Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
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Die Themen dieser Woche:
- Zehn Hochschulthemen für die 2020er Jahre
- Die US-amerikanische Bildungslandschaft zwischen Ambition und Realität
- Hochschulbildung als Leiter sozialen Aufstiegs
- Kurznachrichten
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Liebe Leserinnen und Leser,
in der ersten Ausgabe 2020 befassen wir uns mit einer Prognose zu zehn Themen, die in dieser Dekade für die Hochschulen der USA relevant sein werden, und mit dem deutlichen Auseinanderklaffen von Ambitionen in der US-amerikanischen Bildungslandschaft und der Realität. Wir werfen zudem einen Blick auf die Fehlstellen in der Funktion von Hochschulbildung als Leiter sozialen Aufstiegs und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten der Woche.
Ich wünsche Ihnen ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2020 und eine interessante Lektüre.
Stefan Altevogt
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Zehn Hochschulthemen für die 2020er Jahre
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In einem Beitrag auf Inside Higher Education prognostiziert John Kroger die zehn wichtigsten Themen für die US-Hochschullandschaft in den 2020er Jahren. Kroger war zwischen 2012 und 2018 Präsident des Reed College in Portland, Oregon und zuvor Bundesanwalt, Generalstaatsanwalt in Oregon und Berater von Präsident Clinton.
Auf Platz eins seiner Prognosen landet der seiner Meinung nach noch weiter wachsende ökonomische Druck auf kleinere Hochschulen in ländlichen Gegenden, bei denen er in wenigstens 100 Fällen die Schließung in den kommenden zehn Jahren befürchtet. Es seien vor allem Colleges, die weder über einen interessanten Standort, noch über ein nennenswertes Stiftungsvermögen oder eine attraktive „Marke” verfügten.
Auf Rang zwei landet die Entwicklung im Hochschulsport, einem in Deutschland noch weitgehend übersehenen Aspekt in der US-amerikanischen Hochschullandschaft. Deren angesichts der Milliardenumsätze bereits seit Jahren immer fragwürdiger gewordenen Prämisse vom Amateurstatus der Athleten im Spitzensegment würde in den kommenden Jahren aufgegeben werden. Infolge dieser Entwicklung würden sich etwa 45 Hochschulen einen dann in allen Bereichen offen professionell betriebenen Markt aufteilen, der Rest der Hochschullandschaft würde Amateursport ohne größeren ökonomischen Impact praktizieren und die bislang noch fast 350 Teams umfassende Division I der National Collegiate Athletic Association (NCAA) würde implodieren.
Erst auf Rang drei kommt die Debatte über die Finanzierungsfrage von Hochschulbildung angesichts der jahrelang deutlich über der allgemeinen Inflationsrate gestiegenen Kosten terziärer Bildung. Sie werde sich auf die Frage zuspitzen, ob Hochschulbildung eine öffentliche Aufgabe sei oder eine private. Es werde auf diese Frage vermutlich keine eindeutige Antwort geben, sondern – wie bislang auch – weiterhin verschiedene Antworten. Auf Bundesebene werde man die Pell Grants (eine Art Bafög) ausweiten, zahlreiche Bundesstaaten würden Community Colleges von Studiengebühren befreien, doch an einem Grundproblem würde sich voraussichtlich nichts ändern:
„
A college education will remain increasingly unaffordable, leaving many more students opting for technical training instead.”
Die Krise der Geisteswissenschaften an den Hochschulen werde sich weiter verschärfen, denn die Argumentation zum Mehrwert einer generellen Bildung gegenüber einer spezielleren, eher beruflich ausgerichteten Ausbildung fände immer weniger Widerhall und sie fände ihn überwiegend in den sozial stärkeren Schichten, in denen man ohnehin „bereits katholisch” sei.
Die Steuerungs- und Regulierungsmechanismen der Akkreditierung würden in den kommenden zehn Jahren entstaubt und von bürokratischem Ballast befreit werden und würden so wieder zu einem Instrument der Leistungskontrolle in der Hochschullandschaft werden.
