Ausgabe ___ | March 29 2017
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Covid-19 und Hochschulen
  • Finanzielle „Gesundheit” von Hochschulen in den USA
  • Öffentliche Hochschulen in den USA mit immer weniger öffentlicher Finanzierung
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,
 
in dieser Ausgabe befassen wir uns weiterhin mit Nachrichten im direkten Kontext von Covid-19 und mit Prognosen zur Entwicklung verschiedener, für die finanzielle „Gesundheit” der Hochschulen grundlegender Faktoren. Wir werfen zudem einen Blick auf die Folgen des erwarteten Einbruchs bundesstaatlicher Steuereinnahmen auf die Finanzierung öffentlicher Hochschulen und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten.
 
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und in diesen Wochen zudem Gesundheit, Geduld und Zuversicht.
 
Stefan Altevogt
Covid-19 und Hochschulen
Inside Higher Education bietet laufend aktualisierte Meldungen aus der US-amerikanischen Hochschullandschaft mit Bezug zu Covid-19. In dieser Woche dominieren erwartungsgemäß Angaben einzelner Hochschulen zu ihren jeweiligen Plänen für den kommenden Herbst, vereinzelte Ankündigungen, dass die Einrichtung geschlossen werden müsste, sollte im Herbst kein Normalbetrieb mit normalen Einnahmen aus Studiengebühren möglich sein, und auch vereinzelte Erklärungen akuter finanzieller Notlagen.
Ein vergleichsweise erfreuliches Bild gäbe dagegen die Stimmung unter „hochschulreifen“ Oberschülern ab, wie sie zuletzt in Umfrageergebnissen des Studiendarlehensgebers Sallie Mae zu erkennen gewesen sei. Hier meldet der Ticker: „An April survey of high school juniors and seniors, as well as their parents, found that 79 percent are still planning to attend college, an increase of four percentage points compared to a January version of the survey.“ Fast 90% der Befragten seien sich nach wie vor sicher, dass College eine gute Investition in die Zukunft sei, 70% würden dafür finanzielle Belastungen auf sich nehmen. Auf der anderen Seite fürchteten immerhin schon 30% der Befragten, dass die finanziellen Belastungen durch Covid-19 auf die Ersparnisse für den Hochschulbesuch durchschlagen könnten, und ebenfalls 30% fürchteten, dass der Verlust eines elterlichen Arbeitsplatzes im Zuge von Covid-19 zu Problemen bei der Finanzierung des Hochschulbesuchs führen könne.
In einem in Deutschland nicht gekannten Umfang planten US-amerikanische Familien die Finanzierung des Hochschulbesuchs ihrer Sprösslinge und durch Covid-19 habe diese Disziplin noch einmal Aufwind bekommen: „The survey found that a growing number of students and families have a plan to pay for higher education – 67 percent said so in April, compared to 61 percent in January. And 56 percent of families have savings set aside for postsecondary education, an increase of five percentage points compared to the January results.“
Mit der Krise sei schließlich auch die Bereitschaft von 49% der Befragten im Januar auf 57% im April gewachsen, Teile der Hochschulbildung online zu absolvieren, wobei 80% der Befragten dann aber auch sagten, Online-Kurse müssten deutlich günstiger angeboten werden als traditioneller Unterricht.

Sie finden den Ticker hier.

Die kanadische CBC meldet, dass internationale Studierende in Kanada durch die Ritzen staatlicher Förderprogramme zu Linderung der Auswirkungen von Covid-19 auf Studierende zu fallen drohten und zum Teil von den gastgebenden Hochschulen aufgefangen werden müssten. Die Meldung zitiert den Direktor für International Student Services an der University of Prince Edward Island, der berichte, dass sich dort 200 internationale Studierende um die Aufnahme in die Förderung aus einem mit Can$ 70.000 ausgestatteten Programm „Student Adversity Awards“ beworben hätten.

Sie finden die Meldung hier.

