Liebe Leser:innen,

um Hintergründe zu beleuchten, die in der Kürze eine Artikels oft nicht darstellbar sind, lassen wir Ihnen gelegentlich „Washington News: Im Blickpunkt“ zukommen. „Im Blickpunkt“ erläutert Gesetzespakete, Initiativen, Trends oder Entwicklungen aus dem politischen Washington.

Die aktuelle Ausgabe nimmt sich dem Thema Halbleiter-Subventionen im CHIPS and Science Act an und wirft ein Augenmerk auf die Implementierung, die inhaltlichen Schwerpunkte und die Mittelvergabe. Wie immer freuen wir uns über Ihr Feedback und Ihre Anregungen.

Beste Grüße

Ihr Washington News Team
Im Juli verabschiedete der US-Kongress den CHIPS and Science Act mit parteiübergreifender Unterstützung. Somit soll auf den senkenden Marktanteil der US-Halbleiterproduktion reagiert werden, der seit langem als eine ökonomische und sicherheitspolitische Bedrohung wahrgenommen wird. US-Präsident Biden hat das Gesetz bereits unterzeichnet. Über 130 Milliarden US-Dollar an neuen Geldern stehen ab sofort für Halbleitersubventionen und Grundlagenforschung zur Verfügung. Die Mittel sollen in den kommenden Monaten und Jahren vom US-Wirtschaftsministerium, vom US-Energieministerium sowie von der National Science Foundation verwaltet und ausgezahlt werden. Die untenstehende Zusammenfassung gibt einen Überblick zu relevanten Teilen des Gesetzes.  
 
Sicherheitspolitik definiert Industriepolitik 
Mit Milliarden in Subventionen und Investitionen in die Grundlagenforschung nimmt der US-Staat eine außergewöhnliche große Rolle in der Halbleiter- und Technologiebranche ein. Die neue Unterstützung wird von der US-Wirtschaft begrüßt, und zwar von allen Branchen, nicht nur den großen Halbleiterherstellern. Obwohl einige Republikaner das Gesetz als einen zu großen Eingriff in die freie Marktwirtschaft ablehnten, bekam der CHIPS and Science Act weit mehr republikanische Stimmen in beiden Kammern des Kongresses als andere Gesetzesvorschläge der Demokraten. 
 
Die Grundidee der Halbleitersubventionen erhält seit Jahren parteiübergreifende Unterstützung. Der erste Schritt zur Verwirklichung kam im Herbst 2020 mit den Debatten um den Verteidigungshaushalt für das Fiskaljahr 2021. Der Kongress verabschiedete damals dessen Finanzierung mit einer Zweidrittelmehrheit gegen Präsident Trumps Veto. Im Gesetz wurden die Halbleiter-Subventionsprogramme festgelegt, die jetzt fast zwei Jahre später finanziert werden.  
 
Dass Halbleitersubventionen Teil des Verteidungshaushalts waren, ist kein Zufall. Denn die Halbleiterproduktion wird in den USA als unverzichtbarer Teil der US-Sicherheitspolitik angesehen. Obwohl die Mittel und Ziele des Gesetzes wirtschaftspolitisch definiert sind, haben die sicherheitspolitischen und strategischen Interessen Vorrang. Hauptanliegen des CHIPS and Science Act ist die Stärkung der US-Halbleiterproduktion, um somit die Wettbewerbsfähigkeit der US-Technologiebranche gegenüber dem Rest der Welt auszubauen. Internationale Zusammenarbeit oder Koordinierung mit markwirtschaftlichen Partnerländern spielen vergleichweise überschaubare Rollen.   
 
Halbleiter-Subventionen  
Das Gesetz sieht Subventionen von 39 Milliarden US-Dollar für den Neubau, die Erweiterung und die Modernisierung von Produktionsanlagen in den USA vor. Hersteller von Industriemaschinen für die Halbleiterproduktion können ebenso von diesen Subventionen profitieren. Im laufenden Haushaltsjahr 2022 (endet am 30. September) sollten eigentlich bereits 19 Milliarden Dollar ausgezahlt werden. Da die Umsetzung neuer Subventionsprogramme in wenigen Wochen aber nahezu unmöglich ist, sollen diese Gelder erst im Frühjahr 2023 zur Verfügung stehen.