Auf Rang sechs folgt dann das Thema „Disruption”, das in den beiden vergangenen Jahrzehnten häufig an erster Stelle genannt worden sei, nämlich der Glaube bzw. die Befürchtung, dass technologische Entwicklung auch Hochschulbildung revolutionieren würde. Die bislang geführte Diskussion um „Disruption” basiere allerdings auf einem weit verbreiteten Missverständnis: „Technology does not disrupt industries – more agile and sophisticated companies do.” Und da stünden einige Firmen jetzt in den Startlöchern und sie seien genügend frustriert über den derzeitigen Stand des Bildungssektors, sich hier auch wirklich „disruptiv” zu engagieren: „Expect companies like IBM, Microsoft, Facebook and Google to enter the K-12 and higher education space not just as software providers, but as education providers with their own suites of learning management software, courses and credentials. The tech companies will enter the space as part of their competition for mind share, but the end result will be to push aside many traditional higher education providers.”
Zum Thema „Tenure Crisis” beschreibt Kroger eine Landschaft, in der nur noch 25% aller Fakultätsmitglieder entfristet bzw. auf dem Weg zur Entfristung seien und 75% als Lehrbeauftragte das akademische Prekariat bildeten. Die Krise werde in den kommenden Jahren überkochen und wahrscheinlich werde als Kompromiss aus dem derzeitigen Antagonismus Tenure-Adjunct ein neues Beschäftigungsmodell mit weniger Spannungen entwickelt werden. Das könne wie folgt aussehen: „Faculty will not have tenure, but fixed-period contracts with contractual guarantees of academic freedom and bonuses for high teaching performance evaluations and outstanding research outcomes. Compensation will fall in the middle of the current spectrum, lower than current tenure-track salaries, but much higher than what adjuncts are currently paid, with benefits the norm.”
Mit einer fortschreitenden Stratifizierung der Hochschullandschaft werde die Entwicklung wieder auf einen Stand zurückfallen, den man nach dem Zweiten Weltkrieg dank der „Demokratisierung” der Hochschulbildung durch die GI Bill überwunden zu haben glaubte. Er schreibt: „Private elite colleges and universities will revert to their role (...) propping up wealth and privilege, and that will be increasingly acceptable to wealthy families familiar with the model from private K-12 education.”
Die steigenden Kosten für Forschung an Hochschulen werde zu vermehrter Acquise von Drittmitteln aus der Privatwirtschaft führen, was die Gewichtung akademischer Forschung von den Grundlagen hin zur Anwendung verschieben würde.
Schließlich und aus internationaler Sicht eine sicherlich gute Nachricht würde die geringer werdende Erschwinglichkeit von Hochschulbildung in den USA zu einer verstärkten Suche US-amerikanischer Oberschulabsolventen nach kostengünstigeren Bildungsmöglichkeiten im Ausland führen. Er schreibt zu einem Nebeneffekt dieser Entwicklung: „Though this will hurt U.S. institutions, it will produce a more geopolitically aware American population.”
Sie finden den Beitrag
hier.
Zahlen zu Einkommen von Fakultätsmitgliedern an US-amerikanischen Hochschulen finden Sie wie gewohnt
hier.
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Die US-amerikanische Bildungslandschaft zwischen Ambition und Realität
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Unter der Überschrift „Happy New Year, Higher Ed: You’ve Missed Your Completion Goal” beschreibt Eric Kelderman im Chronicle of Higher Education das Delta zwischen Ambitionen und Realität in der US-amerikanischen Bildungslandschaft und stellt als den jüngsten Ausdruck der Ambitionen, den 2009 von Präsident Barack Obama in seiner ersten Rede vor dem Kongress formulierten bildungspolitischen „Moonshot” vor, die USA bis 2020 zum Land mit der weltweit höchsten Partizipationsrate in terziärer Bildung zu machen. Das Jahr 2020 habe nun begonnen und die USA seien noch weit von ihren selbstgesetzten Bildungszielen entfernt (man läge derzeit im weltweiten Vergleich auf Rang 12), trotz der seinerzeit von Obama wohlformulierten Einsicht: „In a global economy where the most valuable skill you can sell is your knowledge, a good education is no longer just a pathway to opportunity – it is a prerequisite.”