Die University of Winnipeg meldet die Einrichtung eines virtuellen Mentorship-Programms zur Betreuung künftiger internationaler Studierender, das vor allem dazu gedacht sei, an einem Studium in Kanada interessierte Menschen hinsichtlich der sich derzeit rasch ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen für internationale Studierende auf dem Laufenden zu halten. Die Koordinatorin des Programms, Iresha Hewa Wellalage, wird dazu mit den Worten zitiert: „Immigration, Refugees, and Citizenship Canada is making changes on almost a weekly basis, and we must update students with changing rules and regulations related to working in Canada, travel, and study permits.“

Sie finden diese Meldung hier.

Colleen Flaherty fragt in einem Beitrag auf Inside Higher Education, ob sich bei einer Wiederaufnahme des Normalbetriebs an den Hochschulen auch alle Fakultätsmitglieder einer dann vermutlich noch erhöhten Ansteckungsgefahr aussetzen wollten, zumal viele Lehrende größere Risiken eines schweren Verlaufs von Covid-19 trügen. Ein Berufsverband, die American Association of University Professors (AAUP), habe bislang noch kaum auf diesbezügliche Anfragen reagieren müssen, gehe aber nach wie vor von außergewöhnlichen Umständen auch im Herbst aus und entsprechend von der Gültigkeit ihrer Leitlinien zur Arbeit während der Pandemie, die sich in derartigen Fragen nach wie vor das Mitbestimmungsrecht der Fakultäten bei den Entscheidungen der Hochschulen vorbehielten. Der Beitrag zitiert als Illustration der Stimmung in den Fakultäten eine Professorin mit den Worten: „I don’t want to think about face-to-face teaching the hordes of students I usually teach until there is a vaccine.”

Sie finden den Beitrag hier.
Sie finden die AAUP-Leitlinien hier.
Finanzielle „Gesundheit” von Hochschulen in den USA
Ein Beitrag wirft auf Inside Higher Education einen Blick auf die Entwicklung der „Marktmacht“ von Hochschulen bei der Festsetzung von Studiengebühren und schreibt: „The second economic crisis in a dozen years could take a bite out of colleges' ability to set prices, but pressures were mounting long before the coronavirus arrived.“
Während die Corona-Krise als ein vorrübergehendes Gesundheitsproblem angesehen werden könne, nach dessen Lösung die Studierenden wie früher an die Hochschulen strömten, habe sich über Jahre hinweg bereits Druck auf die Studienkosten aufgebaut (vermutlich auch, weil sie deutlich über der allgemeinen Inflationsrate gestiegen waren). Es werde aber künftig aus verschiedenen Gründen immer weniger Kinder aus einkommensstarken Familien geben, von denen man Studiengebühren in gewohnten Umfang einfordern können, und jüngst veränderte Wettbewerbsrichtlinien für Hochschulen (im Code of Ethics der Admission Counselors, wir berichteten) würden weiteren Druck auf die Preise ausüben.
Dieser Druck zeige nun erste Auswirkungen: „Last week, the pricing pressures burst into full view as several colleges and universities across the country announced actions ranging from tuition freezes to steep cuts to options allowing students to defer tuition payments until well after the fall semester.” Als Beispiele solcher „steep cuts” werden das College of William & Mary und die Kansas City University genannt, wo man Abstand von einer zunächst noch geplanten Erhöhung der Studiengebühren um 3% genommen habe.

Sie finden den Beitrag hier.

