03.08.2020
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Diskussion um hybride Unterrichtsformate
  • Covid-19 und Hochschulen
  • Gehälter und Gehaltsstrukturen von Hochschulleitungen
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,
 
in dieser Ausgabe befassen wir uns mit der in einigen Fällen drängender werdenden Suche nach Überlebensstrategien für US-amerikanische Hochschulen und auch weiterhin mit Nachrichten im direkten Kontext von Covid-19. Wir werfen zudem einen Blick auf einen in der New York Times veröffentlichten Kommentar zur möglichen Zukunft des teuersten Segments der US-amerikanischen Hochschulbildung und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Gesundheit, Geduld und Zuversicht.
 
Stefan Altevogt
Consolidation? Die Suche nach Überlebensstrategien 
Der Chronicle of Higher Education befasst sich mit der angesichts von Covid-19 drängender gewordenen Frage nach Überlebensstrategien von öffentlich finanzierten Hochschulsystemen in US-Bundesstaaten, die bereits zuvor infolge eines demografischen Wandels Mühe gehabt hätten, ihre jeweiligen Kapazitäten auszulasten. Es heißt: „Higher education has an excess-capacity problem, says Ricardo Azziz, (...) a former president of Augusta University, in Georgia, and a co-author of a book on college mergers.”
Die Reihe von Bundesstaaten, die sich derzeit mehr oder weniger intensiv mit Konsolidierungen ihrer jeweiligen Hochschullandschaften befassten, reiche von Alaska über Connecticut, Georgia, Maine, Pennsylvania und Vermont bis nach Wisconsin. In den eher drastischeren Fällen wie Pennsylvania, wo das 14 vierjährige Campi umfassende Pennsylvania State System in den vergangenen zehn Jahren 20% seiner Studierenden verloren habe, gäbe es nach Auskunft der Leitung keine Alternative zur Zusammenlegung von Standorten. Ähnlich sähe es bei den zwölf Community Colleges in Connecticut aus, die nach bereits vor drei Jahren vorgestellten Plänen zu einer Einrichtung mit einer gemeinsamen Akkreditierung und Verwaltung zusammengefasst werden sollten, um die Schließung einzelner Standorte vermeiden zu können.
Allerdings könnten Konsolidierungen nur ein Teil der finanziellen Sorgen beseitigten. Es heißt: „Combined campuses don’t need two presidents, two provosts, or two chief financial officers, and cutting a number of top administrative salaries every year can add up. But two campuses still need professors to teach, administrators to keep offices running, and custodians to clean. Centralized purchasing and office functions may shave off some expenses, but there are still two sets of grounds to landscape, buildings to stock and maintain, and energy grids to run.”
Besser sei es in jedem Fall, Konsolidierungsmaßnahmen nicht aus einer defensiven Position heraus vorzunehmen, sondern wenn überhaupt, dann als aktive Strategie eines Zukunftskonzepts zu betreiben. Hier zitiert der Beitrag das Beispiel aus dem Bundesstaat Georgia und schreibt: „The University System of Georgia was not in financial trouble when it merged its campuses, though it did so, in part, to take advantage of economies of scale, and to make its operations more efficient, says John Fuchko III, vice chancellor for organizational effectiveness, who oversaw the system’s last three consolidations. While savings from redundant leadership positions that were eliminated across the system amount to about $30 million a year, that’s only about 1 percent of the system’s annual operating budget of $2.3 billion for the 2021 fiscal year.”

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Covid-19 und Hochschulen
Der Corona-Ticker des Chronicle of Higher meldet die Entscheidung zahlreicher Hochschulen, angesichts der zuletzt rasant gestiegenen Infektionszahlen in Teilen der USA im kommenden Wintersemester von Präsenzunterricht absehen zu wollen, und zitiert aus einem Schreiben von 30 Lehrenden an der University of North Carolina an Studierende die Worte: „Under current conditions, it is not safe for you to come to campus--to live in dormitories and apartments, to sit in classrooms, and to socialize with your peers in the way that college students usually do.“
 
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An der University of North Carolina at Pembroke, so ein weiterer Beitrag des Chronicle of Higher Education, verfolge man ungeachtet der hohen Zahl von Neuinfektionen derzeit weiterhin den Plan einer Rückkehr zum Präsenzunterricht am Campus, weil die Nachteile virtueller Unterrichtsformen die mit Covid-19 verbundenen Risiken deutlich überwiegen würden. Es heißt: „Some of Pembroke’s students (…) had trouble accessing the devices and internet connection they needed to finish their courses when the university went remote in the spring. To get an education, they needed to be back on campus.“

