Liebe Leser:innen, 

um Hintergründe zu beleuchten, die in der Kürze eines Artikels oft nicht darstellbar sind, lassen wir Ihnen gelegentlich „Washington News: Im Blickpunkt“ zukommen. „Im Blickpunkt“ erläutert detaillierte Gesetzespakete, Initiativen, Trends oder Entwicklungen aus dem politischen Washington. 

Diese Ausgabe beleuchtet die zwei weit diskutierten und auch kritisierten Steuergutschriften des Inflation Reduction Act (IRA): den Clean Electricity Investment Tax Credit (ITC) und den Clean Electricity Production Tax Credit (PTC). Für beide Steuergutschriften gibt es einen sogenannten Domestic Content-Bonus (Inlandsanteilbonus) für die Nutzung von US-amerikanischem Stahl, Eisen und anderen Industrieerzeugnissen. Im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung der beiden Steuergutschriften und des Inlandsanteilbonus. 

Wie immer freuen wir uns über Ihr Feedback und Ihre Anregungen. 

Beste Grüße 

Ihr Washington News Team 
Implementierung des IRA: ITC, PTC und Domestic Content Bonus 
Patrick McCown, RGIT
Juli 2023
Hintergrund: Was ist der Domestic Content Bonus? 

Im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) gilt ein Inlandsanteilbonus für zwei Steuergutschriften: für den Renewable Electricity Production Tax Credit (PTC) und den Energy Investment Tax Credit (ITC). Der PTC erhält einen Bonus von 10 Prozent und der ITC einen Bonus von 10 Prozentpunkten. Sowohl der PTC als auch der ITC wurden bis 2024 verlängert und werden ab 2025 durch den Clean Electricity Production Tax Credit und den Clean Electricity Investment Tax Credit ersetzt. Steuerzahler können nur einen der beiden Steuergutschriften in Anspruch nehmen. Der PTC ist eine 0,3-Cent-Gutschrift pro produzierter Kilowattstunde erneuerbaren Stroms. Der ITC hingegen beträgt 6% der Investitionshöhe eines erneuerbaren Energieprojekts. 

Steuerzahler können von einer Reihe an Bonusgutschriften für den PTC und ITC profitieren. Folgende Boni stehen zur Verfügung: 

  • eine Verfünffachung der jeweiligen Basisgutschrift gibt es bei Erfüllung der Anforderungen zu Löhnen und Ausbildungen; 
  • einen Bonus von 10% für den Bau von Projekten in Gebieten, die als „Energiegemeinden“ ausgewiesen sind; 
  • einen Bonus von 10% für die Durchführung von Projekten in Gebieten, die als „einkommensschwache Gemeinden“ oder als Stammesland der US-Ureinwohner ausgewiesen sind (20% Bonus für Projekte in Wohngebäuden mit niedrigem Einkommen oder als Teil von Wirtschaftsförderungsprojekten); 
  • einen Bonus von 10% bei Erfüllung der Inlandsquoten für Stahl, Eisen und Industrieerzeugnisse. 

Dieser Inlandsanteilbonus gilt nur für qualifizierte Projekte/Anlagen, die den Anteil US-Produkte am Projekt (Domestic Content-Anteil, s.u.), sowie eine der folgenden Bedingungen erfüllen: 

  1. das Projekt hat eine maximale Nettoleistung von weniger als 1 Megawatt; 
  2. mit dem Bau des Projekts wurde vor dem 29. Januar 2023 begonnen; 
  3. das Projekt erfüllt die Anforderungen des IRA hinsichtlich vorherrschender Löhne und Ausbildungsquoten (siehe Fußnote drei). Erfüllt das Projekt diese Anforderungen nicht, kann die Steuergutschrift um bis zu 80% gekürzt werden.
 
Implementierungsrichtlinie des US-Finanzministeriums 

In den vorgeschlagenen Richtlinien der US-Steuerbehörde IRS und des US-Finanzministeriums folgt der Inlandsanteilbonus den Präzedenzregelungen, die man aus den Buy America Anforderungen kennt. Die Definitionen von „manufactured“ und „produced“ sind identisch, und jeder „Manufacturing Process“ erfordert eine Veränderung oder Umwandlung der Form oder Funktion von Materialien oder Elementen, keine bloße Montage. Dementsprechend gibt es den Inlandsanteilbonus nur für Anlagen, die die geforderten Quoten in den USA hergestellten Stahls, Eisens und Industrieerzeugnisse erfüllen. 

