22.02.2021
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Stiftungsvermögen nordamerikanischer Hochschulen

  • COVID-19 und Hochschulen

  • Neue Einschreibungszahlen des Council of Graduate Schools (CGS)

  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,

wir befassen uns in dieser Ausgabe mit den jüngsten Zahlen zu Stiftungsvermögen nordamerikanischer Hochschulen und weiterhin mit dem Thema Covid-19. Wir werfen zudem einen Blick auf die soeben vom Council of Graduate Schools (CGS) vorgelegten Zahlen zu Bewerbungen und Einschreibungen internationaler Graduate-Studierender an US-Hochschulen und schließlich wie immer auf Kurznachrichten der Woche.
 
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Gesundheit, Geduld und Zuversicht.

Stefan Altevogt
Stiftungsvermögen nordamerikanischer Hochschulen
Stiftungsvermögen nordamerikanischer Hochschulen sind außerhalb der USA und Kanadas Anlass gelegentlich neidvoller Blicke und führen häufiger zur fälschlichen Annahme, alle nordamerikanischen Hochschulen seien mehr oder weniger reich bzw. können signifikante Anteile ihrer jeweiligen Haushalte aus Vermögenserträgen bestreiten. In den dann sehr häufig zitierten Beispielen „Harvard, Stanford, Yale“ ist dies bei einer Summe der drei Vermögen von gut $100 Mrd. sicherlich der Fall, allerdings konzentriert sich Reichtum (wie so oft in Nordamerika) gemessen an der Größe der Hochschullandschaften bei nur wenigen Einrichtungen.
Die Ergebnisse der jüngsten Umfrage der National Association of College and University Business Officers (NACUBO) unter 705 nordamerikanischen Hochschulen (davon 15 in Kanada) mit nennenswerten Vermögen (das kleinste erfasste Vermögen liegt bei gut $5,5 Mio.) zu ihrem jeweiligen Vermögensstand und zu den Erträgen dieser Vermögen zwischen Juli 2019 und Juni 2020 zeigten laut Inside Higher Education zum einen sowohl gegenüber dem Vorjahr (+5,3%), als auch gegenüber den historisch angestrebten 7,5% mit +1,8% zuletzt deutlich abgefallenen Durchschnittsertrag. Die Vermögen der 705 Einrichtungen summierten sich dabei auf insgesamt $637,7 Mrd., das durchschnittliche Vermögen habe zuletzt $905 Mio. (+1,6% gegenüber dem Vorjahr) betragen und der in einer sehr inhomogenen Gruppen wie dieser viel aussagekräftigere Vermögensmedian habe bei „only“ $164 Mio. gelegen. Für nordamerikanische Verhältnisse wohl eine Hiobsbotschaft: „Nearly half of surveyed college and university endowments are under $140 million.”
 
Sie finden den Beitrag hier.  

Die von NACUBO in Form einer Excel-Tabelle zur Verfügung gestellten Zahlen sind auch dadurch instruktiv, dass sie sich leicht sortieren lassen und neben der Angabe absoluter Vermögenszahlen auch zeigen, wie wohlhabend eine Einrichtung pro Studierendem ist. Zwischen Harvard, Yale, Stanford und Princeton findet sich in den Top-Five mit der University of Texas (derzeit knapp $32 Mrd.) auch ein öffentliches Hochschulsystem. Auf Rang acht mit der Texas A&M University (derzeit $13,5 Mrd.) und auf Rang neun mit der University of Michigan ($12,5 Mrd.) finden sich zwei weitere überwiegend öffentlich finanzierte Hochschulsysteme in den Top-Ten der jüngsten Liste. Zieht man die Grenze bei einem Vermögen von mehr als $1 Mrd., dann hat die Liste immer noch einen Umfang von 105 Einträgen, darunter 25 überwiegend öffentlich finanzierte Hochschulen bzw. Hochschulsysteme.
Sortiert man die Liste nach Vermögen pro Studierendem (Full Time Equivalent, FTE), sieht man auf dem Spitzenplatz mit der Rockefeller University den einen schon lange bekannten Ausreißer, denn Rockefeller hat nur 200 Graduate-Studierende und entsprechend hoch ist bei einem Vermögen von zuletzt $2,29 Mrd. der Anteil pro FTE, nämlich $11,5 Mio. Danach folgen mit $3,4 Mio. bzw. $3,2 Mio. je FTE Princeton University und das Princeton Theological Seminary. Harvard liegt mit $1,6 Mio. pro FTE hinter Yale ($2,3 Mio.) und Stanford (1,7 Mio.) in dieser Ansicht „nur“ auf Rang sieben. Der Blick auf Vermögen pro FTE erklärt übrigens auch, warum sich in New York City die New York University gegenüber Columbia University trotz eines Vermögens von zuletzt $4,3 Mrd. stets ein wenig ärmlich fühlt. Mit 28.000 FTEs ist letztere etwas mehr als nur halb so groß, hat aber das Zweieinhalbfache an Vermögen, was sich schließlich in einem knapp fünffachen Vermögen je FTE niederschlägt.
 