In den folgenden vier Haushaltsjahren sollen jeweils fünf Milliarden folgen. Zwei Milliarden US-Dollar aus dem 2022er Fonds sind für die Produktion von so genannten „reifen Halbleitern“ aus etablierten Technologieclustern reserviert. Solche Halbleiter sind insbesondere für Autohersteller, Industriemaschinen und Haushaltsgeräte relevant. Welche Technologien als „reif“ gelten, wird vom US-Wirtschaftsministerium bestimmt. Laut der Implementierungsstrategie des US-Wirtschaftsministeriums sollen etwa 75 Prozent der Subventionen (28 Milliarden Dollar) in die Produktion von Spitzenhalbleitern fließen. Die restlichen Gelder (10 Milliarden US-Dollar) werden reife Produktionsbranchen unterstützen. Das US-Wirtschaftsministerium will hierfür bis Februar 2023 die ersten Bewerbungen annehmen 

Weitere zwei Milliarden US-Dollar werden für die Forschung und Entwicklung für Halbleitertechnologien im Verteidigungsbereich zur Verfügung gestellt. Das US-Verteidungsministerium soll ein nationales Netzwerk von Unternehmen etablieren und Forschungsinitiativen durch öffentlich-private Partnerschaften fördern. 
Quelle: PoliticoPro
Steuergutschrift für US-Halbleiterproduktion 
Investitionen in neue Fertigungsanlagen oder in die Modernisierung bereits existierender Anlagen werden mit einer 25-prozentigen Steuergutschrift gefördert. Investitionen in Anlagen für den Maschinenbau von halbleiterproduzierenden Maschinen werden ebenso gefördert.  
 
Wichtige Bedingungen 
Unternehmen, die CHIPS-Subventionen oder eine Steuergutschrift erhalten, dürfen ihre Halbleiterproduktion in China oder anderen „bedenklichen Staaten“ (Russland, Iran, Nordkorea) nicht ausweiten. Ausnahmen für diese Regel gelten für Unternehmen, die in diesen Ländern Halbleiter im 28nm-Bereich produzieren und wenn diese Chips für den Einsatz in den jeweiligen Inlandsmärkten bestimmt sind. 
 
Halbleiter-relevante Forschung und Entwicklung 
Das US-Wirtschaftsministerium ist für die Verwaltung und Auszahlung von 11 Milliarden US-Dollar für Forschungs- und Entwicklungsprogramme zuständig. Hierin enhalten sind die vier folgenden Programme: 

National Semiconductor Technology Center (NSTC): eine öffentlich-private Partnerschaft, die forschrittliche Technologien in der Halbleiterproduktion und Ausbildungsprogramme für Fachkräfte unterstützen soll. 

National Advanced Packaging Manufacturing Program: ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm, das in Zusammenarbeit mit dem NSTC US Halbleiter Prüfungs- und Verpackungskapazitäten verstärken soll. 

Manufacturing USA Semiconductor Institute: eine weitere Partnerschaft zwischen dem US-Wirtschaftsministerium, Industrie und Bildungseinrichtungen, die forgeschrittene Herstellungsverfahren verbreiten soll. 

Microelectronics Metrology R&D: ein Forschungsprogramm innerhalb des National Institute of Standards and Technology, das die Messung und Standardisierung im Halbleiterbereich voranbringen soll.  
 
Vergleichsweise kleine Beträge werden für internationale Zusammarbeit und Ausbildungsprogramme vorgesehen. Das US-Außenministerium erhält zum Beispiel 500 Millionen US-Dollar, um Wertschöpfungsketten für Halbleiter und Informationstechnologien im Ausland zu sichern. Die National Science Foundation soll den anhaltenden Fachkräftemangel mit einem 200 Millionen US-Dollar Fonds bekämpfen.  
 
Zukunftstechnologien  
Der CHIPS and Science Act stellt über die nächsten fünf Jahre insgesamt 82,5 Milliarden US-Dollar an neuen Wissenschafts- und Forschungsgeldern bereit. Existierende Programme der US-Wirtschafts- und Energieministerien und der National Science Foundation sollen deutlich ausgebaut und Initiativen komplett neu gegründet werden.  
 
