Liebe Leser:innen,

um Hintergründe zu beleuchten, die in der Kürze eines Artikels oft nicht darstellbar sind, lassen wir Ihnen gelegentlich „Washington News: Im Blickpunkt“ zukommen. „Im Blickpunkt“ erläutert detaillierte Gesetzespakete, Initiativen, Trends oder Entwicklungen aus dem politischen Washington.

Die Parlamente (state legislatures) von 15 US-Bundesstaaten haben in der ersten Jahreshälfte von 2023 Gesetze verabschiedet, die den ausländischen Besitz von Immobilien entweder einschränken oder komplett verbieten. Ähnliche Gesetzentwürfe wurden im gleichen Zeitraum in 20 weiteren Bundesstaaten vorgeschlagen. Insgesamt haben bereits 24 Bundesstaaten solche Einschränkungen eingeführt oder schreiben Investitionsüberprüfungen vor. Die Details der Gesetze sind unterschiedlich, gemeinhin richten sie sich aber gegen Personen und Unternehmen aus China, Iran, Kuba, Nordkorea, Russland und Venezuela. 

Der vorliegende Blickpunkt betrachtet diese Welle neuer Investitionseinschränkungen auf Ebene der Einzelstaaten. Ein besonders kontroverses Gesetz, SB 264 aus Florida, wird genauer beschrieben. 

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Ihr Washington News Team
Investitionsbeschränkungen der US-Bundesstaaten 
Jay Morgan, RGIT
Dezember 2023
Trends in der Gesetzgebung 
Die Bundesstaaten, die Einschränkungen auf Auslandsinvestitionen verabschiedet haben, sind meistens ländlich und republikanisch regiert. Mehr als die Hälfte befinden sich im Süden des Landes. Hauptargumente für solche Gesetzentwürfe sind Bedenken beim Verkauf von Agrarland und Grundstücken neben Militärstützpunkten oder kritischer Infrastruktur an ausländische Investoren, besonders aus China. Restriktionen beziehen sich meist auf Listen mit sanktionierten Nationen und Personen, die vom US-Finanz- oder Außenministerium herausgegeben wurden. Einige Gesetze sehen nur Meldepflichten vor, andere verlangen Überprüfungsverfahren oder Verbote. Ein Gesetz aus Oklahoma verbietet allen Ausländern gänzlich den Besitz von Immobilien, wenn sie nicht legal in Oklahoma wohnen. 
Neue Investitionsbeschränkungen 2023
In Kalifornien kam ein Gesetzentwurf durch beide von Demokraten geführte Kongresskammern, der den Kauf von Agrarflächen durch ausländische Regierungen verbieten sollte. Gouverneur Gavin Newsom (ebenfalls Demokrat) verhinderte das Gesetz jedoch mit seinem Veto. Ein Gesetzentwurf in Texas (hier halten die Republikaner das Gouverneursamt und die Mehrheiten in beiden Kongresskammern) hätte ausländischen Regierungen, Unternehmen sowie Staatsbürgern aus China, Iran, Nordkorea oder Russland den Kauf von Grundstücken im zweitgrößten Bundesstaat verboten. Der Entwurf mit Unterstützung des Gouverneurs bekam zwar eine Mehrheit im texanischen Senat, schaffte es aber nicht durch das Repräsentantenhaus. 
Die Fälle aus Texas und Kalifornien zeigen: Trotz der Neigung zu Investitionsbeschränkungen bleibt das Thema in beiden Parteien intern umstritten. Obwohl viele republikanisch regierte Bundesstaaten neue Einschränkungen eingeführt haben, bleiben Befürchtungen einer Überregulierung. Auch die Demokraten sind von Auslandsinvestitionen (besonders aus China) nur wenig begeistert. Ein Ziel der Wirtschaftspolitik Bidens ist der Abbau der Abhängigkeit von China in kritischen Bereichen. Obwohl Auslandsinvestitionen in den USA auch die heimische Produktion stärken würden, wird ausländischer Besitz als möglicher Machthebel in einer geopolitisierten Welt wahrgenommen. 
Sicherheitsbedenken übertrumpfen Wachstum
Dieses Jahr hat eine geplante Investition eines chinesischen Batterieherstellers für große Aufmerksamkeit gesorgt. Die Firma wollte eine 3,5 Milliarden US-Dollar teure Produktionsanlage in den USA bauen. Als bekannt wurde, dass sie Verbindungen zur chinesischen kommunistischen Partei pflegt und möglicherweise in Fälle von Zwangsarbeit in der autonomen Region Xinjiang verwickelt ist, zog der Bundesstaat Virginia im Dezember 2022 (vor der Verabschiedung der neuen Investitionsbeschränkungen) sein Angebot als möglicher Produktionsstandort zurück. Alternativ wurde dann Michigan als Standort gewählt. Dort wurden die Investitionen zunächst nicht verboten, kamen jedoch ins Visier des Sonderausschusses im US-Repräsentantenhaus in Washington zur strategischen Konkurrenz mit China. Nach monatelanger Ermittlung des Sonderausschusses wurden die Bauarbeiten für die neue Produktionsanlage vorübergehend gestoppt. 

