Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
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Die Themen dieser Woche:
- Impfpflicht für Studierende? Wie es im Herbst weitergehen soll
- US Higher Education als Glaubensfrage
- Warum haben Hochschulen „Diversity Plans“?
- Kurznachrichten
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Liebe Leserinnen und Leser,
wir befassen uns in dieser Ausgabe mit dem Versuch einer wachsenden Zahl von US-Hochschulen, durch eine Impfpflicht die Voraussetzungen für Präsenzunterricht im kommenden Herbst zu schaffen, und mit einem Beitrag zu den stillschweigenden Voraussetzungen, unter denen die US-amerikanische Hochschullandschaft derzeit noch funktioniert. Wir werfen zudem einen Blick auf die Frage, welche Gründe die meisten US-Hochschulen für Strategien zur Steigerung der Vielfalt an ihnen angeben, und wie immer auf verschiedene Kurznachrichten.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Gesundheit, Geduld und Zuversicht.
Stefan Altevogt
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Impfpflicht für Studierende? Wie es im Herbst weitergehen soll
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Mit derzeit fast 225 Mio. verabreichten Impfdosen (Stand 24. April) sind die USA bei der Bekämpfung der Covid-Pandemie vergleichsweise weit fortgeschritten, wenngleich dieser Fortschritt zunehmend auf Impfwiderstand in überwiegend konservativ wählenden Teilen der Bevölkerung stößt. Bei der Frage, unter welchen Umständen Hochschulen im kommenden Herbstsemester wieder ihren Normalbetrieb physischen Präsenzunterrichts aufnehmen können, kommen daher den Schutzimpfungen eine besondere Bedeutung zu.
Wenngleich einige der konservativ regierten Bundesstaaten bereits entsprechende Maßnahmen seitens der öffentlich finanzierten Hochschulen für illegal erklärt haben (in Florida auch der privaten Einrichtungen), deutet die Stimmung an Colleges und Universitäten deutlich in Richtung einer von den Hochschulen bzw. Hochschulsystemen eingeführten und durchgesetzten Impfpflicht für Studierende hin.
Als diesbezüglich vermutlich sehr einflussreich bezeichnet eine Meldung des Covid-Tickers auf Inside Higher Education die Entscheidung der beiden Hochschulsysteme University of California und California State University, für das Herbstsemester eine Impfung ihrer mehr als 1 Mio. Studierenden, Fakultätsmitglieder und Hochschulangestellten an insgesamt 33 Standorten verbindlich vorzuschreiben. Der Präsident der University of California wird dazu mit den Worten zitiert: „Receiving a vaccine for the virus that causes COVID-19 is a key step people can take to protect themselves, their friends and family, and our campus communities while helping bring the pandemic to an end.”
An den öffentlichen Hochschulen im republikanisch regierten Bundesstaat Iowa werde man laut Ticker allerdings auf eine Impfpflicht verzichten und stattdessen eine nachdrückliche Impfempfehlung aussprechen, ohne freilich zu sagen, ob Geimpfte anders behandelt würden als Nicht-Geimpfte.
Sie finden den Ticker hier.
Der Chronicle of Higher Education führt derzeit Buch über die Hochschulen und ihre jeweilige Haltung zur Impfpflicht und schreibt in einem Beitrag zu den voraussichtlichen Folgen der Entscheidung der beiden kalifornischen Hochschulsysteme: „Rutgers University, a public institution, was the first in the nation to announce a vaccine mandate, on March 25. Until Thursday, just two of its public peers had followed suit. But now a wave of public colleges, led by a pair of heavyweight university systems – the University of California and California State University – said they, too, would require vaccines.”
Sie finden den Beitrag hier.
Sie finden die Liste der Hochschulen hier.
Weil Rutgers University die erste Hochschule des Landes war, die einem Impfpflicht eingeführt hat, ist es auch nicht verwunderlich, dass hier die Anfechtungen einer solchen Maßnahme weit fortgeschritten sind. Der Chronicle of Higher Education berichtet entsprechend von einem Schreiben des Informed Consent Action Network (ICAN) an die Hochschulleitung mit der von Anwälten der Organisation vorgetragenen Aufforderung, die Impfpflicht wieder zurückzunehmen. Neben einigen eher hochtrabenden, aber vermutlich weniger wirksamen ICAN-Argumenten wie die mutmaßliche Verletzung internationaler Normen, sei aber einer der Einwände durchaus ernstzunehmend: „It is illegal for Rutgers to require students to receive vaccinations that have obtained only emergency-use authorization from the federal Food and Drug Administration, and have not been fully approved, wrote the lawyers.“
Sie finden diesen Beitrag hier.
