“: Keiner könne rund um die Uhr für Studierende zur Verfügung stehen und einen guten Teil der durch Fragen anfallenden Belastung könnten Lehrende auch dadurch vermeiden, indem sie die gestellten Fragen zum Gegenstand von Diskussionen zwischen den Studierenden machten.
„Embrace Multi-media Assignments“: Oft seien Studierende im Umgang mit digitalen Werkzeugen versiert genug, Aufgaben auch anders als mit PowerPoint zu erledigen. Dies mache nebenbei oft die Leistungsbewertung seitens der Lehrenden (gefühlt) rascher weil unterhaltsamer.
 
Sie finden den Beitrag hier.

Die „Million Dollar Question“ für die Hochschulen in den obersten Preissegmenten ist derzeit die Frage, wie sie ihren Online-Unterricht nachvollziehbar „preiswert“ gestalten können, oder, um es in den Worten der Psychologin und Neurowissenschaftlerin Lisa Feldman Barrett auszudrücken: „No one wants to pay $30,000 per semester for what they’ve been getting.” Barrett konstatiert in einem Beitrag für die New York Times, dass derzeitig angebotene Online-Kurse enttäuschend seien und schlägt vor: „Schools could embrace an older style of teaching used by British universities – the tutorial system – and adapt it for the online world.“ Lernen würden Studierende vor allem in kleineren und kleinsten Gruppen, in denen ein aktiver Austausch untereinander und mit den Lehrenden gefordert und gefördert werde. Für den Cyberspace müsse man entsprechend modifizieren: Professorinnen und Professoren würden ihre Vorlesungen aufnehmen, mit Lektürelisten anreichern und sich dann die Zeit für Video-Tutorials mit jeweils vier oder fünf Studierenden nehmen (wenn sie es nicht an ihre Teaching Assistants delegieren wollen). Sie führt aus: „Online tutorials would be a natural fit for smaller colleges. Larger universities, with their stadium-style lecture courses, might find the transition more challenging. But even so, there are options. Tutorials could be bigger, perhaps up to 15 students (a class size that research suggests is compatible with high levels of student achievement), and could be led not just by professors but also by supervised teaching assistants, typically doctoral students or postdoctoral fellows.“
Dazu bräuchte es aber deutlich mehr Personal für die Lehre an den Hochschulen, Personal, das in Zeiten gestresster Hochschulbudgets wohl nicht so einfach zu finanzieren sei. Aber für die Hochschulen in den Hochpreis-Segmenten sei die Gewährleistung eines „preiswerten“ Betreuungsverhältnisses auch im Cyberspace alternativlos, wollten sie nicht ihre Kunden verlieren.

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Covid-19 und Hochschulen
Der Chronicle of Higher Education verfolgt die jeweils aktuelle Beschlusslage von mehr als 1.100 US-amerikanischen Hochschulen zur Frage, wie im kommenden Semester die Lehre durchgeführt werden solle. Danach hätten 5% noch keine Entscheidung getroffen, 9% planten reinen Online-Unterricht, 27% Hybrid-Modelle und 58% wollten physischen Unterricht erteilen.

Sie finden die Liste hier.

Die berechtigte Frage, warum die Liste mit gut 1.000 Einträgen nur einen Teil der über 4.000 Einrichtungen großen Hochschullandschaft widerspiegelt, wird mit den Worten beantwortet: „This list focuses primarily on institutions that serve undergraduates, and it excludes colleges that were 100 percent online prior to the pandemic.”

Unter den Einträgen findet sich Harvard University mit der am 6. Juli veröffentlichten Entscheidung, den Unterricht für Undergraduates und Graduates im kommenden akademischen Jahr vollständig online durchführen, gleichzeitig aber 40% der Undergraduates auf dem Campus unterbringen zu wollen. In einer Erklärung der Faculty for Arts & Sciences heißt es: „We have made a decision that enables up to 40% of undergraduate students to learn from campus in appropriate accommodations (…). All course instruction (undergraduate and graduate) for the 2020-21 academic year will be delivered online. Students will learn remotely, whether or not they live on campus.“

Sie finden die Erklärung hier.