Ein Beitrag in der New York Times befasst sich mit den offensichtlichen Gründen von Hochschulen, eigentlich für Lernerfahrungen auf College-Campi gezahlte Studiengebühren für das komplett ins Internet verlegte Spring Semester nicht zurückzuerstatten, und mutmaßt, dass dies zu einer Welle von für die Hochschulen vermutlich kostspieligen Klagen führen könne. Es heißt: „Administrators and professors from Northern Arizona University to the Ivy League have acknowledged the deficiencies. Class-action lawyers have noticed too, and they’ve filed suit against a range of name-brand institutions and are actively seeking additional plaintiffs.“
Wenn so eine Prozesswelle – und die Argumente hinsichtlich der genannten „deficiencies“ drängten sich förmlich auf – auf die Hochschulen zurolle, dann müsse man sich dort durchaus Gedanken machen, wie ggf. Schadensersatz gezahlt werden könne. Einschnitte in das Leistungsangebot oder Plünderung der Hochschulvermögen seien da keine gute Idee, denn sie gefährdeten die Zukunft dessen, für das gegenwärtig noch hohe Studiengebühren gezahlt würde.
Trost spendet der Beitrag mit Blick auf die Trägheit des Systems: „Any class-action legal victory is a long-shot and would take a while, anyway.“ Den Studierenden rät der Beitrag, sich ein wenig mehr ihrer gestiegenen Macht bewusst zu werden und nach besseren finanziellen Bedingungen zu fragen. Zu den Folgen heißt es: „Some schools are already nervous about getting students in the door if they say no to further discounts.“

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George R. La Noue, Politikwissenschaftler an der University of Maryland Baltimore County, wirbt auf Inside Higher Education für den Gedanken, nicht nur die Sportstätten als die größten derzeit und womöglich auch längerfristig brachliegenden Einrichtungen auf den Campi des Landes anderen Verwendungszwecken zuzuführen, sondern auch nicht mehr in gewohntem Umfang genutzte Wohnheime. Er schreibt: „In the short term, it is hard to see an alternative use for the largest buildings on many campuses, the cavernous football stadiums or basketball and hockey arenas. (…) On residential campuses, lower enrollment will mean some empty dormitories. Simply turning off the heat, utilities and water is not civically acceptable. In an environment where many families will no longer be able to pay mortgages or afford rents, it would be irresponsible to let campus housing stay empty. (…) Higher education will make new friends and long-term supporters if it shows it can be responsive to the crisis in a nonpartisan pragmatic repurposing of some of its facilities.“

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Öffentliche Hochschulen in den USA mit immer weniger öffentlicher Finanzierung
Ein Beitrag in der New York Times nimmt die Schätzungen von Moody’s Analytics, wonach die Einnahmen der Bundesstaaten im kommenden Fiskaljahr (ab Oktober 2020) um bis zu 40% einbrechen werden, zum Anlass, nach der Rolle der Bundesstaaten bei der Finanzierung öffentlicher Hochschulen zu fragen. Sollte sich die Geschichte wiederholen, so würden die „Öffentlichen” ihre Studiengebühren weiter anheben müssen und damit die Verschuldung von Studierenden und Absolventen weiter verschärfen, oder sie müssten ihre Leistungen einschränken. Dabei seien die Folgen der vorigen Krise, nämlich die von 2008, noch gar nicht richtig wieder behoben und die öffentlichen Ausgaben pro Studierendem und Jahr rangierten zwischen im Durchschnitt landesweit bei $8.600, $4,600 in Pennsylvania, $6.000 in Alabama, $11.400 in Kalifornien und $11.800 New York. Es heißt: „By 2013, state spending on higher education was still down almost 22 percent from the pre-recession peak, adjusted for inflation. Tuition had increased by 27 percent.” Die Prognosen für die Hochschulen in der gegenwärtigen Krise seien nicht sehr gut, denn die Gesetzgeber in den zu ausgeglichenen Budgets verpflichteten Bundesstaaten wüssten nur zu gut, dass Hochschulen an der Schraube der Studiengebühren drehen könnten und würden, bzw. sie würden statt der „Landeskinder” vermehrt deutlich höhere Studiengebühren zahlende Out-of-State Students und Internationale anwerben. Eine solche Option hätte man in anderen öffentlich finanzierten Bereichen wie etwa Schulen oder Gefängnissen nicht.
Die Privatisierung der „Öffentlichen” wird am Beispiel des Bundesstaats Alabama verdeutlicht, wo es in den vergangenen Jahren eine drastische Verschiebung gegeben habe. Es heißt: „If Alabama makes similar [to those in 2008] cuts next year and tuition rises once again, the state’s ratio of student tuition to public funding will have gone from 2:3 in 2008 – two dollars of student tuition for every three dollars of public funding – to 7:1, or seven dollars of student tuition for every one dollar of public funding. In other words, the privatization of a public university system in a single generation.”