Eine Anmerkung am Rande: Wayne State University beabsichtige laut Ticker auf Inside Higher Education, ihre Studierenden mit jeweils $10 für die Impfung zu belohnen, was sofort die Frage habe laut werden lassen, ob so ein monetärer Impfanreiz ethisch-moralisch vertretbar sei. Die Mitte März von der Fast Food-Kette Krispy Kreme veröffentlichte Ankündigung kostenloser Donuts für Geimpfte wird in diesem Zusammenhang vermutlich genauso wenig diskutiert wie die Frage, ob moralisch höherwertige Impfgründe zu einem besseren Impfschutz führen. Wenn es denn Anreize braucht, auch ohne Impfpflicht die Pandemie in den Griff zu bekommen, dann könnten Anreize durchaus sinnvoll sein. Der allergrößte Anreiz für Geimpfte wäre freilich die Wiedererlangung der durch die Pandemie-Maßnahmen deutlich eingeschränkten Freiheiten.
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US Higher Education als Glaubensfrage
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In einem Beitrag für den Chronicle of Higher Education setzt sich Chad Wellmon mit der Frage auseinander, unter welchen, meist unausgesprochenen Voraussetzungen die Hochschullandschaft in den USA derzeit noch funktioniere. Sein Gedankengang beginnt mir den vielschichtigen Reaktionen auf die politische Forderung nach einer Beseitigung der mittlerweile auf fast $2 Bio. geschätzten Studienschulden per präsidialem Federstrich. Das Spektrum der Reaktionen reiche dabei von der Einschätzung tertiärer Bildung als menschliches Grundrecht mit entsprechend sozialer Finanzierung bis hin zur Annahme, es handele sich um individuellen Luxus bzw. individuelle Investitionsentscheidungen, für deren Folgen die Gemeinschaft nicht haftbar gemacht werden dürfe. Der Grund für die aufgelaufene Verschuldung, und damit kommt er dann zur Glaubensfrage, sei dem allerdings noch vorgelagert und zwar auf individueller, organisatorischer, privatwirtschaftlicher und öffentlicher Ebene. Er schreibt: „What must one believe in to be willing to borrow tens of thousands of dollars in order to pursue a certification of completion – a B.A.? What would a college have to promise in order to compel someone to do that? What would a bank have to believe to extend this person credit? Or the U.S. government, to guarantee such loans en masse – now roughly $2 trillion? And what would a society have to believe to sustain the system that keeps it all going?”
Als einen der wichtigsten „spreader of the gospel of higher ed“ beschreibt der Autor dann Clark Kerr, der zwischen 1952 und 1973 erst Präsident der University of California, Berkeley, dann der University of California insgesamt und schließlich der Carnegie Commission on Higher Education gewesen sei. Dessen Haltung zur Institution Universität sei die eines „Cold War Liberal“ gewesen sei (Universitäten als einzig, für die USA gangbarer Weg gesellschaftlichen Fortschritts zwischen den beiden Gefahrenpolen fommunistische Utopie und faschistischer Totalitarismus).
Der zentrale Punkt im Glaubensbekenntnis der US-amerikanischen Hochschullandschaft, dass nämlich Hochschulen über wachsende Einkommen zum Ausgleich sozialer Ungleichheit beitragen würden, sei über Jahrzehnte hinweg und mühsam gewonnen worden und die wichtigsten Schritte lauteten wohl GI Bill (1944), Higher Education Act (HEA, 1965) und Einführung von Pell Grants (1972). Er schreibt: „This was the basis for the claim that higher education could solve economic and social inequality.”
Gleichzeitig mit der Unterzeichnung des HEA sei dann aber noch die individuelle Dimension von Hochschulbildung als einer Investition in die je einzelne ökonomische Zukunft hinzugekommen und es wurde ihr in zunehmenden Maße Rechnung getragen. Dazu heißt es: „With every reauthorization of the HEA — from the establishment of Sallie Mae as an independent financial corporation for incentivizing private loans (1972) and the Middle Income Student Assistance Act (1978) to the PLUS parent loans (1980) and unsubsidized Stafford loans (1992) – Congress expanded the market for student debt.”
Der Boom von schuldenfinanziertem Studium sei dann spätestens Mitte der 1990er Jahren gestartet, als Sallie Mae begonnen habe, Studienschulden zusammenzufassen und als government-backed securities an den Markt zu bringen. Zwischen 1989 und 2020 seien inflationsbereinigt die jährlich aus Bundesmitteln finanzierten Darlehen an Studierende von $20 Mrd. auf $87 Mrd. geradezu explodiert und zu einem Ausgleich sozialer Ungleichgewichte hätten diese Mittel eben nicht beigetragen. Im Gegenteil, 2019 habe man zum Beispiel in überwiegend afro-amerikanisch bewohnten Gegenden feststellen müssen, dass in 74% der Fälle die Schuldner nicht mehr dem Schuldendienst folgen könnten. Die Vergleichszahl in überwiegend von Weißen bewohnten Gegenden sei 47,5% gewesen.