Verwendeter (struktureller) Stahl und Eisen müssen zu 100% in den USA hergestellt worden sein. Dies gilt jedoch nicht für Stahl oder Eisen in sogenannten „Industrieerzeugnissen“ (engl. manufactured products) oder in Komponenten von Industrieerzeugnissen sowie deren Unterkomponenten. In der Implementierungsrichtlinie werden hierfür Beispiele genannt: „Muttern, Bolzen, Schrauben, Unterlegscheiben, Schränke, Abdeckungen, Regale, Klammern, Beschläge, Muffen, Adapter, Bindedraht, Abstandshalter, Türscharniere und ähnliche Artikel, die hauptsächlich aus Stahl oder Eisen hergestellt werden, aber keine strukturelle Funktion haben, unterliegen nicht der Stahl- oder Eisenanforderung.“

Für Industrieerzeugnisse und deren Komponenten schreibt der Bonus einen gesetzlichen Mindestprozentsatz vor, den die Kosten aller Produkte und Komponenten ausmachen muss, welche „in den Vereinigten Staaten abgebaut, produziert oder hergestellt wurden.“ Der Prozentsatz beginnt bei 40% US-Produkte und erhöht sich ab 2025 auf 45%, ab 2026 auf 50% und ab 2027 auf 55%. Bei Offshore-Windprojekten beginnt der Prozentsatz hingegen nur bei 20% und erhöht sich ab 2025 auf 25%, ab 2026 auf 35%, ab 2027 auf 45% und ab 2028 auf 55%. 

Wie bei den Buy America-Anforderungen können die Subkomponenten einer in den USA hergestellten Komponente weiterhin von außerhalb der USA bezogen werden. Das bedeutet, dass ein Steuerzahler die Kosten der zugrundeliegenden Komponenten seiner bezogenen Industrieerzeugnisse berücksichtigen muss, wenn sie aus dem Ausland bezogen werden. Die endgültige Bestimmung des prozentualen Inlandsanteils eines Projekts ist die Summe der Kosten aller US-Industrieerzeugnisse und deren US-Komponenten geteilt durch die Gesamtkosten aller Industrieerzeugnisse des Projekts. Indirekte Kosten werden bei dieser Berechnung nicht berücksichtigt (z.B. die Kosten für den Einbau einer Komponente in das Projekt). In den IRS-Richtlinien wird auch klargestellt, wie Arbeitskosten zu behandeln sind. 

Mit der Richtlinie hat das US-Finanzministerium eine sogenannte Safe-Harbor-Liste (siehe Tabelle unten) gängiger Clean-Tech-Produkte und -Komponenten vorgeschlagen, in der sie den Kategorien „Stahl/Eisen“ oder „Industrieerzeugnis“ (engl. manufactured product) zugeordnet werden. Diese Liste gibt Steuerzahlern eine abgeschlossene Klassifizierung an die Hand, die Planungssicherheit für die Behandlung von Produkten und Komponenten im Hinblick auf die Berechnung des Bonus bietet. 
Für nachgerüstete Projekte heißt es in der Richtlinie, dass ein Projekt gebrauchte Anlagen enthalten darf, solange der Marktwert 20% des Gesamtwerts des Projekts nicht überschreitet (80/20-Regel). Die 80% (d. h. der „neue“ Teil) müssen die Anforderungen des Inlandsanteilbonus erfüllen. 

