Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
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Die Themen dieser Woche:
- Covid-19 und Hochschulen
- Jill Lepore und ihre Kritik an der US-Hochschullandschaft
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Bildung und Ausbildung: Zwei Aufgaben von Hochschulen
- Kurznachrichten
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Liebe Leserinnen und Leser,
in dieser Ausgabe befassen wir uns weiterhin mit dem Thema Covid-19 und Hochschulen und mit einem Gespräch mit der Historikerin Jill Lepore zum „Silicon Valley Problem“ der US-Hochschullandschaft. Wir werfen zudem am Beispiel Kanada einen Blick auf die immer wieder neu zu justierende Mischung zweier zentraler Aufgaben einer Hochschullandschaft, nämlich Bildung und Ausbildung, und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten der Woche.
Ich wünsche Ihnen wie immer eine interessante Lektüre und in diesen Wochen zudem Gesundheit und Zuversicht.
Stefan Altevogt
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Der Covid-19-Ticker des Chronicle of Higher Education meldet unter anderem einen aktuellen Fehlbetrag von $250 Mio. im Budget der University of Delaware als Folge des fortdauernden Lockdowns. Es heißt: „The university was projecting a $168-shortfall last spring, when it assumed that most students would be able to return to campus this fall. Its primarily online fall plan caused that deficit to grow to $250 million.”
Der Ticker meldet auch die Entscheidung der Football-Liga Pac-12, den Spielbetrieb entgegen Anfang August geäußerten Absichten nun doch aufzunehmen und schreibt, den beteiligten Hochschulen gehe es dabei nicht um Geld. Der Präsident einer Mitgliedshochschule der Liga wird mit den Worten zitiert: „No, it is about something bigger – hope. As we all face the challenges posed by Covid-19, continue to wrestle with the scourge of systemic racism in our society, and face an incredibly polarized national election, I believe sport can help unite our community, be a boost in morale, and give us something to cheer for during some pretty dark days.”
Sie finden den Ticker hier.
In einem Beitrag für Inside Higher Education bezweifeln mit Alyssa Lederer und Jeni Stolow eine Infektiologin und eine Verhaltensforscherin gemeinsam die alleinige Wirksamkeit von vertraglichen Vereinbarungen zwischen Hochschulen und Studierenden im Hinblick auf angestrebte Verhaltensänderungen zur Eindämmung der Ansteckungsgefahr mit Covid-19. Sie schreiben: „We contend (...) that relying on contracts to change students’ behavior is problematic because such contracts do not adhere to accepted scientific and evidence-based practices. (...) For starters, contracts are not uniformly effective at changing behavior. Several best practices have been identified in the literature, which has shown that contracts are most likely to work (...) [with] positive and negative reinforcement, monitoring, and a clear-cut time frame.” Ohne weitere flankierende Maßnahmen machten „Student Contracts” nur wenig Sinn und könnten nicht verhindern, dass wieder geöffnete Campi zu neuen „Hot Spots“ des Infektionsgeschehens würden.
Sie finden den Beitrag hier.
Die kanadische Academica Group fasst einige Meldungen von Hochschulen des Landes zusammen, die gegenüber dem vergangenen Jahr trotz Covid-19 leicht steigende Einschreibungszahlen zu verzeichnen hätten und schreibt: „Following the switch to online and concerns about enrolment for the 2020-21 school year, some institutions have reported increases in their enrolment overall or in particular programs.“
Sie finden diese Meldung hier.
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Jill Lepore und ihre Kritik an der US-Hochschullandschaft
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Nach ihrem auch in Deutschland sehr gut rezipiertem Bestseller „These Truths: A History of the United States“ und „This America: The Case for the Nation” hat die Historikerin Jill Lepore (Harvard University) mit „If Then: How the Simulmatics Corporation Invented the Future“ ihr drittes, umfangreiches und viel Quellenmaterial nutzendes Buch innerhalb von gut zwei Jahren herausgegeben, was den Rezensenten ihres letzten Buchs in der New York Times zu einer Kritik der seiner Auffassung nach zahlreichen Flüchtigkeitsfehler veranlasst hat. Das Buch befasst sich entlang der nur kurzen Geschichte der Firma Simulmatics zu Beginn der 1960er Jahre mit der Rolle elektronischer Datenverarbeitung, Verhaltensforschung, Grundlagen psychologischer Kriegsführung und der Anwendung dieser Elemente bei Prognose und Steuerung von Gruppenverhalten. Wenngleich in der Praxis ein Flop, so habe das Unternehmen doch „the data-mad and near-totalitarian 21st century” vorweggenommen, was sich in der Besprechung wie folgt niederschlägt: „’Simulmatics failed,’ Lepore writes in her epilogue, ‘but not before its scientists built a very early version of the machine in which humanity would in the early 21st century find itself trapped, a machine that applies the science of psychological warfare to the affairs of ordinary life, a machine that manipulates opinion, exploits attention, commodifies information, divides voters, fractures communities, alienates individuals and undermines democracy.’ That Lepore overstates Simulmatics’ role in this tale does not make her ultimate conclusions any less true, or any less terrifying.”
