Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
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Die Themen dieser Woche:
- Diskussion um hybride Unterrichtsformate
- Covid-19 und Hochschulen
- Gehälter und Gehaltsstrukturen von Hochschulleitungen
- Kurznachrichten
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Liebe Leserinnen und Leser,
in dieser Ausgabe befassen wir uns mit einer Diskussion um hybride Unterrichtsformate und weiterhin mit Nachrichten im direkten Kontext von Covid-19. Wir werfen zudem einen Blick auf Gehälter und Gehaltsstrukturen von Hochschulleitungen in den USA und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Gesundheit, Geduld und Zuversicht.
Stefan Altevogt
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Diskussion um hybride Unterrichtsformate
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In der Übersicht des Chronicle of Higher Education über die Pläne US-amerikanischer Hochschulen, wie sie das kommende Wintersemester gestalten wollen, liegt derzeit nach „planning for in-person“ mit 53% der Antworten „proposing a hybrid model“ mit 32% der Antworten auf dem zweiten Rang und damit deutlich vor dem, was zum Beispiel Harvard University angekündigt hat („planning for online“; 10% der Antworten).
Der Chronicle of Higher Education setzt sich in dieser Woche mit der Frage auseinander, ob der Optimismus der hybride Modelle anstrebenden Hochschulen gerechtfertigt sei, oder ob nicht vielmehr drohe, dass Studierende den jeweils schlechteren Bestandteilen der Modelle „in person“ und „virtual“ ausgesetzt sein würden. Mit John Nolan, Lehrbeauftragter am College of Business der University of Nevada at Reno, wird ein Skeptiker des „HyFlex“ (eine Mischung aus hybrid und flexible) genannten Ansatzes von gleichzeitig online übertragenem „in person“-Unterricht zitiert. Er führe (vielleicht noch zu lösende) technische und schier unüberwindbare lebenspraktische Probleme für seine Skepsis an: „If [the instructor] walks away from the podium, he moves out of sight of the camera. If a student in the back of class asks a question, those tuning in on their laptops might not hear. And how can he foster lively discussions, let alone group work, when half his students are masked, sitting six feet apart because of Covid-19 restrictions, and the others are virtual?“
Würde man sich derzeit im Internet nach Meinungen zu HyFlex-Konzepten umschauen, würde man vor allem deutlich negativen Auffassungen begegnen, Äußerungen wie: „Whoever the hell thought of this is a bean counter [Verwaltungen in den USA zählen Bohnen, nicht Erbsen], not an educator, and an idiot.”
Dennoch sei HyFlex in der gegenwärtigen Situation beliebt, zum einen, weil seriöse Alternativen fehlten, zum anderen, weil man bereits auf jahrelange Erfahrungen mit dem Ansatz zurückblicken könne: „HyFlex (...) is (...) a teaching model started at San Francisco State University in 2006 to accommodate working adult students in a graduate program. The ‘flex‘ in HyFlex is supposed to mean that students – not administrators – choose how to attend class on any given day.“ Dieses Merkmal ginge allerdings in Reaktion auf Covid-19 verloren, denn im kommenden Wintersemester müssten Hochschulverwaltungen entscheiden, wer live unterrichtet werden könne und wer sich vor dem Computer einfinden müsse.
Ohne Covid-19-bedingte Einschränkungen sei HyFlex für Hochschulen ein attraktiver Weg, auch an den Grenzen der Kohorte traditioneller Vollzeitstudierender Bildungsangebote machen zu können. Es heißt dazu: „The broader idea, of offering a course that is taught simultaneously in person and online, has been adopted and branded by universities looking to reassure students that they have all bases covered. Northeastern University is touting NUFlex. Northern Arizona University offers NAUFlex, and Shenandoah University has created ShenFlex.“
Doch seien Flex-Modelle bislang zum einen Angebote für nur Wenige an den Rändern gewesen und nicht das „Normalprogramm“ für alle, und zum anderen seien für den Erfolg sowohl technische Voraussetzungen erforderlich, als auch die aktive Mitarbeit der Lehrenden bei der Umsetzung. Hinsichtlich der beiden letztgenannten Aspekte teilt der Beitrag die Skepsis von Nolan und gibt zu bedenken, dass die Budgets der Hochschulen derzeit zu strapaziert seien, um die technischen Voraussetzungen für einen Erfolg von HyFlex zu schaffen, und dass das Lehrpersonal bislang viel zu wenig in die Implementierung eingebunden gewesen sei. Dazu wird mit Brian Beatty von San Francisco State einer der Erfinder von HyFlex mit den Worten zitiert: „It has to be done with faculty participation. Otherwise, if it’s top down and the administration is saying, We’re doing this, then the faculty are saying, But why are we doing this?”