Ein Beitrag in der New York Times entfaltet die These, dass Covid-19 die Hochschullandschaft in dem Sinne auf den Kopf gestellt habe, als dass vor allem an den allerbesten und teuersten Universitäten des Landes gute Pandemie-angemessene, also virtuelle Lehrformate angeboten würden. Es heißt: „Online higher education has abruptly gone from down-market and sometimes disreputable to a privilege reserved for the elite few. In 2020, only the best and the brightest will be allowed to not go to college.“ Weil Online-Unterricht vor der Krise bereits der „Normalfall“ vor allem an berufsbegleitend betreuenden Community College gewesen sei, habe nun Stanford University mehr Ähnlichkeiten zu den lokalen berufsbildenden Colleges als es Stanford lieb sein dürfte.

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Inside Higher Education hat die Ergebnisse der jüngsten Umfrage unter Chief Business Officers (CBOs) US-amerikanischer Hochschulen veröffentlicht und meldet (angesichts von Covid-19 nicht überraschend), dass die mittelfristigen (Horizont von fünf Jahren) Erwartungen erstmals weniger rosig seien als die längerfristigen (Horizont von zehn Jahren). Rund ein Viertel der 271 befragten CBOs gaben an, bereits Entlassungen vorgenommen bzw. unbezahlten Urlaub angeordnet zu haben und weiteres Drittel plane dies bis zum Ende des Jahres bzw. wolle sich von Lehrbeauftragten (Adjuncts) und schlecht nachgefragten Programmen trennen. Ein Viertel der Befragten waren sich relativ sicher, die derzeitige Krise einigermaßen unbeschadet überstehen und innerhalb von zwei Jahren das Geschäft wieder normalisieren zu können. Die Hälfte aller Antworten deuteten schließlich darauf hin, dass Covid-19 auch als Chance begriffen werden könne: „Their institution ‘should use this period to make difficult but transformative changes in its core structure and operations’ in the interest of long-term sustainability.”

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Sie finden die Umfrageergebnisse hier.
„Also-Ran“: Bildungsaspekte in der Wahlkampfplattform der Demokraten
Covid-19 und die mit der Black Lives Matter (BLM)-Bewegung verbundene Diskussion um eine gerechtere Teilhabe aller Bevölkerungsschichten am Versprechen des „American Dream” haben die im vergangenen Jahr noch als wichtige „Mittelstandsthemen“ für die kommenden Präsidentschaftswahlen gehandelten Probleme Studienkosten und Studienschulden deutlich in den Hintergrund gedrängt. Es ist darum weniger überraschend, dass Bildungsaspekte in der Wahlkampfplattform der Demokraten nur noch unter „ferner liefen“ rangieren, als die Tatsache, wie deutlich die Empfehlungen der „Biden-Sanders Unity Task Force“ hinter die ursprünglichen Sanders-Forderung nach Stundung von $1,6 Bio. Studienschulden zurückfallen.
 
Inside Higher Education wirft einen ersten Blick in die bildungspolitischen Aspekte der unter dem Paradigma „Klimawandel“ stehenden Plattform und fasst sie mit den Worten zusammen: „The attempt by Joe Biden, the presumptive Democratic presidential nominee, to unify his party with former challenger Bernie Sanders brought no major surprises in higher education policy.“ In der besonderen Lage infolge von Covid-19 sollten $10.000 Studienschulden pro Schuldner erlassen werden, die Rückzahlung von Schulden solle allgemein erst bei Jahreseinkommen oberhalb von $25.000 einsetzen und dann aber auch auf 5% des verfügbaren Einkommens begrenzt werden und – das ist vielleicht eine der folgenreicheren Forderungen – Studienschulden sollen künftig keine Privatinsolvenzen mehr überleben können.
Im Hinblick auf die Erschwinglichkeit eines grundständigen Studiums heißt es schließlich: „The recommendations reiterated Biden’s call to make tuition at community colleges and four-year universities free for those making less than $125,000, including undocumented students.“
 