Sie finden die Buchbesprechung hier.
Evan Goldstein spricht mit Lepore für einen Beitrag im Chronicle of Higher Education, der sich mit der in ihrem jüngstem Buch beschriebenen intellektuellen Werteverschiebung an Hochschulen im Allgemeinen und am Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Besonderen infolge des Kalten Krieges befasst. Die 1950er Jahre brachten neue Methoden und Werkzeuge zur Erforschung des Menschen, statt Dichtung, Kunst und Philosophie nun Zahlen, Schaubilder und Simulationen. Genährt von immensen Verteidigungsausgaben wuchsen an Hochschulen Einrichtungen wie das Center for the Advanced Study of Behavioral Sciences (Stanford). Zu den Größenordnungen der Pentagon-Mittel am MIT heißt es im Beitrag: „In 1968, for instance, $173.8 million of MIT’s $214-million budget came from the federal government, and of that, $111 million came from the Department of Defense.”
Das Mitte der 1980er Jahre gegründete MIT Media Lab habe dann in einem weiteren Schritt für die gesamte Hochschullandschaft die Grenzen zwischen Academia und Industrie verwischt: „Much of university life by the 2010s followed the model of the Media Lab, collapsing the boundaries between corporate commissions, academic inquiry, and hucksterism.”
Hätten sich in den 1960er Jahren die ethischen Konfliktlinien noch zwischen Militärforschung und „eigentlichen“ Hochschulaufgaben befunden, befänden sie sie mittlerweile entlang der Frage, wie Hochschulen mit privatwirtschaftlichen Forschungsmitteln und mit „Data Science“ umgehen sollten. Gefördert würde derzeit ja fast alles, was das Wort „Data“ im Antrag stehen hätte, und die talentiertesten Hirne würden sich derzeit vor allem Fragen widmen, wie sich Klick-Zahlen erhöhen ließen. Lepore schreibt: „A few years ago, Harvard gave an honorary degree to Mark Zuckerberg. This is a person whose company has all but destroyed journalism and utterly undermined our system of political representation. In whose name are we endorsing this stuff? I’m haunted by a former Facebook guy who said, ‘The best minds of my generation have been trying to convince people how to click on shit.’ I try to teach people history and literature. But at the end of the day, are we mainly producing people who go out into the world and try to convince people to click on shit?“
Sie finden den Beitrag hier.
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Bildung und Ausbildung: Zwei Aufgaben von Hochschulen
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Derzeit sind zwar in den kanadischen Provinzen Alberta und Ontario Corona-bedingt Pläne auf Eis gelegt worden, Hochschulen aus öffentlichen Mitteln nach einem Leistungsschlüssel zu fördern, doch prinzipiell ist diese Idee damit nicht vom Tisch. In einem Beitrag für den Calgary Herald spricht sich Marc Spooner, Professor of Education an der University of Regina, dafür aus, Universitäten anders zu beurteilen und zu finanzieren als nach rein utilitaristischen Gesichtspunkten. Er schreibt: „Universities must continue to be envisioned as more than entrepreneurial training centres to be rewarded for performing short-sighted corporate-styled research and worker development if we are to thrive in a future fuelled by citizens not only capable of meeting today’s needs but also capable of imagining and implementing a better tomorrow.”
Sie finden den Beitrag hier.