Genau dieser Streit sei an der University of Nevada in Reno ausgebrochen, dort wo Nolan Präsident der Nevada Faculty Alliance sei. Er kämpfe derzeit mit einer Petition darum, dass Lehrende die Kontrolle über die Lehre behielten und nicht an die Verwaltung abgeben müssten. Es heiße in der Petition: „We want to teach our courses well and believe that faculty are in the best position to determine the best method of instruction for their courses consistent with the health and safety of students and themselves.” Knapp 20% der 1.100 Lehrenden an der Hochschule hätten bereits unterschrieben.
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Die Entscheidung der US-Regierung, internationalen Studierenden, die wegen Covid-19 ausschließlich online unterrichtet werden können, das Visum zu entziehen und auszuweisen, ist nach Protesten und Klageandrohungen wieder zurückgenommen worden. Mary Sue Coleman, Präsidentin der Association of American Universities, wird in einem Beitrag in Science dazu mit den Worten zitiert: „[Sie sei] glad that the overwhelming outcry from America’s leading research universities, scientific research organizations, the business community, and others caused the administration to swiftly rescind this deeply misguided policy.”
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Forbes meint sogar, dass die Wertschätzung internationaler Studierender durch breite Bevölkerungsschichten in den USA durch die abweisende Politik des Weißen Hauses gewonnen habe könnte, und schreibt: „In saying the country will no longer welcome international students and asking many currently here to leave, it appears the Trump administration has made more Americans appreciate international students and what they bring to America.”
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In Kanada verfolgt man derzeit eine andere Strategie und hob zuletzt in einer Erklärung des Immigrationsministeriums hervor: „International students make immense cultural and social contributions to Canada, and generate more than $21 billion in economic activity.“ Man bemühe sich daher derzeit vor allem darum, die Störungen des Normalbetriebs durch Covid-19 auch für internationale Studierenden so gering wie möglich zu halten. Der Minister, Marco Mendicino, wird mit den Worten zitiert: „The pandemic has had a significant impact on international students and the Canadian institutions and communities that host them. This is why we have implemented a series of measures to support them. We value the contribution of young people seeking a high-quality education in Canada, and we’re making every effort to minimize how current challenges affect their plans and dreams for the future.” Wie weit man internationalen Studierenden in Kanada „zugeneigt“ ist, lässt sich gut mit der Verfügung illustrieren, dass selbstverständlich auch online an einer kanadischen Hochschule verbrachte Zeit bei einem Antrag auf Arbeitserlaubnis nach Studienabschluss zählen würde.
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Der Chronicle of Higher Education befasst sich mit der für Hochschulen nicht so einfach zu beantwortenden Frage, ob sie wegen Covid-19 und der damit verbundenen Störung des „Normalbetriebs“ Rabatte auf Studiengebühren gewähren sollten. Das Dilemma für die Hochschulen sei: „They can discount tuition for online classes and take a hit to the bottom line, or they can stick with full tuition and still probably take a hit to the bottom line.“
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Der „hit to the bottom line“ zwinge US-Hochschulen einem Beitrag der New York Times zufolge derzeit, darüber nachzudenken, über Lehrpersonal auf befristeten Stellen hinaus auch Professorinnen und Professoren auf Tenure-Stellen zu entlassen. Es heißt: „The University of Akron this week became one of the first schools in the country to make deep cuts in the number of full-time professors on its staff, with the board of trustees voting on Wednesday to lay off about a fifth of the university’s unionized work force to balance its budget, including nearly 100 faculty members.“
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Ein Beitrag im Chronicle of Higher Education befasst sich mit den Auswirkungen der Covid-19-bedingten Störung des Normalbetriebs auf Studierende aus bildungsferneren Schichten. Ihnen fehlten derzeit weitgehend die „College Experience“, also die reichen Erfahrungen eines Leben auf dem Campus, die für den Studienerfolg oft unverzichtbar seien. Es heißt: „For first-generation students, they are anything but superficial; they can be among the key forces keeping educational dreams alive.“
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Gehälter und Gehaltsstrukturen von Hochschulleitungen
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Der Chronicle of Higher Education veröffentlicht einmal im Jahr Tabellen mit den Jahreseinkommen von Hochschulpräsidentinnen und -präsidenten in den USA, diesmal die „latest data on more than 1,400 chief executives at more than 600 private colleges from 2008-17 and nearly 270 public universities and systems from 2010-19.“
Sie finden die Zahlen
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Ein begleitender Beitrag arbeitet zahlreiche Aspekte heraus, die selbst in den USA des „anything goes“ als bemerkenswert gelten dürfen, so zum Beispiel die Stratifizierung der Gehälter für das Führungspersonal selbst an öffentlich finanzierten Einrichtungen. Habe dort das durchschnittliche Jahreseinkommen zuletzt bei $544.000 gelegen, würden sich zuletzt bereits 19 Einkommensmillionäre unter den Präsidentinnen und Präsidenten öffentlich finanzierter Hochschulen finden, derzeit angeführt von Mark Becker (Georgia State University) mit $2,8 Mio. Der Tabellenletzte (mit vollständigem Jahreseinkommen), Jeb Spaulding vom Vermont College System, kommt hingegen auf nur $221.000.
