24.08.2020
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Covid-19 und Hochschulen

  • „The absent student“: Der Economist wirft einen Blick auf die Coronakrise

  • Muss „social diversity“ ein Ziel für private Elitehochschulen sein?

  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,
 
in dieser Ausgabe befassen wir uns weiterhin mit Nachrichten im direkten Zusammenhang mit Covid-19 und mit einem Blick auf eine Titelgeschichte des Economist zu den Auswirkungen der Coronakrise auf die Hochschulen der „Anglosphere“. Wir werfen zudem einen Blick auf die Frage, wie hoch soziale Ausgewogenheit auf der Prioritätenliste privat finanzierter Forschungshochschulen angesiedelt sein müsse, und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Gesundheit, Geduld und Zuversicht.
 
Stefan Altevogt
Covid-19 und Hochschulen
Ein Beitrag in der New York Times schätzt die Zahl der Hochschulen, die derzeit zu mindestens teilweise Präsenzlehre anbieten würden, auf mehr als ein Drittel und beschreibt als größtes Problem für die Hochschulleitungen, dass Covid-19-angemessene Verhaltensregeln durch Studierende nicht in ausreichendem Umfang eingehalten werden würden. Es läge weniger nicht am Willen der Verantwortlichen als an Durchsetzungs- und Kontrollmöglichkeiten: „The limited openings (...) have come with strict rules: No parties. Mandated coronavirus tests or routine self-checks for symptoms. No setting foot into public spaces without masks. But early outbreaks at dozens of colleges have underscored the yawning gap between policy and enforcement – and the limitations of any college to control the behavior of young people who are paying for the privilege to attend classes.”

Sie finden den Beitrag hier.

Mit dem beginnenden Semester an den US-amerikanischen Hochschulen beginnen einem Beitrag im Chronicle of Higher Education zufolge auch die Schuldzuweisungen an Studierende, durch Studierenden-typisches, aber eben nicht Covid-19-angemessenes Verhalten zur Entstehung von Infektionsherden beizutragen. Als Beispiel wird eine inoffizielle „Semestereröffnungparty“ an Syracuse University und die Reaktion der Hochschulleitung darauf genannt: „First came the reprimand: More than 100 first-year students who had gathered in Syracuse University’s quad, many without masks, to mingle with new friends on a warm August night had been selfish and reckless. If the university were forced to retreat to an online semester, the blame was on the students, the vice chancellor wrote. Then, the sanctions dropped. Twenty-three students, many identified by security-camera footage, were issued interim suspensions for violating Covid-19 health and safety rules.”

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Ein Betrag auf Inside Higher Education fragt, ob „naming and shaming“ als Maßnahme gegen Pandemie-unangemessenes Verhalten bei Studierenden Wirkung zeigen könne, und kommt dabei auf das zugrundeliegende Problem zu sprechen, dass nämlich die Hochschulen selbst die Rückkehr zum „Normalbetrieb“ anstrebten und dabei unterschlagen würden, was alles zum Leben auf dem Campus gehöre. Der Beitrag zitiert eine Psychatrie-Professorin mit den Worten: „They [the students] didn’t open the campus. If you’re weighing the decision and you, as an administrator, decide it’s safe to open, you decided it was safe to open knowing the population that you serve and the risks that come with that.”

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Ein Beitrag der New York Times nennt einige jüngste Beispiele, aus denen klar ersichtlich sei, dass Hochschulverwaltungen bei Entscheidungen zur Öffnung der Campi das Verhalten von Studierenden falsch einschätzten und nach Auftreten von ersten Covid-19-Fällen zurückrudern mussten. Es heißt: „As college students return to U.S. campuses, some schools are already hastily rewriting their plans for the fall. The University of North Carolina at Chapel Hill, Michigan State and Drexel University will now hold most fall classes online, and Notre Dame and the University of Pittsburgh are among several that have abruptly suspended in-person classes for the coming weeks. Some of these schools have already had sizable coronavirus outbreaks. The New York Times has identified more than 17,000 cases at more than 650 American colleges and universities over the months.”

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Ein Beitrag auf Inside Higher Education ergänzt: „Hundreds of colleges have reversed or altered their reopening plans in the past several weeks after taking stock of COVID-19 testing availability, student and faculty safety concerns, state regulations and the worsening public health crisis. Through May, June and July, many colleges announced in-person reopening plans that included social distancing protocols, mask-wearing requirements, low-density living arrangements and regular testing for students and employees.”