Das US-Finanzministerium und der IRS haben zwar kein neues Formular für den Inlandsanteilsbonus eingeführt, aber die Richtlinie enthält eine umfassende Liste der erforderlichen Informationen, die in den Zertifizierungsprozess der Projekte aufgenommen werden müssen. Dazu gehören der Projekttyp, die beantragten Steuergutschriften, der Standort, der beantragte Gesamtbetrag der Gutschrift und eine eidesstattliche Unterschrift. Diese Angaben müssen in der Jahreserklärung des Steuerpflichtigen zusammen mit den entsprechenden Formularen für den ITC oder PTC enthalten sein. Für den PTC muss die Bescheinigung für jedes Jahr, für das die Gutschrift beantragt wird, eingereicht werden. Die Steuerpflichtigen müssen Aufzeichnungen über die eingereichten Steuererklärungen aufbewahren. Diese Anforderungen stehen im Einklang mit den üblichen Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten der USA und stellen keine zusätzliche Belastung für Steuerpflichtige dar. 

Auswirkung auf die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen
Deutsche Unternehmen, die Stahl oder Eisen für strukturelle Teile einer Anlage herstellen, sind von Projekten ausgeschlossen, die den ITC oder PTC in Anspruch nehmen wollen. Dies benachteiligt deutsche Unternehmen gegenüber ihren US-Konkurrenten. Dieser Ausschluss ist jedoch keine neue Entwicklung des IRA, sondern eine Fortsetzung der langjährigen Politik der US-Regierung in Bezug auf bundesgeförderte Projekte.

Für Unternehmen, die Industrieerzeugnisse herstellen, gibt es hingegen eine Reihe von Möglichkeiten, sich an diesen Projekten zu beteiligen. Wie bei Buy America-Projekten können in Deutschland oder Europa hergestellte Produkte oder Komponenten weiterhin in Projekten verwendet werden, die den Inlandsanteilbonus in Anspruch nehmen, solange der Gesamtanteil der Kosten für Nicht-US-Industrieerzeugnissen und -Komponenten im Projekt unter dem geltenden Schwellenwert liegt. Die Bestimmung des Prozentsatzes von Industrieerzeugnissen kann jedoch kleinteilig sein. Die Kostenberechnung für Produktkomponenten wird schwieriger, wenn es sich um ausländische Komponenten handelt. Da Steuerzahler, die den Inlandsanteilbonus in Anspruch nehmen wollen, die Kosten ihrer ausländischen Lieferanten auch für Komponenten berücksichtigen müssen, wäre ein Nicht-US-Hersteller gut beraten, ein genaues Bild der Kosten pro Komponente in Übereinstimmung mit den geltenden US-Regularien vorlegen zu können. Informationen zur Berechnung des Inlandsanteils könnten US-Kunden helfen, die Anforderungen ihrer Steuergutschriften zu erfüllen.

Der Inlandsanteilsbonus ist nur einer von vielen Boni, die US-Steuerzahlern zur Verfügung stehen. Deutsche Unternehmen sind nicht generell von IRA-geförderten Energie- und Infrastrukturprojekten ausgeschlossen. Deutsche Produkte können und werden auch in Projekten verwendet werden, die den Inlandsanteilbonus in Anspruch nehmen. Die Berechnung und Einhaltung der Anforderungen obliegen dem US-Steuerzahler, der für das Projekt verantwortlich ist und nicht seinen Zulieferern, auch wenn die Zulieferer die Kosten für ihre Komponenten angeben müssen. Die hochspezialisierten Produkte und Komponenten, die deutsche Unternehmen herstellen, sind in den USA nach wie vor sehr gefragt, eine Nachfrage, die mit dem IRA noch steigen dürfte.

Darüber hinaus gilt der Inlandsanteilsbonus nur für die derzeitigen Steuergutschriften ITC und PTC sowie deren Nachfolgegutschriften. Alle anderen Steuergutschriften des IRA bleiben für US-Steuerzahler zugänglich, auch wenn sie nicht in den USA hergestellte Produkte, Stahl oder Eisen verwenden. Dazu gehören beispielsweise der Qualifying Advanced Energy Project Credit (48C), der Hydrogen Tax Credit (45V), der Advanced Manufacturing Production Tax Credit (45X), der Nuclear Power Production Tax Credit (45U), der Alternative Fuel Refueling Property Credit (30C), der Carbon Capture and Sequestration Tax Credit (45Q) und der Clean Transportation Fuels Credit (45Z). Eine Tabelle der im IRA geänderten oder eingeführten Steuergutschriften und der jeweils geltenden Boni finden Sie bei BakerHostetler.