Sie finden die Zahlen hier.
 
Die Presseerklärung zu den Zahlen hebt hervor, dass zu den geringeren Erträgen der Hochschulen deutlich gestiegene Anforderungen infolge der Covid-Pandemie gekommen seien, zum einen höhere Ausgaben wegen der geringeren Einnahmen aus Studiengebühren, zum anderen aber auch geringere Einnahmen aus dem Fundraising. Es heißt: „Given COVID-19 challenges, almost half of endowments increased their spending support for their institution’s operating budget in FY [Fiscal Year] 20. Over 40 percent reported that their institution’s cash flow declined in FY20, likely from decreases in tuition revenue due to lower enrollment and lost revenue from on-campus services such as student housing, dining, and parking. Endowments also reported that new gifting in FY20 declined by about 16 percent from FY19 levels.”
 
Sie finden die Presseerklärung hier.
 
Der Beitrag zu den Zahlen im Chronicle of Higher Education zitiert dazu auch die Präsidentin der NACUBO, Susan Whealler Johnston, mit den Worten: „Even in this challenging year, higher-education institutions reinforced their commitment to students and used their endowments exactly as designed: to provide ongoing, predictable — and even increased — support for their missions.”
 
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Covid-19 und Hochschulen
Der Covid-Ticker des Chronicle of Higher Education meldet einen ungewöhnlichen Anstieg von Fallzahlen an der University of Virginia und mit „social gatherings among students, including but not limited to Greek-letter rush events” einen eher gewöhnlichen Grund.
Der Ticker meldet zudem, dass die Ivy League ihre für Frühjahr geplanten Sportwettbewerbe jetzt abgesagt habe und dass im Bundesstaat Kansas nun der Gesetzgeber vorsehen wolle, Studierenden an öffentlichen Hochschulen wegen der virtuellen Unterrichtsformate zwischen 50% und 100% ihrer Studiengebühren zurückzuerstatten. Es heißt: „The lawmakers amended the higher-education budget to mandate that students be refunded half of their tuition for every day they were online instead of in the classroom, and 100 percent for days they did not have classes at all. To take effect, the measure would need to be approved by both chambers of the Kansas Legislature, and one Republican lawmaker called it ‘a discussion starter’.”
Der Ticker meldet schließlich auch Zahlen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC), nach denen sich die durchschnittliche Infektionsrate landesweit bei etwa 25% eingependelt habe und nur die am schwersten betroffenen Hochschulen diesen Wert erreichten.
 
Sie finden den Ticker hier.
Sie finden die CDC-Zahlen hier.
 
Ein Beitrag im Chronicle of Higher Education gibt ein jüngstes, allerdings anekdotisches Meinungsbild von Leitungen US-amerikanischer Hochschulen wieder, das auf eine weitgehende Rückkehr zur „Normalität“ im Herbst dieses Jahres hindeutet. Optimistisch mache die Ankündigung der neuen US-Regierung, bis Ende Juli auch die bislang nicht so hoch priorisierte Altersgruppe 18-24 Jahre „impfberechtigt“ zu bekommen. Wenngleich noch nicht klar sei, wie lange dann noch die Impfungen dauern würden, bereiteten sich die optimistischeren Hochschulen des Landes derzeit auf einen weitgehenden Normalbetrieb nach den Sommerferien vor.
 
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In einem Interview mit der Präsidentin des Oberlin College, Carmen Twillie Ambar, fragt die New York Times Korrespondentin Kara Swisher, wie es die Hochschule geschafft habe, den Betrieb während der Pandemie aufrecht zu erhalten und wie man trotz weitgehend virtuellen Unterrichtsbetriebs die Preisstruktur habe rechtfertigen können. Mit dem Erfolgskonzept „no parties, no sport“ sei es gelungen, die Studierenden auf dem Campus sicher zu betreuen, und im Hinblick auf den auch während Covid-19 aufrecht erhaltenen Sticker Price von $75.000 erläutert Anbar: „Well, what I would say to parents is that what you are investing in is a high-cost model. So the model means, just like in K through 12, that you value a classroom with only 10 kids as opposed to a classroom with 30 kids. This model ensures that. You also are investing in the full student life experience. So for us, everybody was on-campus, so that value didn’t change.”
 
Sie finden das Interview hier.  

CBC meldet, dass vor allem Hochschulen in Norden Kanadas unter einem Einbruch der Zahlen internationaler Studierender gelitten hätten und zuletzt landesweit 92.000 bzw. 28% weniger internationale Studierende in Kanada gezählt worden seien.
 
Sie finden die Meldung hier.  