Zu den Einkommensunterschieden an den einzelnen öffentlich finanzierten Hochschulen heißt es: „A typical leader of a public institution of higher education made 4.4 times as much as the average full professor on that campus in 2019.“ Auch hier gibt es Ausreißer nach oben, angeführt von der University of Nebraska in Omaha, wo Jeffrey Gold als Präsident mehr als zehnmal so viel Jahresgehalt einstreicht wie ein durchschnittlicher Professor dort.
Wolle man Stirnrunzeln oder Gar Neid bewirken, müsse man sich allerdings ein anderes Alleinstellungsmerkmal US-amerikanischer Hochschulen vor Augen führen: „At 67 institutions, the paycheck for an athletic director or coach far outpaced that of the university’s chief executive.“ Der Trainer der Football-Mannschaft der University of Georgia liege mit seinem Jahresgehalt von knapp $7 Mio. um Faktor zehn über dem des Präsidenten der Hochschule. (Beiden Arbeitsplätzen gemein ist die leichte Erkennbarkeit von Erfolg im Beruf. Bei den Coaches ist es der Tabellenstand der Mannschaft, bei Präsidentinnen und Präsidenten die Summe der eingesammelten Spenden.)
Scheidungen sind teuer und so hätten zur Korrektur von Rekrutierungsfehlern erhebliche Beträge aufgebracht werden müssen. Der Auflösungsvertrag mit Steven Leath nach 2 Jahren im Amt habe Auburn University zum Beispiel $1,5 Mio. gekostet und Dale Whittaker habe sich nach 7 Monaten an der University of Central Florida mit $600.000 verabschieden lassen. Dies sei auch ein Grund, warum man Gehälter für Führungspersonal gerne auch so strukturiert, dass auf beiden Seiten ein großes Interesse an einer gedeihlichen Partnerschaft auf Dauer bestehe. Durch einen hohen Anteil sog. „deferred compensation“ (Auszahlung erst nach Erreichen eines vorher gemeinsam definierten zeitlichen Ziels) ließen sich Zentrifugalkräfte im Zaum halten, Kräfte, die an Georgia State University groß sein müssen. Der dortige Präsident, der oben als Tabellenführer bei den öffenlich finanzierten Hochschulen genannte Mark Becker, bekommt sein Gehalt zu 78% als „deferred compensation“.
Sie finden den Beitrag
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Ein Beitrag im Chronicle of Higher Education macht durch Interviews mit vier Aktivisten deutlich, welche Dynamik und Dimensionen die Bürgerrechtsbewegung an US-amerikanischen Hochschulen durch die Proteste nach der Ermordung von George Floyd bekommen hat. Es heißt: „There was a time when stripping a racist’s name from a building would have been celebrated as a breakthrough for racial justice in higher education. Today, it’s accepted as a starting point.” Die aktuellen Ziele gingen derzeit weit darüber hinaus und umfassten die Neuformulierug dessen, was unter polizeilichen Aufgaben verstanden werde, Bildungsinhalte und Lehrpersonal, die die demografische Komposition der Studierenden widerspiegelten, und ja, weiterhin auch die Entfernung jeglicher Symbole und Denkmäler von Unterdrückung von Minderheiten. Es heißt: „Students demand radical change for racial justice, and they’re not backing down.“
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Survey: Self-Doubt Is a Barrier to College
Auf Inside Higher Education befasst man sich mit den Ergebnissen der jüngsten Umfrage des Strada Education Network unter erwachsenen US-Amerikanern ohne Hochchulabschluss zu „Motivations, Barriers, and Expectations” einer Einschreibung an einer Hochchule und hebt hervor, dass Selbstzweifel mit 49% in der gleichen Größenordnung als Hinderungsgrund genannt würde wie Studienkosten (48%). Obgleich 62% der Befragten ein Studium für karriereförderlich hielten und 52% für eine sich lohnende Investition, würden durch die „Barriers” noch zu viele potenzielle Studierende aus den nicht-traditionellen Alterskohorten aus vermeidbaren Gründen vom Studium ferngehalten. Eine Mitarbeiterin an der Umfrage wird mit den Worten zitiert: „As important as it is to make it [ein Studium] affordable, they also have to think about how they can make students feel like they belong.“
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Sie finden die Umfrageergebnisse
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In der kanadischen Provinz Alberta hat man nicht nur eingesehen, dass es leichter ist, Mittel für Neubauten einzuwerben als für die Erhaltung von Gebäuden und Infrastruktur, sondern seitens der Provinzregierung ist jetzt auch ein Programm aufgesetzt worden, Mängel an bestehenden Gebäuden der University of Alberta zu beseitigen. Es heißt in der Presseerklärung: „[The] Government is giving the University of Alberta an additional $16 million this year to help restore research and learning spaces.”
Sie finden die Presseerklärung
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