Reaktionen 

Mit der Richtlinie für den Inlandsanteilbonus versucht die Biden-Regierung einen Mittelweg zu finden zwischen der Ansiedlung von Lieferketten für saubere Energie in den USA und der Sicherstellung, dass der Bonus für die ITC und PTC für die zeitnahe Einführung von Projekten für erneuerbare Energien verfügbar bleibt.

Senator Sherrod Brown (D-OH), ein langjähriger Befürworter strengerer Regeln für Inlandsanteilboni, begrüßte die Richtlinie und erklärte, sie würden der US-Fertigung Vorrang einräumen und den Aufbau einer heimischen Industrie und sicherer Lieferketten fördern. Als Mitglied des Finanzausschusses des Senats hatte sich Senator Brown für die Bonusgutschrift eingesetzt, um die Lieferketten für saubere Technologien so weit wie möglich wieder in die USA zu verlagern. Andere Demokraten im Kongress sind mit den ausgegebenen Richtlinien hingegen nicht einverstanden, allen voran Senator Joe Manchin (D-WV), ein Zentrist der Demokraten und regelmäßiger Kritiker der Umsetzung des IRA. Er drohte sogar damit, für die vollständige Aufhebung des Gesetzes zu stimmen. Manchin sieht es als ausgesprochenes Ziel des IRA an, Produktionsstandorte und Lieferketten wieder in die USA zu ziehen. Eine großzügige beziehungsweise offene Implementierung des Gesetzespakets unterminiere dieses Ziel und schaffe Abhängigkeiten von China und anderen „unfreundlichen Staaten“. 

Die republikanischen Mitglieder des Kongresses unterstützen im Allgemeinen strengere Richtlinien und strengere Buy America(n)-Anforderungen, um China aus US-Lieferketten auszuschließen. 

Die US Chamber of Commerce unterstützt inländische Anreize, hat jedoch bereits früher davor gewarnt, dass strengere Buy America-Anforderungen den Fortschritt bei Infrastrukturprojekten im Rahmen des IIJA (Infrastructure Investment and Jobs Act) und des IRA untergraben könnten. 

Die American Clean Power Association (ACP), der US-Solarhersteller First Solar und die Solar Energy Industries Association (SEIA), die US-Solarmodulinstallateure sowie Unternehmen der gesamten Solarlieferkette vertritt, begrüßten die Richtlinie. 

Solar Energy Manufacturers for America (SEMA) forderte strengere Richtlinien, insbesondere für die vorgelagerte Solarlieferkette, und kritisierte, dass die derzeitigen Bestimmungen nicht ausreichten, um eine heimische Solarlieferkette aufzubauen. SEMA warnte, dass dies zu einem Rückgang der Investitionen in die Produktion von Solarwafern, Ingots und Polysilizium in den USA führen werde. 

Nächste Schritte 

Da es sich bei der Richtlinie um eine Bekanntmachung eines Regelungsvorschlags handelt, ist die endgültige Umsetzung der Anforderungen des Inlandsanteilbonus noch offen. Das US-Finanzministerium bat ausdrücklich um: 

„[...] Beiträge zur Klassifizierung der Komponenten von Industrieerzeugnissen, insbesondere mit Blick auf die Weiterentwicklung von Technologien, neue Herstellungsverfahren und Lieferketten. Während die heutige Richtlinie einen sicheren Hafen mit bestimmten Klassifizierungen für bestimmte hergestellte Produkte festlegt, ist das Finanzministerium offen dafür, alternative Ansätze für die Klassifizierung in Betracht zu ziehen, einschließlich eines steuerspezifischen, technologieneutralen, prinzipienbasierten Ansatzes.“

Für weitere Fragen und Informationen wenden Sie sich gerne an RGIT.
Informationen des Representative of German Industry and Trade (RGIT) in Washington, DC

Kontakt:
Tel: (001) 202-659-4777


Die Washington News berichten über aktuelle wirtschafts- und handelspolitische Entwicklungen
in den USA.
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This material is distributed by the Representative of German Industry and Trade (RGIT) on behalf of the Federation of German Industries (BDI) and the Association of German Chambers of Commerce and Industry (DIHK). Additional information is available at the Department of Justice, Washington, DC.