Ausgabe ___ | March 29 2017
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Covid-19 und Hochschulen
  • Hochschulen und die herannahende Rezession
  • Talente rekrutieren, Talente halten: Tipps von drei führenden kanadischen Universitäten
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe befassen wir uns mit verschiedenen Hochschulnachrichten aus dem Umfeld der Coronavirus-Krise und mit Vorbereitungen von Hochschulen auf die wohl unausweichliche Rezession infolge der Krise. Wir werfen zudem einen Blick auf ein Interview des Canadian Council for the Advancement of Education (CCAE) mit Vertreterinnen dreier prominenter kanadischer Hochschulen zur Frage, wie man überdurchschnittliches Talent an die Einrichtungen bringen bzw. dort halten könne, und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten der Woche.

Ich wünsche Ihnen wie immer eine interessante Lektüre und in diesen Wochen zudem Gesundheit und Zuversicht.

Stefan Altevogt
Covid-19 und Hochschulen
In einem Beitrag auf Inside Higher Education schildern Claire Laporte, verantwortlich für geistiges Eigentum einer Biotech-Firma, und Leonard Cassuto, Englischprofessor an Fordham University, wie zum kommenden Herbstsemester der Unterrichtsbetrieb an den Hochschulen des Landes wieder in traditioneller Weise aufgenommen werden könne, ohne dabei die erzielten Fortschritte bei der Eindämmung von Covid-19 zu gefährden. Zentraler Gedanke ist dabei die sog. Herdenimmunität und die Tatsache, dass Studierende nicht zu den überdurchschnittlich von schweren Verläufen der Krankheit bedrohten Bevölkerungsgruppen gehörten. Die Autoren glauben, dass Hochschulen – anders als die fehlgeschlagenen Experimente im Vereinigten Königreich – einen gangbaren Weg zur Erreichung von Herdenimmunität bieten könnten und schreiben: „The biggest risks that attend reopening colleges are not to the students themselves. The groups at risk from reopening are: 1) faculty and staff members who are at higher risk due to age or existing conditions that make them vulnerable, 2) merchants and others in surrounding communities who are at risk for the same reasons, and 3) students’ home communities (or other communities outside the college), to which students travel during breaks, possibly seeding infection.”
Mit geeigneten Schutzmaßnahmen könne man hier vorbeugen, gesamtgesellschaftlichen Nutzen, nämlich Herdenimmunität, einbringen und die Hochschulen wieder zu den Orten machen, an denen Studierende für die Lernerfahrung hohe Studiengebühren zu zahlen willens seien. Sie schreiben: „Is college still worth it on these terms? Yes, for multiple reasons. For students, the alternative is isolation at home, with scant other opportunities. For professors and administrators, the alternative may be loss of their livelihoods. But students and college staff aren’t the only ones who would benefit. Higher education belongs to all of us – and we have to guard its health, too.”

Sie finden den Beitrag hier.

Der Chronicle of Higher Education wirft einen Blick auf die gegenwärtigen Probleme US-amerikanischer Hochschulen, die ihnen im Rahmen des Ende März vom Präsidenten unterzeichnete Coronavirus Aid, Relief, and Economic Security Act (CARES Act) für ihre Studierenden zugesagten $6 Mrd. möglichst gerecht und sinnvoll auszugeben. Es fehlten zum einen entsprechende Richtlinien des Bildungsministeriums, aus dem heraus es seitens Betsy DeVos bislang nur die vage Anleitung gegeben habe, „to prioritize your students with the greatest need [while trying] to ensure that these funds are distributed as widely as possible“. Zum anderen seien die zur Verfügung stehende Mitteln nicht ausreichend und erforderten entsprechende Rationierung. Dies werde derzeit in zwei verschiedenen Modi praktiziert, einmal reaktiv, also auf Anträge hin, oder proaktiv nach einer bestimmten Formel. Zu letzterer Strategie zitiert der Beitrag das Beispiel der Universidad Ana G. Méndez in Puerto Rico und schreibt: „Students with an expected family contribution of $0 [also aus den einkommensschwächsten Familien] will get about $800, (...). Everybody else will get about $500. In that way the university’s leaders hope to give an extra boost to their neediest students, while recognizing that all students have been affected.”

Sie finden diesen Beitrag hier.
Sie finden den Brief der Bildungsministerin hier.

Der Nachrichtenüberblick der kanadischen Academica Group zitiert eine Meldung aus Winnipeg, wonach einige internationale Studierende der University of Manitoba derzeit zwischen einer zum 30. April angeordneten Räumung der Wohnheime auf dem Campus und internationalen Reisebeschränkungen eingeklemmt seien.

Sie finden die Meldung hier.

Der Calgary Herald meldet ein konstantes, wenn nicht gar gestiegenes Interesse internationaler Studierender an einem Studienaufenthalt an einer der fünf großen Hochschulen der Stadt, selbst wenn diese derzeit vor allem damit beschäftigt seien, den unterschiedlichen Bedarfen derzeitiger Internationaler (Fortsetzung des Studiums, Rückreise, Verweilen auf dem Campus etc.) gerecht zu werden.