Die kanadische Regierung versucht, dieser Entwicklung dadurch entgegenzuwirken, dass man nun auch ein unter Covid-Bedingungen vollständig virtuell durchgeführtes Studium als für eine Arbeitserlaubnis nach Abschluss berechtigt ansieht. Es heißt in einer Presseerklärung der kanadischen Regierung: „As part of the Government’s efforts to support international students, the Honourable Marco E. L. Mendicino, Minister of Immigration, Refugees and Citizenship, today announced further measures to ensure that international students won’t miss out on opportunities after they graduate due to the pandemic. With the prospect of many international students continuing online learning from abroad for several more months, temporary changes to the PGWP [post-graduation work permit] Program put in place earlier in the pandemic are being extended and expanded.”
 
Sie finden die Presseerklärung hier.
Neue Einschreibungszahlen des Council of Graduate Schools (CGS)
In dieser Woche hat der Council of Graduate Schools (CGS) die neuesten Zahlen zu den Einschreibungen internationaler Studierender an den CGS-Mitgliedseinrichtungen veröffentlicht und in der begleitenden Presseerklärung geschrieben: „Final application counts from prospective international graduate students increased by 3% between Fall 2019 and Fall 2020, but first-time enrollment decreased by 39%. While the first-time enrollment at the master’s level declined (-43%) at a higher rate than at the doctoral level (-26%), the rate of decline was consistent across institutional types.”
Der CGS, an deren Mitgliedseinrichtungen die allermeisten internationalen Studierenden auf Master- und Doctorate-Level eingeschrieben sind, gibt die Zahlen gewöhnlich in einem Dreischritt heraus, im Frühjahr die internationalen Bewerberzahlen, im Sommer die Zulassungszahlen und in einer Zusammenschau mit den tatsächlichen Einschreibungszahlen im Winter dann einen Überblick über die jeweilige Attraktivität des Studienstandorts USA für internationale Graduate-Studierende. Bemerkenswert an den jüngsten Zahlen ist das Auseinanderklaffen der Entwicklungen bei den internationalen Bewerbungen auf der einen Seite und bei den tatsächlichen Einschreibungen auf der anderen. Zwischen 2018 und 2019 und zwischen 2019 und 2020 waren die Bewerberzahlen um jeweils etwa 3% gestiegen und hatten 2020 ein Niveau von 352.000 auf dem Master-Level und 202.000 auf dem Promotions-Level erreicht. Eingeschrieben hätten sich dann aber nur 119.000 bzw. 106.000 Studierende.
Inwieweit dieses beträchtliche Delta auf eine Covid-bedingte Verschiebung des Studienantritts zurückzuführen sei, dieser Frage ist der CGS mit einer weiteren Umfrage nachgegangen und schreibt zu diesen Ergebnissen: „[It] suggests that the large volume of deferrals reported in the 2020 CGS International Graduate Admissions Survey is an anomaly. Most respondents to both surveys noted travel restrictions in the United States and their home countries as the leading factors for the increased deferrals in Fall 2020. Over half the institutions indicated that health-related concerns due to the COVID-19 pandemic also explained the increased deferrals.”
 
Sie finden den CGS-Bericht hier.
Kurznachrichten
Ein Beitrag in der New York Times macht auf die zahlreichen fehlenden klinischen Ausbildungsplätze aufmerksam, die Absolventen US-amerikanischer Medical Schools für ihre Kassenzulassungen bräuchten. Besonders Absolventen weniger bekannter Medical Schools würden eine Ablehnung nach der anderen erleben und blieben ohne entsprechend gute Erwerbsmöglichkeiten auf ihren hohen Studienschulden sitzen. Der Beitrag spricht von „10,000 chronically unmatched doctors in the United States, people who graduated from medical school but are consistently rejected from residency programs”, obgleich mit einem Ärztemangel zwischen 54.000 und 140.000 in den kommenden zwölf Jahren gerechnet werde.
 
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Die Zahlen des jüngsten Survey of Earned Doctorates (SED) der National Science Foundation (NSF) zeigen unter anderem zwischen Juli 2018 und Juni 2019 wieder gestiegene Unterschiede in den Einkommen der zuletzt fast 56.000 promovierten Männer und Frauen. Ein Beitrag in Nature schreibt dazu: „Among those with a permanent job at hand, men reported an expected median annual salary of US$95,000. Women reported an expected median salary of $72,500, a gap of $22,500. In a similar survey in 2020, the overall gender gap in expected salaries was $18,000.”
 
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Sie finden die Zahlen hier.
 
Inside Higher Education berichtet vom Annual Leadership Meeting der American Physical Society (APS) und der dort diskutierten Befürchtung, dass fast an der Hälfte aller Physik-Departments US-amerikanischer Hochschulen die Angst vor Kürzungen oder gar Schließungen umgehe. Es heißt: „Physics, a relatively expensive program to operate and a major that enrolls modest numbers of students, is one of many liberal arts and sciences disciplines that has come under increasing pressure in recent years as colleges dealing variously with decreased public funding, enrollment declines and demographic shifts have cut or consolidated degree programs and shifted resources toward fields that produce more majors. Those pressures have only been exacerbated by the pandemic.“
 
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