Die 2021 geplante Investition eines chinesischen Milliardärs in einen etwa 57.000 Hektar großen Windenergiepark in Texas schürte Bedenken zur inneren Sicherheit aufgrund der Nähe zu einem Stützpunkt der US-Air Force. Das Projekt wurde später an eine spanische Firma verkauft. Die Air Force bezeichnete den vorgeschlagenen Bau einer Getreidemühle durch eine chinesische Firma in der Nähe eines anderen Stützpunktes in North Dakota als eine mögliche Sicherheitsbedrohung. 

Chinesische Direktinvestitionen in den USA belaufen sich auf rund 44 Milliarden Dollar. Die Summe von Neuinvestitionen aus China in die USA hat seit 2017 stark abgenommen. Die Beispiele aus Michigan, Texas und North Dakota zeigen, dass, zumindest politisch, derzeit chinesische Investitionen auch in manchen wirtschaftlich benachteiligten Regionen unerwünscht sind.
Beispiel Florida
In Florida ist seit dem 1. Juli dieses Jahres eines der kontroversesten Gesetze zu Auslandsinvestitionen in den USA in Kraft getreten. Das Gesetz SB 264 legt neue Restriktionen in zwei Bereichen vor. Der erste Bereich betrifft die Regierungen, Staatsorgane, Parteien sowie Unternehmen und alle Staatsbürger Chinas, Irans, Kubas, Nordkoreas, Russlands, Syriens und Venezuelas. Diese dürfen in ganz Florida weder Agrarflächen noch Immobilien kaufen, die sich im Umkreis von 16 Kilometern einer Militärbasis befinden. Personen aus den betroffenen Staaten mit US-Aufenthaltstitel (Greencard) oder US-Staatsbürgerschaft sind von diesem Verbot ausgenommen. 
Der zweite Bereich betrifft nur China. Darin wird der chinesischen Regierung und den Staatsorganen, der kommunistischen Partei Chinas und deren Mitgliedern, in China ansässigen Unternehmen und allen in China ansässigen Personen, die nicht US-Staatsbürger oder Aufenthaltstitelträger sind, der Kauf jeglicher Immobilien in Florida untersagt. Ausnahmen gelten für Eigentümer, die ihre Grundstücke schon vor dem Datum des Inkrafttretens besaßen. 

Das Gesetz SB 264 wird derzeit vor Gericht angefochten. Der Federal District Court für Floridas nördlichen Bezirk prüft das Gesetz im Fall Shen v. Simpson. Kläger gegen das Gesetz argumentieren, es sei verfassungswidrig nach der Gleichstellungsklausel und der Due Process Clause des 14. Verfassungszusatzes. Das sieht auch das US-Justizministeriums (DOJ) so. Das DOJ hat ein Unterstützungsschreiben für den Kläger im Prozess Shen v. Simpson eingereicht. Laut des DOJ gibt es keine überzeugende Sicherheitsbegründung, die solch ein flächendeckendes Verbot legitimiere. SB 264 diskriminiere gegen Bürger bestimmter Staaten ohne eine bewiesene Verbindung zwischen dem Staatsschutz und einem Besitzverbot auf Immobilien in Florida, so das DOJ. 

Hingegen argumentieren die Attorneys General (Generalstaatsanwälte) vieler Bundesstaaten, dass SB 264 Restriktionen sich nicht auf die Herkunft, sondern die Ansässigkeit von Personen und Organisationen beziehen. Die weitreichenden Befugnisse im Bereich des Grundeigentumsrechts sollen laut der Generalstaatsanwälte weiterhin bei den Bundesstaaten bleiben. Das Gericht im Norden Floridas verweigerte im August die Durchsetzung einer einstwilligen Verfügung gegen das Gesetz. Derzeit (Dezember 2023) ist das Gerichtsverfahren noch im Gange.
Investitionseinschränkungen auf Bundesebene
Unabhängig von der neuen Welle von Investitionsbeschränkungen in den Bundesstaaten, gibt es schon seit Langem Investitionsüberprüfungsverfahren auf Bundesebene in den USA. Das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) ist ein interministerielles Gremium, das vermeintlich sicherheitsrelevante Investitionen in den USA überprüft. Das CFIUS zieht seine rechtlichen Kompetenzen aus dem Defense Production Act; ein Gesetz, das starkes wirtschaftspolitisches Eingreifen vom Staat in sicherheitsrelevanten Bereichen ermöglicht. Bauprojekte oder der Verkauf von Immobilien in der Nähe von Häfen, Flughäfen, Militärstützpunkten oder anderen sensiblen staatlichen Einrichtungen an ausländische Kunden können vom CFIUS überprüft werden.