Sie finden diese Meldung hier.

Die Ontario Confederation of University Faculty Associations (OCUFA) hält es in einem Schreiben an die Provinzregierung in der gegenwärtigen Krisensituation nicht für angemessen, dass in Ontario geplante stärke Anbindung der Vergaben öffentlicher Mittel an Leistungsparameter der jeweiligen Hochschulen noch in diesem Jahr umgesetzt werde. Die Krise werde auch als Chance begriffen, das gesamte „performance-based funding model“ noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Es heißt in einer entsprechenden Presseerklärung: „OCUFA believes the government should revisit the entire Strategic Mandate Agreement process in the wake of the challenges now facing Ontario’s universities.”

Sie finden die Presseerklärung hier.

CBC meldet Anpassungen von Bewertungsrichtlinien von Studierenden verschiedener kanadischer Hochschulen an die derzeit erschwerten Lernumstände und schreibt: „The University of Prince Edward Island will deal with grades on a case-by-case basis, and reports that, instead of creating a blanket pass-or-fail system, students who are concerned about their grades should turn to their instructors to come up with a plan. Niagara College (...) noted that students who have not completed a course in the winter term will automatically receive a withdrawal note on their transcript that will not impact GPA.”

Sie finden diese Meldung hier.
Hochschulen und die herannahende Rezession
In Krisenzeiten, so ein Beitrag im Chronicle of Higher Education, würden Hochschulen reflexartig auf die Kostenbremse treten und entsprechend auch die eigenen Ambitionen an die schlechteren Rahmenbedingungen anpassen. Abgesehen von noch weitgehend ungeklärten Fragen, ob etwa die Entwicklung der Pandemie zum Herbstsemester eine Aufnahme des Hochschulbetriebs in „Normalform und –umfang“ erlauben werde oder ob bei einem Ende August wieder aufgenommenen Normalbetrieb im Laufe des Herbst nicht ein Wiederaufflammen der Pandemie dieselben Maßnahmen und finanziellen Einschnitte wie in den vergangenen Wochen zur Folge habe, müssten sich Hochschulen aus wenigstens zwei Gründen auf deutlich geringere Einnahmen aus Studiengebühren einrichten. Zum einen würden „on campus“-Preise sicherlich nicht über längere Zeit für online-Varianten derselben Ausbildung gezahlt, zum anderen werde die Rezession die Mittel insgesamt verknappen, aus denen heraus Familien die Studiengebühren bezahlten. Für die überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanzierten Hochschulen käme erschwerend noch die derzeit täglich prekäre werdende Haushaltslage der Bundesstaaten hinzu.
Einen Ausweg aus dem Dilemma zeichnet der Beitrag nicht wirklich auf, doch er legt nahe, dass die gegenwärtige Krise Entwicklungen beschleunigen würde, die ohnehin zu verzeichnen gewesen seien, und dass man entsprechend entlang dieser Entwicklungen für die Zukunft planen solle. Es heißt: „At Purdue, Northeastern, and Metropolitan State, leaders have asked committees to look not only at tactics the institutions need to adopt for remote learning, or possible plans for an uncertain fall, but at what their institutions should consider as permanent adaptations to the 21st century, such as more and better online content.”
Ein weiterer Gedanke zielt in Richtung des Alleinstellungsmerkmals eines traditionellen Studiums an einem College und dass dieser Aspekt auch in der Zukunft – dann aber vermutlich für einen kleineren Teil der Studierenden – eine entscheidende Rolle spielen werde. Hierzu zitiert der Beitrag Kent Devereaux, den Präsidenten des Goucher College, mit den Worten: „What we’ve heard loud and clear from our students is they selected a residential college for a reason. They could have gone to Arizona State University online. They chose not to.”

Sie finden den Beitrag hier.

Ein Beitrag auf Inside Higher Education befasst sich mit der Frage, ob die kommende Rezession einen ähnlichen „Blutrausch“ unter gewinnorientierten Hochschulen auslösen werde wie die Great Recession infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2008, dessen Exzesse in einem Bericht für den Bildungsausschuss des Senats festgehalten sind. Seinerzeit seien Studierende vor allem mit falschen Versprechen zur Höhe des Eigenanteils an den Studienkosten und zum ökonomischen Nutzen eines Studienabschlusses rekrutiert worden. 
Die Aussichten, Ähnliches künftig zu vermeiden, seien schlecht, denn zum einen sei es den Demokraten im Kongress nicht gelungen, den gewinnorientierten Hochschulbereich von den für die Hochschulen insgesamt vorgesehenen $14 Mrd. des insgesamt $2,2 Bio. umfassenden „stimulus package“ auszuschließen, zum anderen seien die gegenüber den For-Profits zu Zeiten Obamas verschärften Regulierungen unter DeVos wieder deutlich gelockert worden.
Erschwerend hinzu komme, dass sich die For-Profits in die politische Diskussion mit dem Argument einbrächten, ihnen käme eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Krise zu. Es heißt: „Steve Gunderson, president of the for-profit college industry group Career Education Colleges and Universities, said his institutions will play a critical role in producing medical technicians and manufacturing workers who will be important for the nation's ability to recover from the recession and be prepared for the next pandemic. The mechanics, health-care workers and other students they train will be key to that recovery. And Gunderson said the colleges shouldn’t be hamstrung by regulations they consider to unfairly target the sector.”