Es sei Zeit, sich von gewohnten Glaubenssätzen zu verabschieden. Es heißt, im Chronicle of Higher Education wohlgemerkt: „American higher education has produced many goods. But it also launders privilege, luck of birth and circumstance, and financial and social greed into socially acceptable status under the rubric of merit. And it now exacerbates persistent and worsening financial and social inequalities. (...) Kerr et al. converted intellectual desire into a market for student debt.”
Sie finden den Beitrag hier.
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Warum haben Hochschulen „Diversity Plans“?
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Für Scott Jaschik drängen sich in einem Beitrag auf Inside Higher Education angesichts der Normalität von „Diversity Plans“ an US-Hochschulen zwei Fragen auf, nämlich warum es diese Strategien zur Steigerung der Vielfalt an Hochschulen gäbe und wem sie nutzten. Er schreibt vor dem Hintergrund einer jüngst in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten Untersuchung, der zufolge Hochschulen vor allem die Bildungswerte von Diversität in den Vordergrund stellten, was angesichts der wiederholten Forderungen des U.S. Supreme Court nach guten Gründen für „affirmative action“, also gezielter Bevorzugung noch unterrepräsentierter Gruppen, auch nachvollziehbar sei. Man sage angesichts der engen juristischen Grenzen eben keinesfalls, dass Diversität ein aus moralischen Gründen zu verfolgendes Ziel sei.
Doch habe die Auslassung anderer als nur instrumenteller Gründe einen Nachteil darin, dass es den Zielgruppen von affirmative action an den Hochschulen nur wenig nutze. Jaschik zitiert aus der Untersuchung den Satz: „We showed that instrumental rationales correspond to the preferences of white (but not Black) Americans, and both parents and admissions staff expect Black students to fare worse at universities that endorse them.”
Die Untersuchung fordere nicht, dass Hochschulen den pädagogischen Wert von Vielfalt und Inklusion überhaupt nicht mehr in den Begründungen aufführen sollten, sie sollte aber dort nicht Halt machen und über die instrumentellen Gründe hinaus auch die moralische Dimension benennen. Jordan Starck von der Princeton University wird als Erstautor der Untersuchung mit den Worten zitiert: „Institutions should not overlook the importance of making a moral commitment to diversity, equity and inclusion.”
Sie finden den Beitrag hier.
Sie finden das Paper hier.
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Die New York Times meldet Schließungspläne für das Classics-Department der Howard University, einer der prominentesten HBCU-Einrichtungen (Historically Black Colleges and Universities) der USA, und den wachsenden Widerstand gegen die Pläne. Es heißt: „An online petition in support of keeping the department has been signed over 5,000 times.”
Sie finden die Meldung hier.
Der Chronicle of Higher Education nennt Zahlen des US-amerikanischen Arbeitsministeriums, wonach infolge von Covid-19 US-Hochschulen 570.000 Stellen abgebaut hätten. Es heißt: „Put another way, for every nine workers employed in academe in February 2020, at least one had lost or left that job a year later.” Wie in anderen Bereichen der Volkswirtschaft auch, so hätten die Stellenverluste Minoritäten, Frauen, Jüngere und Arbeitnehmer mit geringerer sozialer Absicherung überproportional stark betroffen.
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Die kanadische Bundesregierung wolle einem Beitrag in University Affairs zufolge über die kommenden fünf Jahre insgesamt Can$ 5,7 Mrd. für Bildungs- und Ausbildungszwecke investieren, davon Can$ 3,1 Mrd. für Studienförderung und zusätzliche Can$ 2,2 Mrd. für eine bessere Vorbereitung des Landes auf kommende Pandemien.
Sie finden diesen Beitrag hier.
Die Washington Post berichtet, dass die US-amerikanische Bundesregierung seit vergangenem Frühjahr $30 Mrd. an Notfall-Mitteln zur Verfügung gestellt habe, um Pandemie-bedingte Folgen für Studierende abzumildern. Es heißt: „It is the largest federal investment in grants to rescue students in crisis and an undertaking rife with bureaucratic hurdles. Still, the proliferation of emergency aid programs is one of the few trends to emerge from the pandemic that higher education experts hope will remain after the health crisis.”
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Mit Karen Donfried ist die derzeitige Präsidentin des German Marshall Fund of the United States (GMF) und ausgewiesene Freundin transatlantischer und deutsch-amerikanischer Beziehungen durch Präsident Biden zur Assistant Secretary of State for European and Eurasian Affairs im US-Außenministerium nominiert worden.
Sie finden die Presseerklärung des GMF hier.
Nach jüngsten Zahlen des National Center for Science and Engineering Statistics (NCSES) haben sich die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) in den USA 2018 auf $606,1 Mrd. belaufen. Das NCSES schätzt die F&E-Ausgaben für 2019 auf $656 Mrd. Der öffentlich finanzierte Anteil an diesen Ausgaben gehe allerdings zurück, zwischen 2010 und 2018 von 32% auf 27%.
Sie finden die Zahlen hier.
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