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Ein weiterer Beitrag auf Inside Higher Education sieht die Hochschulleitungen in der Verantwortung für die abrupte Kehrtwende an den Einrichtungen, die eine Rückkehr zur „Normalität“ versucht hätten, und findet einen tieferliegenden Grund der Misere in der politischen Einflussnahme auf Hochschulen. Es heißt: „States like North Carolina and Georgia, have oversight boards larded with political hacks that treat their public institutions as playthings, starving them of the resources necessary to operate and threatening them with worse to come. The pressure from above to open is significant.”

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Kanada entwickele sich einem Op-ed im Guardian zufolge dank einer von den USA in ihren Ergebnissen deutlich verschiedenen Reaktion auf Covid-19 zu einem attraktiven Standort für internationale Studierende. Der Beitrag zitiert Einschätzungen von Sprachschulen, die auf ein internationales Studium in der „Anglosphere” vorbereiteten und schreibt: „Thanks to the country’s response to the COVID-19 pandemic, Canada is gaining a competitive edge among international students, write the leaders of several internationally-focused language schools, colleges, and universities in Canada. The authors describe how international students have played an increasingly significant role in the Canadian economy in recent years, and how the country’s success in flattening the curve will make Canada a better option for students to safely pursue higher education.”

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„The absent student“: Der Economist wirft einen Blick auf die Coronakrise
In seiner zweiten August-Ausgabe beleuchtet der Economist in der Titelgeschichte nicht nur das Gefährdungspotenzial der Coronakrise für die Hochschulen der „Anglosphere“ (USA, UK, Australien und mit Einschränkung auch Kanada und Neuseeland), sondern sieht die Krise auch als Chance zu einer nachhaltigen Veränderung einer Landschaft, die sich bislang nachhaltig gegen Veränderung gewehrt habe. Es heißt: „For many years government subsidies and booming demand have allowed universities to resist changes that could benefit both students and society. They may not be able to do so for much longer.” Dazu wäre das politische Klima in den USA mittlerweile zu ungünstig geworden, erkennbar an den 59% von Wählern der Republikaner, die eine negative Einstellung zu Hochschulen und Hochschulbildung hätten, und auch getrieben vom schwindenden ökonomischen Wert eines Hochschulabschlusses. Hierzu heißt es: „In Britain the Institute for Fiscal Studies (FIS) has calculated that a fifth of graduates would be better off if they had never gone to university. In America four in ten students still do not graduate six years after starting their degree – and, for those who do, the wage premium is shrinking.”
Die aktuelle Situation mache Hochschulen sehr viel abhängiger von öffentlichen Mitteln und die Vergabe dieser öffentlichen Mittel würde zunehmend an Erfolgskriterien geknüpft, Kriterien wie gute Lehre, gute Forschung oder Nutzen für die Gesellschaft. Die Einrichtungen, die diese Kriterien nicht oder nur schlecht erfüllten, sollten auch geschlossen werden: „The IFS reckons that 13 universities in Britain risk going bust.“ In der Krise läge aber auch die Chance, deutlich effizienter und innovativer zu werden und mehr auf hybride Unterrichtsformate zu setzen.
Der Beitrag schließt mit den Worten: „Universities are rightly proud of their centuries-old traditions, but their ancient pedigrees have too often been used as an excuse for resisting change. If covid-19 shakes them out of their complacency, some good may yet come from this disaster.”

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Muss „social diversity“ ein Ziel für private Elitehochschulen sein?
In der vergangenen Woche wurden die Urteile im „College Admission Scandal“ gegen die Schauspielerin Lori Loughlin und ihren Ehemann, Mossimo Giannulli, verkündet. Damit rückte (noch einmal) die Praxis der Vergabe von Studienplätzen an den selektivsten Hochschulen der USA in den Mittelpunkt des Medieninteresses.
Erst einmal ein Blick auf die vom Chronicle of Higher Education veröffentlichten Selektivitätszahlen des Studienjahrs 2018/19, nach denen im statistischen Durchschnitt an den gelisteten 207 öffentlich finanzierten Forschungshochschulen (Hochschulen mit Promotionsrecht) knapp 59% der Bewerberinnen und Bewerber auch einen Studienplatz bekamen, den dann aber – wegen der üblichen Mehrfachbewerbungen – nur knapp 30% antraten. International bekanntere „Öffentliche“ wie etwa die Standorte der University of California in Los Angeles und Berkeley haben mit 14% bzw. 14,8% deutlich geringere Zulassungsquoten, aber auch nicht die vielleicht vermutet hohen Antrittsquoten, sondern lediglich 39,1% bzw. 45,2%.
Private Forschungsuniversitäten – und um die ging es im „College Admission Scandal“ – zeigen andere Zahlen und eine noch viel zerklüftetere Landschaft mit moderaten Durchschnittszahlen wie der Zulassungsquote von 38,3% im Durchschnitt aller 172 betrachteten Einrichtungen und den spitzen Gipfeln, die in allen „Ansichtskarten“ der Landschaft immer wieder auftauchen: Stanford (4,4%), Harvard (4,7%), Princeton (5,5%), Columbia (5,9%) und Yale (6,3%). Wer dort zum Studium zugelassen wird, geht dann auch weit überwiegend dorthin (Stanford und Harvard haben Antrittsquoten von 81,9% bzw. 81,7%).
Ähnlich zerklüftet ist auch die Landschaft der privaten Colleges, die im Durchschnitt aller 352 betrachteten Einrichtungen mehr als die Hälfte (52,5%) der Bewerbungen positiv bescheiden, aber in den Spitzen deutlich selektiver sind, nämlich 7,6% beim Pomona College, 9,3% beim Claremont McKenna College, 9,5% beim Swarthmore College und 10,3% beim Bowdoin College. Die Antrittsquoten, im statistischen Mittel bei 20,8%, rangieren bei den Spitzeneinrichtungen um die 50% und es fällt ein Ausreißer auf: Das christliche College of the Ozarks hat bei einer Zulassungsquote von 11,5% eine erstaunliche Antrittsquote von 94,9%.