Die sich in den Zahlen des National Center for Education Statistics niederschlagende Wirklichkeit sähe deutlich anders aus: An vierjährigen Hochschulen läge die „Completion Rate”, also der Anteil der vollzeitig eingeschriebenen Studierenden mit einem Abschluss innerhalb von 150% der Regelstudienzeit, bei unter 60%, an Community Colleges gar bei nur 30%. Die Obama-Administration habe dies erkannt gehabt und mit der American Graduation Initiative Bundesmittel in der Größenordnung von $12 Mrd. in die Hand nehmen wollen, um vor allem auf der Ebene von Community Colleges Zugang und Erschwinglichkeit zu erleichtern und bis 2020 hier 5 Mio. mehr Absolventen zu bekommen.
Die Mittel seien nicht geflossen, jedenfalls bei Weitem nicht in der Größenordnung, denn gegenüber dem akkuten Handlungsbedarf infolge von Finanz- und Wirtschaftskrise und den noch deutlich ambitionierteren Zielen einer Reform des Gesundheitswesens habe die American Graduation Initiative dann doch eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Statt $15 Mrd. in die Community Colleges des Landes zu investieren, habe man dem Labor Department Mittel für verschiedene Arbeitsmarktsinitiativen gegeben.
Ohne Mittel in ausreichendem Umfang seien andere, weniger teure Handlungsschwerpunkte identifiziert worden, etwa, die Hochschulen stärker zeigen zu lassen, dass sie mit den ihnen anvertrauten Bundesmitteln und mit den Studierenden verantwortlich, effektiv und effizient umgingen. Dieser „Accountability”-Schwerpunkt habe verschiedene Seiten gehabt, angefangen von der sehr viel strengeren Kontrolle gewinnorientierter Bildungsanbieter, über die College Scorecards des Bildungsministeriums bis hin zu Versuchen, über Akkreditierung den Leistungsdruck auf die vielen schlechteren Hochschulen des Landes zu erhöhen. Ob man hier das Maximum habe erreichen können, stellt der Beitrag allerdings aus zwei Gründen in Frage: „Colleges and accreditors pushed back against some of the accountability measures. But the administration could have asked for much more, said Amy Laitinen, who was a policy adviser to the Obama administration beginning in 2009.”
Und selbst die sicherlich nennenswerten Initiativen privater Stiftungen, allen voran die der Lumina Foundation, hätten an der Tatsache nichts ändern können, dass zwar in absoluten Zahlen die USA Fortschritte hinsichtlich der Hochschulpartizipation machten, im OECD-Vergleich aber an Boden verlieren würden. Es heißt: „The proportion of Americans with any postsecondary credential increased by 10 percentage points from 2008 to 2017, to nearly 48 percent, according to the Lumina Foundation. But the biggest increase, more than five percentage points, occurred when those figures began to include work-force certificates that require less than an associate degree.Nonetheless, the United States has made no ground on its international competitors. In South Korea, for example, 70 percent of people aged 25 to 34 have a postsecondary credential, according to figures from the Organization for Economic Cooperation and Development. That includes more than 20 percent of students who have earned a credential equivalent to an associate degree or less. In Canada and Japan, overall attainment is about 60 percent, and also includes at least 20 percent with less than a bachelor’s degree. In the United States, about 15 percent have either an associate degree or a work-force certificate, according to Lumina.”
Sie finden den Beitrag
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Sie finden die Skizze der American Graduate Initiative
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Hochschulbildung als Leiter sozialen Aufstiegs
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In einem Beitrag für den Chronicle of Higher Education wirft Karin Fischer (sie schreibt ansonsten über internationale Themen) einen Blick auf die Geschichte von Hochschulbildung als Motor sozialer Mobilität in den USA seit dem Zweiten Weltkrieg und konzentriert sich dabei auf die mittlerweile vor allem im unteren Bereich „morsch” gewordenen Sprossen der Aufstiegsleiter. Sie zitiert eine Vertreterin der Lumina Foundation mit den Worten: „The only thing that mitigates intergenerational poverty is higher education. But you have to get it.” In den untersten Einkommensschichten sei genau dies ein zentrales Problem, denn weniger als 15% der Kinder aus den geringstverdienenden 20% der Bevölkerung hätten nach Zahlen des Bildungsministeriums mit 24 Jahren wenigstens einen Bachelor-Abschluss. Während der Anteil des hochschulgebildeten Teils der Bevölkerung in den mittleren und höheren Einkommensschichten in den vergangenen 50 Jahren deutlich gestiegen sei, hätte es im unteren Segment der Einkommensverteilung kaum Bewegung gegeben. Das Ergebnis sei gerade dort entmutigend: „A child born into poverty has less than a 10-percent chance of becoming an affluent adult.”