Auf der anderen Seite nutzen aber auch Universitäten in Kanada wachsende Bedarfe nach berufsbezogener Aus- und Fortbildung, um sich abseits traditioneller Studienangebote weitere Standbeine zu schaffen. So hat etwa das Centre for Continuing Education der McMaster University jetzt mit den National Institutes of Health Informatics (NIHI) versuchsweise ein Programm in Data Analytics aufgelegt, das zu kleinteiligen „micro-certification“ führen solle. In der Presseerklärung der Hochschule wird die Vizepräsidentin der NIHI mit den Worten zitiert: „Skills in data analytics are in high demand by employers today. We are excited to partner with McMaster Continuing Education to offer this new three-part program to address the fundamental skills and competencies for data analysis. The program is delivered in an online format, cognizant of the busy lives of adults. Those successful in completing the program will receive a digital badge that can be displayed electronically to employers, peers and others.”
Sie finden die Presserklärung hier.
Neben forschungsbezogenen Universitäten spielen in der terziären Bildungslandschaft Kanadas die Colleges eine besondere und eigenständige Rolle, der sich ein Beitrag Stacy Lee Kong auf MacLean’s widmet. Der Beitrag beschreibt, wie die über das ganze Land verteilten Colleges die jeweils lokalen Bedarfe abdeckten und wie eng sie mit den jeweiligen ökonomischen Umfeldern verwoben seien. Sie zitiert einen College-Präsidenten mit den Worten: „College is hard-wired to the community. We’re hand-in-glove with how things work in the economy and the social fabric of the community.”
Sie finden diesen Beitrag hier.
Ein dritter Hochschultyp in der kanadischen Landschaft sind die Polytechnic Institutes, die als technische und anwendungsorientierte Einrichtungen ebenfalls eine Affinität zu berufsbezogener Ausbildung haben. Die Saskatchewan Polytechnic hat jetzt eine School of Continuing Education gegründet und zitiert in der Presseerklärung die Hochschulpräsidentin mit den Worten: „The new school will also help businesses ensure their employees continue to have the skill sets they will need to stay competitive as their industries change due to new technologies, shifting demographics and other factors.”
Sie finden diese Presseerklärung hier.
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Inside Higher Education meldet die Absicht der Trump-Administration, Studierendenvisa nur noch für vier Jahre auszustellen und nicht mehr, wie bislang, „for the duration of status“, also, so lange die Studierenden eingeschrieben bleiben, und Verlängerungen nur auf Antrag zu gewähren. In der Meldung heißt es: „The fixed four-year term is notably shorter than the length of a typical Ph.D. program – and shorter than the time many students take to finish a baccalaureate program – meaning that if the proposed rule were to take effect as written, many students would need to apply for an extension of stay midprogram.”
Sie finden die Meldung hier.
CBC meldet einen Hacker-Angriff auf Daten der Simon Fraser University, bei dem wohl auf 250.000 Datenkonten zugegriffen worden sei, darunter Datensätze von 37.000 Studierenden, 35.000 Alumni und knapp 8.000 Hochschulmitarbeitenden. Es heißt weiter: About 160,000 were ‘lightweight’ accounts – ones with no email access – that include all other former SFU members, including former staff and students who didn’t graduate.”
Sie finden diese Meldung hier.
Statistics Canada meldet leicht steigende Studienkosten in Kanada und schreibt: „Nationally, students enrolled full-time in undergraduate programs will pay, on average, $6,610 in 2020/2021, up 1.8% from the previous year. The average cost for graduate programs rose by 1.6% to $7,304.” Studiengebühren für Undergraduates stiegen unterdurchschnittlich in der Provinz Ontario (+0.1%) und deutlich überdurchschnittlich in Saskatchewan (5.7%) und Alberta (7.1%). Zu den Studiengebühren für internationale Studierende heißt es: „The average tuition fees for international undergraduate students in Canada rose 7.1% to $32,041 in 2020/2021. This increase is in line with the increase in the 2019/2020 academic year (+7.6%), prior to the pandemic.”
Sie finden die Zahlen hier.
Ein weiterer Untersuchungsbericht von Statistics Canada weist aus, dass internationale Studierende in den Master’s-Programmen erfolgreicher seien als ihre kanadischen Mitstudierenden. Es heißt: „The researchers examined the graduation patterns of students who had enrolled in a master’s degree program in 2013 and found that 65% of the international students – compared to 58% of Canadian students – graduated within two years. Most international (87%) and Canadian (83%) students had graduated within four years. The study also found that enrolment in master’s degree programs are increasing year over year, especially among international students.”
Sie finden diese Zahlen hier.
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