Sie finden die Zahlen hier.

Ein offeneres Bekenntnis zum Elite-Status einiger weniger privater Hochschulen in den USA fordert ein Beitrag im Chronicle of Higher Education und argumentiert, dass es nicht die zentrale Aufgabe der privat finanzierten Einrichtungen im Höhenkamm der Landschaft sein könne und dürfe, für soziale Mobilität zu sorgen. Es heißt: „Private research universities are elite institutions, and they shouldn’t pretend otherwise.”
Gemeinsam mit der Leistungsspitze der öffentlich finanzierten Einrichtungen des Landes bildeten sie ein System, das international seinesgleichen suche, und es komme beiden Teilen eine jeweils spezifische Aufgabe zu, die seitens der privat finanzierten Einrichtungen nur unter weitgehendem Ausschluss sozialer Mobilitätsansprüche erfüllt werden könne. Es heißt: „A central asset of private research universities is their small group of academically and socially elite undergraduate students. The academic skill of these students is an important draw for faculty, but their current and future wealth is particularly important for the institution. From a democratic perspective, this wealth is a negative. The student body’s heavy skew toward the top of the income scale is a sign of how these universities are not only failing to provide much social mobility but are in fact actively engaged in preserving social advantage. We need to be honest about this issue.“

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Kurznachrichten
Inside Higher Education meldet eine Kontroverse bei der Nachbesetzung des Chancellor-Postens für das State University of New York (SUNY) System, dem mit 486.000 Studierenden an 64 Standorten größten Hochschulsystems der USA, nachdem im Juni die bisherige Kanzlerin, Kristina Johnson ihren Rücktritt erklärt habe, um Anfang September Präsidentin der Ohio State University zu werden. Der Gouverneur des Staates New York, Andrew Cuomo, wolle mit Jim Malatras einen seiner Berater und derzeitigem Präsidenten des SUNY Empire State College auf den Posten setzen, während sich Fakultätsmitglieder für ein transparentes und landesweit durchgeführtes Rekrutierungsverfahren aussprechen würden. Es heißt: „The SUNY Faculty Council of Community Colleges and the SUNY Faculty Senate – representing all of the system's community colleges, medical centers, four-year colleges and technical colleges – published a joint statement criticizing the board’s abandonment of a national search and encouraging a more transparent selection process.”

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Der Chronicle of Higher Education widmet sich dem jüngsten Bericht der National Association for College Admission Counseling (NACAC) zur Frage, welche Rolle die beiden Zulassungstests SAT und ACT noch spielen sollen, und schreibt: „Colleges should scrutinize their standardized-testing requirements and determine whether those policies serve the public good. They should regularly assess the extent to which ACT and SAT scores help predict student outcomes and publicly share the results.”

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In einem Beitrag für den Chronicle of Higher Education beklagt Aurélie Vialette, Professorin für Hispanic Languages and Literature an Stony Brook University, eine an vielen US-Hochschulen vorherrschende familien- und damit frauenfeindliche Politik. Sie schreibt: „Many universities in the United States do not provide maternity leave. It is a broad phenomenon, and higher-education leaders have consistently failed to tackle the issue. According to a 2018 study of 205 research universities in the U.S. and Canada, ‘about 60 percent of institutions have some form of paid parental leave’ – meaning 40 percent do not! And yes, there is such a thing as the ‘baby penalty’ for female academics, and it is more significant when race and gender intersect.”

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