Warum es trotz vieler guter Vorsätze so weit habe kommen können, führt der Beitrag auf drei zentrale „Barriers to Mobility” zurück, nämlich fehlende Erschwinglichkeit des Studiums, starke Stratifizierung der Hochschullandschaft und den mangelnden Willen der besseren Colleges, den Anteil von Studierenden aus geringer verdienenden Familien in ihren Studierendenkohorten signifikant zu erhöhen. Ja, es gäbe Beispiele von Erfolg, Rezepte, wie man das Versprechen sozialen Aufstiegs durch Bildung besser einlösen könne, doch seien oft erhebliche Investitionen nötig oder man greife Besitzstände an, etwa durch eine Verknüpfung des Gemeinnützigkeitsstatus von Hochschulen mit dem Anteil von Kindern aus einkommensschwachen Familien, den die jeweiligen Einrichtungen erfolgreich ausbildeten. Es gäbe keine Patentlösung, vielmehr zahlreiche Ideen, die Funktion von Hochschulen als Motoren sozialer Mobilität zu verbessern, zumal kein Weg daran vorbei führe: „Colleges may be an imperfect vehicle for ending inequality, a flawed agent of social mobility, a shaky ladder to the middle class. But it’s the one we’ve got. If we – colleges, elected officials, the public as a whole – become more serious about the need for equal access to opportunity, the country could get closer to fulfilling the promise it made decades ago.”
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Inside Higher Education befasst sich mit dem „Elefanten” im Diskussionsraum internationaler Studierendenmobilität und beschreibt unter der Überschrift „International Education in an Era of Climate Change” die Aktivitäten des Climate Action Network for International Educators mit den Worten: „The network is trying to bring renewed attention to the emissions generated by air travel associated with student mobility and to call for increased action. No one is calling for ending study abroad or other education-related travel. But some are calling for more thoughtfulness on this subject, and for environmental considerations to be weighed alongside other factors.”
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Die New York Times meldet die Entlassung eines Professors durch das Babson College in Massachusetts, nachdem er sich auf Twitter in den schwelenden Konflikt zwischen den USA und Iran mit der Empfehlung eingemischt habe, im Gegenzug zu der von Präsident Trump angedrohten Bombardierung von kulturell wertvollen Stätten im Iran auch Stätten anzugreifen, die den US-Amerikanern „heilig” seien, Stätten wie die Mall of America in Minnesota oder eines der Wohnhäuser der Kardashians. Weder habe man am Babson College den freilich fragwürdigen Humor im Beitrag des Professors erkennen wollen, noch sein verfassungsmäßiges Recht auf Meinungsfreiheit. Er wird mit den Worten zitiert: „I would have hoped that Babson, an institution of higher education that I love and to which I have given a great deal, would have defended and supported my right to free speech. Beyond my own situation, I am really concerned about what this portends for our ability as Americans to engage in political discourse without presuming the worst about each other.” Es heißt weiter: „Babson declined to comment on Saturday.”
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Inside Higher Education zitiert eine Presseveröffentlichung der Springer Nature Group zu einem sog. „Open Access”-Abkommen zwischen dem Verleger und einem Konsortium von mehr als 700 Nutzern der Produkte des Verlegers und schreibt: „The so-called read-and-publish agreement will enable authors affiliated with more than 700 German institutions to make their work immediately accessible to the public for a fee of 2,750 euros ($3,050) per article. The agreement is expected to result in the publication of more than 13,000 open-access articles a year from authors in Germany. Springer described the deal as the ‘largest of its kind’ in a news release.”
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Redaktion:
Benedikt Brisch, Stefan Altevogt, Casey Detrow
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