Sie finden den Beitrag hier
Sie finden den Bericht über die erwartete Entwicklung der bundesstaatlichen Budgets hier.
Kurznachrichten
In einem Beitrag für den Chronicle of Higher Education versucht sich Goldie Blumenstyk an der Lösung des Problems, dass die derzeit wegen Covid-19 weitgehend improvisierten Lehr- und Lernmethoden die Kluft der Bildungschancen in Abhängigkeit von sozialer Position noch vergrößere. Sie schlägt die Einrichtung eines nationalen Tutoren-Dienstes vor, der zwei Probleme auf einen Schlag lösen könne: „Could that be the ‘win-win’ solution to unemployment hardships facing graduates and pandemic-related gaps in children’s educational progress, especially those from low-income families?”

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Eine ähnliche, allerdings deutlich weiter gefasste Ansicht vertritt auch David Brooks in der New York Times, der in einem Plädoyer für die Einrichtung eines nationalen Zivildienstes schreibt: There is now a vast army of young people ready and yearning to serve their country. There are college graduates emerging into a workplace that has few jobs for them. There are more high school graduates who suddenly can’t afford college. There are college students who don’t want to return to a college experience. This is a passionate, idealistic generation that sees the emergency, wants to serve those around them and groans to live up to this moment. Suddenly there is a wealth of work for them to do: contact tracing, sanitizing public places, bringing food to the hungry, supporting the elderly, taking temperatures at public gathering spots, supporting local government agencies, tutoring elementary school students so they can make up for lost time.”

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Eine Personalberatungsfirma erinnert auf Inside Higher Education daran, dass auch in Krisenzeiten vakante Führungspositionen an Hochschulen möglichst optimal besetzt werden müssten, obgleich das derzeitige Fehlen von persönlichen Vorstellungsrunden das Risiko von Rekrutierungsfehlern erheblich gesteigert habe. Dennoch: „Delaying a search has some downsides, including the risk that it will place an additional burden on the existing senior team. (...) There is also the possibility that another institution might scoop up a best-fit candidate for your college or university. Thus, for some colleges and universities, the importance of proceeding with the search – including meeting with the candidates and conducting interviews and stakeholder meetings – outweighs the risks.”

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In einem Beitrag für die New York Times fragen Tristan Ahtone und Robert Lee „Who Paid for America’s Universities“ und machen (zum wiederholten Male) darauf aufmerksam, dass die Landschenkungen des Land-Grant College Act of 1862 (Morrill Act) als finanzielles Fundament öffentlicher Hochschulen in den USA auf der weitgehend entschädigungslosen und erzwungenen Enteignung amerikanischer Ureinwohner beruhen. Zur Größenordnung des Unrechts heißt es: „The act redistributed nearly 11 million acres, which is almost the size of Denmark. The grants came from more than 160 violence-backed land cessions made by close to 250 tribal nations. When adjusted for inflation, the windfall netted 52 universities roughly half a billion dollars.“

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Kathleen Bortolin vom Teaching and Learning Center an der Vancouver Island University unterhält eine Webseite, auf der sie den dramatisch gestiegenen Bedarf an ihren Beratungskapazitäten erläutert. Menschen, die bislang gedacht hätten, sie bräuchten allenfalls ein wenig technische Hilfe, um ihren jeweiligen Unterricht online ebenso erfolgreich zu machen, wie er es traditionell gewesen sei, würden sich jetzt hilfesuchend an Einrichtungen wie dem Teaching and Learning Center wenden. Sie schreibt: „Since the COVID crisis, ed devs [der Berufsstand der educational developers] across the country, and really, the western world, have finally had the chance to prove that we do a whole lot more than just help faculty turn on their computers.”
 
Sie finden die Webseite hier.