Die National Science Foundation (NSF) ist eine unabhängige Behörde der US-Regierung mit dem Auftrag, Grundlagenforschung in den USA zu fördern. Mit den neuen Mitteln aus dem CHIPS and Science Act wird eine neue Abteilung in der NSF finanziert. Mit 20 Milliarden US-Dollar über die kommenden fünf Jahre soll sie die Entwicklung von Zukunftstechnologien antreiben. Das Gesetz schreibt zehn Prioritätsbereiche vor: 
 
  • Künstliche Intelligenz 
  • Hochleistungscomputer, Halbleiter und forgeschrittene Hardware und Software 
  • Quantencomputer- und Technologien 
  • Robotik und forgeschrittene Produktionsmethoden 
  • Katastrophenminderung 
  • Hochentwickelte Informationstechnologien 
  • Biotechnologie, Medizintechnik, Genomik und künstliche Biologie 
  • Datenspeicherung und Cybersicherheit 
  • Fortgeschrittene Technologien in der Energiegewinnung- und Speicherung und in der industriellen Effizienz 
  • Moderne Werkstoffe einschließlich Verbundwerkstoffe 
 
Als Querschnittsthemen aller Bereich werden nationale Sicherheit, die Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie, die Bekämpfung der Klimakrise und die Ausbildung von Fachkräften genannt. Somit sollen die Wissenschaftsinitiativen auch einen breiteren gesellschaftlichen Einfluss haben. Internationale Partner aus Wissenschaft und dem Privatsektor dürfen auch teilnehmen, solange sie keine Bedrohung für die nationale Sicherheit des Landes darstellen. 
 
Regionale Technologiecluster 
Das US-Wirtschaftsministerium erhält 11 Milliarden US-Dollar, um 20 sogenannte Regional Technology Hubs aufzubauen. Firmengründungen und Technologiekommerzialisierung auf lokaler Ebene sollen so unterstützt werden. Ausbildungsprogramme für Fachkräfte und Unternehmernetzwerke sind Beispiele für förderfähige Projekte auf lokaler Ebene. Etwa ein Drittel dieser Gelder soll kleinen und ländlichen Gemeinden zugutekommen. Projekte in Regionen, deren lokale Wirtschaft historisch abhängig vom Abbau fossiler Energiequellen wie Öl, Kohle oder Erdgas war, werden besonders berücksichtigt. 
 
Fokus auf Vielfalt 
An allen Stellen im Gesetz sind Diversity and Inclusion Teil aller Förderinitiativen. Forschungsgelder oder Stipendien, die vom CHIPS and Science Act finanziert werden, müssen die Interessen historisch unterrepräsentierter Bevölkerungsgruppen berücksichtigen. Da die meisten Forschungsprogramme im Gesetz sich auf MINT-Berufe beziehen, liegt der Fokus darauf, den Anteile von Frauen und Minderheiten in der Technologiebranche zu erhöhen. Diese Anforderungen decken sich mit dem übergeordneten Ansatz der Biden-Administration. Zum Beispiel gibt die Administration vor, dass 40 Prozent der Finanzmittel aus dem Infrastrukturpaket (IIJA) des vergangenen Jahres in historisch benachteiligte Gemeinden fließen sollen.  
 
Implementierung und nächste Schritte 
US-Präsident Biden hat am 25. August eine Exekutivanordnung zur Implementierung des CHIPS and Science Act unterzeichnet. Als wichtige Richtlinien für die zuständigen Ministerien werden hierin die Reduzierung der US-Abhängigkeit von der ausländischen Halbleiterproduktion und der Aufbau eines langfristigen Führungsstatus der US-Halbleiterbranche genannt. Das US-Wirtschaftsministerium stellt seit Neuestem unter CHIPS.gov Informationen und Ankündigungen bereit. Die größte Tranche der Subventionen wird in den kommenden Monaten ausgezahlt. Das Ministerium gibt an, dass CHIPS-Gelder schnellstmöglich zur Verfügung gestellt werden. 
 
Großprojekte und Konsortien von Zulieferern und Produzenten sollen laut des Ministeriums Vorrang erhalten. Ziel soll es sein, neue integrative Produktions-Ökosysteme zu erzeugen. Bewerber sollten auch Pläne aufzeigen können, wie neue Produktionsanlagen durch ihre erwartete Nutzungsdauer ohne anhaltende finanzielle Unterstützung durch die US-Regierung weiterlaufen können. Das Ministerium fordert zudem, dass Produzenten berufliche Ausbildungsprogramme etablieren oder weiter entwickeln sollen. Prioritär werden Projekte behandelt, bei denen hochwertige Ausbildungsprogramme zu überdurchschnittlich bezahlten und gewerkschaftlich organisierten Arbeitsplätzen führen.   
Informationen des Representative of German Industry and Trade (RGIT) in Washington, DC

Kontakt:
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Die Washington News berichten über aktuelle wirtschafts- und handelspolitische Entwicklungen
in den USA.
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This material is distributed by the Representative of German Industry and Trade (RGIT) on behalf of the Federation of German Industries (BDI) and the Association of German Chambers of Commerce and Industry (DIHK). Additional information is available at the Department of Justice, Washington, DC.