17.08.2020
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Umfrage unter Chief Business Officers von US-Hochschulen 
  • Covid-19 und Hochschulen
  • Wachsende Spannungen USA-China 
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,
 
in dieser Ausgabe befassen wir uns mit den Ergebnissen der jüngsten Umfrage von Inside Higher Education unter Finanzverantwortlichen an US-amerikanischen Hochschulen und auch weiterhin mit Nachrichten im direkten Zusammenhang mit Covid-19. Wir werfen zudem einen Blick auf den Niederschlag des unfreundlicher werdenden Klimas zwischen den USA und China auf die Hochschulbeziehungen beider Länder und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Gesundheit, Geduld und Zuversicht.
 
Stefan Altevogt
Umfrage unter Chief Business Officers von US-Hochschulen
Die letzte Ausgabe der turnusmäßig von Inside Higher Education durchgeführten Befragung von Chief Business Officers (CBOs) US-amerikanischer Hochschulen reflektiert ein Stimmungsbild von Anfang/Mitte Juni, einem Zeitpunkt also, zu dem die Mehrzahl der Einrichtungen für das Wintersemester noch auf eine relative „Rückkehr zur Normalität“ hoffen durften. Davon, so Doug Lederman und Scott Jaschik während einer Analyse der Umfrageergebnisse im Rahmen eines Webcasts am vergangenen Dienstag, sei man mittlerweile wieder ein gutes Stück entfernt, vor allem auch, weil jüngsten Umfragen unter angehenden Studierenden zufolge 40% der Freshmen ihr Studium im Herbst unter den gegebenen Bedingungen nicht aufnehmen, sondern bis nach der Bewältigung der Covid-Krise aufschieben wollten, was zu erheblichen Einkommensverlusten für Colleges führen würde.
Im Juni konnten die CBOs freilich noch ein wenig optimistischer in die Zukunft blicken, auch wenn Covid-19 dem längerfristigen Ausblick (10 Jahre) erstmals seit Beginn der Umfrage (2014) bessere Prognosen bescherte als dem mittelfristigen Ausblick (5 Jahre). Die im Sinne einer längerfristigen Vergleichbarkeit auch in diesem Jahr gestellte Frage war die nach der „confidence in financial stability of their respective institution over the next five and ten years“, die 2014 von 40% (five years) bzw. 62% (ten years) bejaht wurde und zuletzt von 52% bzw. 53%. Vor allem der Rückgang der mittelfristigen Zuversicht von 62% im vergangenen Jahr auf 52% in diesem Jahr sei nach Ansicht von Jaschik/Lederman bemerkenswert, nicht zu vergessen freilich, dass selbst 62% Zuversicht einen signifikanten Anteil von Zweifel bedeuteten. 
Aufgelöst nach den verschiedenen Sektoren der Hochschullandschaft hätten sich noch deutlichere Änderungen ergeben, so zum Beispiel ein mittelfristiger Zuversichtsverlust an Community Colleges von mehr als 20%, der bemerkenswerterweise deutlich über den entsprechenden Werten von privatfinanzierten vierjährigen Colleges gelegen habe, den typischeren „Sorgenkindern“ der Landschaft.
Infolge der Krise würden Budget-Löcher in den Hochschulhaushalten derzeit schnell wachsen und bereits jetzt würden vereinzelt Fehlbeträge in dreistelliger Millionenhöhe genannt. Bei den öffentlich finanzierten Hochschulen seien zudem die Perspektiven deutlich verdunkelt, weil die Grundfinanzierungen aus ihrerseits unter starkem Stress stehenden bundesstaatlichen Kassen kämen.
Als Reaktion auf die gegenwärtige Krise sähen CBOs vor allem Einsparungen im Personalbereich als Option, man habe aber auch Kostentreiber wie Hochschulbau (Capital Spending) und Hochschulsport (Athletics) im Auge, habe hier allerdings deutlich geringere Handlungsspielräume bzw. Befugnisse, weil beide Bereiche relevant für das Einsammeln von Spenden seien und damit im Beritt der jeweiligen Präsidenten.
Hochschulvermögen stünden wegen ihrer Struktur – in großen Teilen setzten sie sich aus zweckgebundenen Spenden zusammen, die mit Wachstumsversprechen eingesammelt worden seien – in der gegenwärtigen Krise nicht als „rainy day funds“ zur Verfügung.
Von einer Anpassung der Studiengebühren an die sich verändert habende Studiensituation wolle man mehrheitlich nichts wissen, allenfalls Nachlässe in Größenordnung von 10% gewähren, die sich aus Einsparungen im nicht-akademischen Betreuungsaufwand begründen ließen. Zu mehr Erschwinglichkeit des Studiums würde das allerdings nicht führen, denn dafür wären strukturelle Änderungen erforderlich. Auf der anderen Seite: Fast die Hälfte aller CBOs (47%) gingen davon aus, dass die gegenwärtige Krise zu strukturellen Änderungen an ihren jeweiligen Einrichtungen führen würde. Allerdings erwarteten aber noch 26% der befragten CBOs eine Rückkehr zur Normalität von vor Covid-19.
Und: Es sei immer noch wahnsinnig schwer, Hochschulen zu Kooperationen zu bewegen. Jaschik/Lederman hoffen, dass die Krise das ein wenig ändern werde.