Ausländische Investitionen in kritische Technologienbereiche in den USA fallen auch unter die Aufsicht des CFIUS. Bestehen nachgewiesene Sicherheitsbedenken nach einer CFIUS-Untersuchung, darf das Gremium oder der US-Präsident eine Transaktion blockieren oder verlangen, dass ein ausländisches Unternehmen seine Anteile in den USA veräußert. Weitere Informationen zu CFIUS-Prozessen finden Sie hier und hier

Auch beim Kauf von Agrarflächen gelten nach dem Agricultural Foreign Investment Disclosure Act (AFIDA) Meldepflichten für Auslandsinvestoren in den USA. Das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) sammelt und veröffentlicht  unter dem AFIDA Informationen über den ausländischen Besitz von US-Agrarflächen. Im Gegensatz zum CFIUS darf es jedoch keine Investitionen verhindern. Mehr zum AFIDA finden Sie hier.

Investitionsüberprüfungen in den USA dürfen auf Bundesebene in gezielten Bereichen aus sicherheitsrelevanten Gründen vorgenommen werden. Wird eine Transaktion vom CFIUS blockiert, dürfen die geschädigten Parteien vor Gericht klagen. Ein weit bekanntes Beispiel in diesem Kontext ist der Prozess gegen TikToks Muttergesellschaft ByteDance. Die Trump Administration entschied 2020, dass ByteDances Kauf des TikTok-Vorgängers musical.ly im Jahr 2017 eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA darstellte und verlangte, dass ByteDance seine US-Aktien von TikTok veräußert. ByteDance klagte dagegen, dass die Enteignung ohne Kompensation verfassungswidrig sei. Nach dem Regierungswechsel nahm die Biden Administration direkte Verhandlungen mit ByteDance auf, woraufhin beide Parteien das Gerichtsverfahren pausierten. Im Dezember 2023 sind die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen. 

Auswirkungen auf den Standort USA
Die neusten Daten des US-Wirtschaftsministeriums (DOC) zu Auslandsinvestitionen sind von 2022, also vor der neuen Welle von Investitionsbeschränkungen in den Bundesstaaten. Aber auch im vergangenen Jahr waren die neuen Auslandsinvestitionen in den USA fast so niedrig wie im Pandemiejahr 2020. Grund ist vermutlich unter anderem das schleppende Wirtschaftswachstum in wichtigen internationalen Investitionsquellen für die USA wie Europa. 
Die sicherheitsgetriebene Skepsis gegenüber Auslandsinvestitionen in den USA richtet sich vor allem gegen China und andere von den USA kritisch bewerteten Staaten wie Russland und Iran. Die verschärften Investitionskontrollen stellen keine direkte Einschränkung für deutsche und europäische Unternehmen dar. Deutsche Direktinvestitionen werden auf lokaler und regionaler Ebene nach wie vor freundlich begrüßt. Allerdings könnte der neue Fokus auf chinesische Investitionen Kapitalströme zwischen deutschen und europäischen Tochtergesellschaften komplizieren. Alle in China ansässige Unternehmen und Personen sind von einigen der neuen Einschränkungen (wie SB 264) betroffen. Somit könnten auch deutsche Staatsbürger und Firmen mit Verbindung zu China mit neuen Verboten bei Geschäften mit US-Partnern zukünftig konfrontiert sein.

Die USA bleiben nach wie vor ein großer, attraktiver und stabiler Markt. Die neue Industriepolitik der US-Bundesregierung bietet eine Menge Anreize für neue Projekte und Produktionsstätten im US-Markt. Gleichzeitig werden die Kontrollen auf eingehende und ausgehende Kapitalströme und Technologieexporte verschärft. Die USA entkoppeln sich nicht vom Weltmarkt, aber der von Jake Sullivan, US-Nationaler Sicherheitsberater, beschriebene „kleine Garten hinter dem hohen Zaun” wird auch auf Ebene der Einzelstaaten nach und nach größer.
Informationen des Representative of German Industry and Trade (RGIT) in Washington, DC

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Die Washington News berichten über aktuelle wirtschafts- und handelspolitische Entwicklungen
in den USA.
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This material is distributed by the Representative of German Industry and Trade (RGIT) on behalf of the Federation of German Industries (BDI) and the Association of German Chambers of Commerce and Industry (DIHK). Additional information is available at the Department of Justice, Washington, DC.