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Kurznachrichten
Inside Higher Education meldet den Rücktritt von Kenneth Marcus als Leiter der Abteilung für Civil Rights im US-Bildungsministerium. Marcus sei zuletzt vor allem mit Änderungen am Regelwerk befasst gewesen, nach dem Hochschulen auf Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens reagieren müssten, und er habe eine Executive Order des Präsidenten umgesetzt, nach der Israel-kritische Inhalte an Hochschulen auf möglichen antisemitischen Gehalt geprüft würden. Gründe für den Rücktritt nennt die Meldung nicht.

Sie finden die Meldung hier.

Der Chronicle of Higher Education wirft einen Blick auf die Karriere von Charlie Kirk, dem Mann an der Spitze von Turning Point USA, und schreibt: „Founded in 2012, Turning Point has seen its influence rise during the Trump era. Kirk has more than 1.7-million Twitter followers, is a frequent guest on Fox News, and enjoys close relationships with President Trump and Trump’s family members.“ Taktiken der Organisation auf dem Weg zu einer angestrebten Meinungsführerschaft in Studierendenorganisationen verstießen gegen gültige Bestimmungen und die „Professor Watchlist“ zur Demaskierung mutmaßlich radikaler Fakultätsmitglieder werde auch als Bedrohung akademischer Freiheit wahrgenommen.

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Statistics Canada hat jüngste Zahlen zur Partizipation an Hochschulbildung in der Alterskohorte der 18- bis 24-Jährigen veröffentlicht und schreibt zur Entwicklung über die vergangenen Jahre: „The participation rate of Canadians aged 18 to 24 in university or college was up by 29% from the 2000/2001 to the 2018/2019 academic years. This increase was attributable to a larger share of young Canadians going to university (+56%), as the participation rate at the college level was relatively stable. The university participation rate increased in eight provinces, led by British Columbia (+84%), Alberta (+69%) and Ontario (+58%). In contrast, college participation rates decreased by just over one-third in Alberta (-35%) and by around one-quarter in British Columbia (-26%). Quebec (+17%) was the only province to report an increase in college participation rates over the same time period. Next spring‘s publication will provide data showing college and university participation rates in the wake of the COVID-19 pandemic.“

Sie finden die Presseerklärung hier.

has released an infographic depicting the evolution of college and university participation rates among 18- to 24-year-olds in Canada. The infographic shows that the participation rate of Canadians aged 18 to 24 in university or college was up by 29% from the 2000/2001 to the 2018/2019 academic year. More specifically, the university participation rate increased in eight provinces, led by British Columbia (+84%), Alberta (+69%) and Ontario (+58%). In contrast, college participation rates decreased by just over one-third in Alberta (-35%) and by around one-quarter in British Columbia (-26%). Québec (+17%) was the only province to report an increase in college participation rates over the same time period.

Inside Higher Education meldet die erste Neugründung eines Community Colleges in Pennsylvania seit 27 Jahren. Sie werde als Erie County Community College eröffnet und einem bereits 1963 beschlossenen Community College Act Rechnung tragen, nach dem jedem Bürger eine zweijährige Hochschuleinrichtung in zumutbarer Entfernung zur Verfügung stehen solle. Es gäbe allerdings nicht nur Beifall, sondern auch Konkurrenz: „Northern Pennsylvania Regional College offers two-year degrees and workforce training programs, and it serves several counties, including Erie. The college has a right to appeal the decision to approve Erie County Community College.“

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Die Reaktion der University of Northern British Columbia auf schwindende Studierendenzahlen, geringere Budgets und inflationsbedingte Kostensteigerungen werden von der kanadischen Academica Group als typische Verhaltensmuster beschrieben. In einem zitierten Pressebericht heißt es: The Board of Governors have approved an $93.6-mllion operating budget for 2020-21 that trimmed $3.4 million in expenses at the cost of 21 jobs and increased tuition fees [2%] to make ends meet.”

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