Sie finden eine Aufnahme des Webcasts hier.
Covid-19 und Hochschulen
Ebenfalls am vergangenen Dienstag fiel die Entscheidung zweier prominenter Ligen des College-Football, ihre Wettbewerbe wegen Covid-19 nicht wie geplant im kommenden Herbst durchzuführen. Weil die Bedeutung von College-Football für die US-amerikanische Hochschullandschaft außerhalb des Landes gerne unterschätzt wird, hier der zweite Absatz der entsprechenden Meldung der New York Times: „The decisions by the two conferences, the Big Ten and the Pac-12, extended the greatest crisis in the history of college athletics, a multibillion-dollar industry that depends heavily on football to underwrite lower-profile sports and which provides universities with a national profile they use to recruit students and attract donations.”

Sie finden die Meldung hier.

Der Chronicle of Higher Education zitiert zur Entscheidung von Pac-12 einen Liga-Verantwortlichen mit den Worten: „Unlike professional sports, college sports cannot operate in a bubble. Our athletic programs are a part of broader campuses in communities where in many cases the prevalence of Covid-19 is significant.” Auf der anderen Seite sei aber die Liga „Big-12” nach wie vor entschlossen, den Saisonstart nicht zu verschieben, ebenso – vorläufig jedenfalls – die beiden Ligen „Atlantic Coast Conference (ACC)“ und „Southeastern Conference (SEC)“.

Sie finden diese Meldung hier. 

Eine Meldung auf Inside Higher Education zitiert zu den Plänen einiger Ligen, ihren Spielbetrieb aufnehmen zu wollen, medizinische Experten mit Beratungsaufgaben für die National Collegiate Athletic Association (NCAA). Es heißt: „The NCAA’s chief medical officer, Dr. Brian Hainline, said (...) that between 1 and 2 percent of all athletes who’ve been tested by NCAA members have tested positive for the coronavirus.”

Sie finden diese Meldung hier.

Nachdem sich in den allermeisten Fällen abzeichnet, dass Lehre an US-Hochschulen im kommenden Semester weit überwiegend bis vollständig online durchgeführt werden wird, mehren sich die Forderungen nach der (wie befürchtet) geringeren Qualität des Unterrichts Rechnung tragenden Rabatten bei den Studiengebühren.
Inside Higher Education berichtet nun, dass mehr und mehr Hochschulen den Rabattwünschen nachgeben würden, spricht von „substantial tuition discounts“ und schreibt dann: „Many universities are choosing to cut by 10 percent, including Johns Hopkins, Georgetown University and Lafayette College. Others will be cut even deeper. Thomas University will slash its tuition rates by roughly 30 percent and Paul Quin by about 28 percent. Some colleges are instead choosing to freeze tuition, defer payments or slash student activity fees (since student activities will be limited at best this fall at many institutions).”

Sie finden den Beitrag hier.

Ein Beitrag in der New York Times beschreibt die Rabattwünsche aus der Perspektive der Studierenden bzw. ihrer Eltern und nennt dabei etwas höhere Zahlen, etwa die 20%, um die die Studiengebühren nach Ansicht einer Unterschriftenaktion an Rutgers University gesenkt werden sollten. Es heißt zur Reaktion der Hochschulen: „Universities have been divided in their response, with some offering discounts but most resisting, arguing that remote learning and other virus measures are making their operations more, not less, costly at a time when higher education is already struggling.”
Der Beitrag berichtet auch, dass sich mit 340 Freshmen etwa 20% der Anfängerklasse an Harvard University dafür entschieden hätten, ihren Studienbeginn aufzuschieben, statt online ihr Studium aufzunehmen.
Schließlich heißt es: „Many colleges were facing financial dark clouds even before the coronavirus arrived. Population declines in some parts of the country have dampened enrollment, and soaring tuition has led many families to question the price of a college diploma. Moody’s Investors Service, which in March downgraded the higher education sector to negative from stable, wrote that even before the pandemic, roughly 30 percent of universities ‘were already running operating deficits’.”