Sie finden diesen Beitrag hier.
Sie finden den Senatsbericht hier.
Talente rekrutieren, Talente halten: Tipps von drei führenden kanadischen Universitäten 
In einem Beitrag für den Canadian Council for the Advancement of Education (CCAE) geben drei für die Personalentwicklung an McGill University (Melina Tondino), der University of British Columbia (Irene Hensel) und der University of Toronto (Tania John Pihl) verantwortliche Führungskräfte Tipps, wie man Talent an die jeweilige Hochschule rekrutiert und wie man es vermeidet, dass das Talent entweder abstumpft oder die Hochschule wieder verlässt.
Die U of T bietet zum Beispiel ein auf die ersten drei Monate nach der Einstellung ausgerichtetes „Buddy-Program“ zur Verknüpfung der „Neulinge“ mit den alten Hasen und mit dem „U of T Advancement College“ eine Weiterbildungseinrichtung im Hause. McGill ist stolz auf das von ihr benutzte Assessment Tool „Strength Finder“, mit dessen Hilfe das Personal entwickelt werde, und die UBC verspreche sich viel von einem gemeinsam mit dem Development and Alumni Engagement Office entwickelten „People Plan”, nach dem Rekrutierungsziele ausfindig gemacht würden.
Um Talent langfristig an die Einrichtung zu binden, legt die U of T noch großen Wert auf traditionelle Auszeichnungen wie den Advancement Rising Leader Award oder den Advancement Distinguished Leader Award, während man an der UBC das Lob sehr viel kleinteiliger und entsprechend dichter an den guten Taten angesiedelt verteilt und an McGill sieht man sehr viel Potenzial in der ständigen Forderung des Talents durch dynamische Bedingungen.
Im Hinblick auf die jüngere Generation heißt es schließlich aus McGill: „We have found that what motivates people to stay (or, presumably, to leave) generally is their immediate manager. That relationship is crucial to satisfaction, engagement and performance. So management training is key. (...) Millennials want their managers to act as coaches in both their current job and their career. People want opportunities to move up the ladder and also to mentor others and take on new, challenging projects.”

Sie finden den Beitrag hier.
Kurznachrichten
Die Ende 2017 gegründete Presidents’ Alliance on Higher Education and Immigration hat sich zum Ziel gesetzt, die Auswirkungen US-amerikanischer Immigrationspolitik auf die Hochschulen des Landes kritisch zu begleiten und sich vor allem auch mit der Frage auseinanderzusetzen, was mit den nicht dokumentierten Immigranten geschehen solle, unter denen sich eine erhebliche Anzahl aktuell an US-Hochschulen eingeschriebener Studierender befindet. Gemeinsam mit der Denkfabrik New American Economy hat man nun die Untersuchung „Undocumented Students in Higher Education: How Many Students are in U.S. Colleges and Universities, and Who Are They?” vorgelegt, die von der folgenden Zahl ausgeht: „The new estimates show there are more than 450,000 undocumented students enrolled in postsecondary education representing two percent of all postsecondary students – underscoring the urgency for legislative action.”

Sie finden die Untersuchung hier.

In den vergangenen zehn Jahren, so eine Meldung auf Inside Higher Education, sei die Anzahl der US-amerikanischen Hochschulen, die vorwiegend Studierende mit lateinamerikanischem Migrationshintergrund betreuten, um 93% gestiegen. Dies sei auch eine Folge der Konzentration von „Latinx“, so der genderneutrale Begriff für Latina oder Latino, an weniger als 20% der Hochschulen des Landes. Die „Hispanic-serving institutions” (HSIs) seien vor allem in großen Städten und in Bundesstaaten mit hohem Latinx-Anteil zu finden. Es heißt weiter: „A little over half of HSIs are four-year institutions, and 69 percent are public.”

Sie finden die Meldung hier.

Die Meldung zitiert die sich mit HSIs und Latinx-Studierenden befassende Organisation Excelencia in Education, die derzeit 539 HSIs, weitere 352 „emerging HSIs“ und 1,44 Mio. Latinx-Undergraduates zählt.

Sie finden Excelencia in Education hier.

Die University of Victoria (UVic) in der kanadischen Provinz British Columbia gibt in einer Presseerklärung bekannt, dass sie künftig beim Einkauf von Waren und Dienstleistungen auf die Einhaltung der Hochschulstandards hinsichtlich von Arbeitsrecht, Umweltschutz und Menschenrechten achten werde. Es heißt: „The Code of Conduct applies to all suppliers who provide goods or services to the university, as well as their subcontractors. The framework addresses a broad range of topics from child labor, discrimination and environmental commitment to animal welfare, conflict of interest and gifts and hospitality. The code includes provisions for UVic to take action or terminate contracts with suppliers whose practices do not meet the required standards.”

Sie finden die Presseerklärung hier.