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Wachsende Spannungen USA-China
Latitude(s) befasst sich mit der Executive Order des Weißen Hauses vom 6. August, mit der die US-Regierung die Nutzung der beiden Social Media Plattformen TikTok und WeChat einschränkt, und warnt vor den negativen Auswirkungen einer Einschränkung vor allem bei WeChat auf internationale Studierende aus China an US-amerikanischen Hochschulen. Es heißt: „For students abroad, WeChat is an essential connection to friends and family back home, especially now that coronavirus-related travel restrictions means that it may be many months before they can return to China.”

Sie finden den Beitrag hier.
Sie finden den Erlass hier.

Derselbe Beitrag verweist auch auf die jüngste Stornierung des Fulbright-Programm mit China und Hong Kong durch die US-Regierung als Reaktion auf die Hong Kong-Politik Chinas. Hierzu heißt es: „This deepens the downward spiral of U.S.-China relations and further politicizes people-to-people exchange programs that have served American public diplomacy with China over four decades. It sends a message that Trump’s America does not believe in dialogue with Chinese people.”

Inside Higher Education befasst sich mit der noch einmal verschärften Kontrolle der Confucius Institutes (CIs) an US-amerikanischen Hochschulen, also der chinesischen Kulturinstitute, die dort traditionell einen Teil des chinesischen Sprach- und Kulturunterrichts durchführen. Aktueller Anlass ist die Einstufung der Institute als „foreign mission“ durch das Außenministerium, um zu signalisieren, dass es sich bei ihnen nicht um bloße kulturelle Einrichtungen handele, sondern um Einrichtungen zur Verbreitung von Propaganda der chinesischen Regierung. Es heißt: „The State Department says the designation recognizes the Confucius Institute U.S. Center ‘for what it is: an entity advancing Beijing's global propaganda and malign influence campaign on U.S. campuses and K-12 classrooms’.”

Sie finden diesen Beitrag hier.
Den Erlass des State Departments finden Sie hier.

Die New York Times befasst sich mit der Entscheidung und kommentiert, dass sie eine Antwort auf eine Frage sei, die sich so nicht gestellt habe, denn auch außerhalb der CIs würden Materialien aus China verwandt, die erkennbar Propaganda seien. Es heißt: „Outside the Confucius Institutes, many teachers and students of the Mandarin Chinese language at American universities have for decades used textbooks from mainland Chinese publishers that have lessons with overt government or party propaganda. American teachers and students have rarely objected to the material. For many university students, it has been easy to tell that the material is propaganda.”

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Kurznachrichten
Inside Higher Education meldet die „Konsolidierung“ dreier Community Colleges innerhalb der New Mexico State University und schreibt: „The New Mexico State University (...) system will consolidate leadership at three community colleges across the state (...) so that the institutions will operate as branch campuses under central leadership rather than as stand-alone institutions.”

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In einem Beitrag für die New York Times beschreibt Sal Khan, der Gründer der virtuellen Khan Academy, wie sich online durchgeführter Unterricht noch verbessern ließe, und er räumt ein, dass die Qualität traditioneller Unterrichtsformen in virtuellen Formen nicht zu erreichen sei, vor allem nicht, weil die sozialen und emotionalen Aspekte von Klassenräumen weitgehend ausgeblendet würden. Dennoch sei angesichts von Covid-19 der virtuelle Klassenraum ohne Alternative, müsse aber hinsichtlich der Rückkopplung Lehrer-Schüler so nahe wie möglich an das Vorbild gebracht werden. Hierzu schreibt er: „To ensure that kids keep progressing on both the academic and social-emotional fronts, it’s critical that educators provide live teacher-led video conference sessions. These need to optimize both academic coverage and social interaction. A baseline would be two or three 30-to-45 minute sessions in each of the core academic subjects each week. These should not be broadcast lectures, which are not particularly engaging even in person, much less over Zoom. These sessions need to drive conversations between students and teachers and among the students themselves. Teachers should do cold calling to ensure students are on their toes and to pull them out of their screens. Teachers need to constantly ask students to work on questions together and share their thinking. Ideally, virtual breakout sessions will allow students to debate and help each other.”

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Inside Higher Education meldet die Eröffnung von Ermittlungen des US-amerikanischen Justizministeriums gegen Yale University zu den gleichen Vorwürfen, denen sich in der jüngsten Vergangenheit auch schon Harvard University ausgesetzt gesehen habe, nämlich Studienbewerber mit asiatischem oder kaukasischem Hintergrund anders zu bewerten als Bewerber aus an den Hochschulen noch unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen. Würde Yale, so ein Schreiben an die Hochschule, auch nach dem 27. August die ethnische Zugehörigkeit von Bewerbern mit in die Zulassungsentscheidung einfließen lassen, würde das Justizministerium gegen die Hochschule klagen. Im Hinblick auf die Erfolgsaussichten einer solchen Klage heißt es: „In October, a federal judge found that Harvard University’s policies were legal and did not discriminate against Asian Americans. That case is currently on appeal.“

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Sie finden das Schreiben hier.