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Ein Beitrag auf Inside Higher Education befasst sich ebenfalls mit der Reaktion einzelner Bundesstaaten auf das Aufflammen neuer Infektionsherde und die Konsequenzen auf den Unterrichtsbetrieb im kommenden Wintersemester. Es heißt: „California set its own dismal record this week (...) but colleges and universities there have been much quicker to cancel in-person instruction. Florida, by contrast, has allowed state colleges and universities to come up with their own plans for fall. The individual campus plans fall along a spectrum, from mostly remote to mostly in-person courses.“

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In einem gemeinsamen Webinar des Institute of International Education (IIE) und dem Hochschulzugangstestanbieter College Board wurden vergangenen Mittwoch Ergebnisse der dritte Ausgabe der „COVID-19 Snapshot Survey Series“ vorgestellt, mit der US-amerikanische Hochschulen auch ihre Erwartungen an die internationale Mobilität skizzieren. Anfang bis Mitte Juli, so Mirka Martel vom IIE, ging die weit überwiegende Mehrheit (87%) der befragten Einrichtungen von hybriden Unterrichtsmodellen aus, fast die Hälfte rechneten mit Veränderungen im akademischen Kalender (Semesterende z. B. bereits zum Thanksgiving Weekend) und dass über 90% der befragten Einrichtungen ihre bereits im Land befindlichen internationalen Studierenden im kommenden Wintersemester in der ein oder anderen Form „gewohnt“ betreuen wollten. Im Hinblick auf das kommende Jahre sähe es allerdings nicht rosig aus, denn mehr als die Hälfte der befragten Einrichtungen berichteten mehr oder weniger starke Einbrüche bei den Bewerbungen internationaler Studierender.

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Sie finden die Veranstaltungsreihe hier.
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Angesichts der dramatischen Entwicklungen im internationalen Studierendenaustausch infolge von Covid-19 ist eine Rückkehr zur Normalität vom Herbst vergangenen Jahres kaum vorstellbar und so zitiert ein Beitrag im Guardian eine Führungskraft der Australian National University (ANU) mit den skeptischen Worten: „We don’t expect to ever return to business as usual pre-Covid.“ Der Beitrag macht deutlich, welchen Stellenwert Internationalisierung in den vergangenen Jahren gerade für australische Hochschulen gehabt habe. Es heißt: „Before Covid-19, universities around Australia had focussed their growth strategies on recruiting international students, whose fees enabled unis to build new buildings, fund research and offer a richer campus life, which in turn allowed them to compete aggressively in the international education market. The decade from 2009 to 2018 saw an unprecedented boom in international student enrolments. The revenue from this activity increased by 260% – from $3.4bn to $8.8bn. Eight Australian universities pushed their way into the top 100 lists around the world.“

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Inside Higher Education meldet die Entscheidung der Regierung in Neuseeland, mindestens bis Anfang kommenden Jahres keine internationalen Studierenden ins Land lassen zu wollen. Es heißt: „Prime Minister Jacinda Ardern urged colleges to moderate their expectations about how many students could be admitted even then, stressing that the borders would remain tightly managed. She said that before the pandemic, some 117,000 foreign students had arrived in the country each year. ‘Since we started our quarantine system, we’ve had a total of 31,000 returning New Zealanders come through‘, she said. ‘That gives you a sense of the scale‘.”

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Minerva Project: Die Zukunft internationaler Hochschulbildung?
In einem Beitrag für die New York Times wirft Frank Bruni einen Blick auf die Frage, ob Covid-19 nicht auch einen Prozess beschleunige, der vor Jahren begonnen habe und als Alternative zur traditionellen und kostenintensiven Hochschulbildung in teuren Gebäuden mit personalintensiver Betreuung, Hochschulsport und hohem Verwaltungsaufwand (um nur die üblichsten Verdächtigen der Kostenexplosion der vergangenen Jahrzehnte zu nennen) eine über vier Jahre online durchgeführte Ausbildung zu deutlich günstigeren Konditionen anbieten könne.
Als Kronzeugen der Plausibilität eines solchen Unterfangens präsentiert Bruni den ehemaligen US-Senator, Gouverneur von Nebraska, Präsidenten der New School in New York und derzeitigem Mitglied im Aufsichtsrat des Minerva Projects, Bob Kerrey. Kerrey ist als „Bekehrter“ für den Zweck der Zeugenschaft eine Idealbesetzung, denn als Präsident einer privaten Hochschule sei er mitverantwortlich für Investitionsentscheidungen für den Campus gewesen, Investitionsentscheidungen, die das Handeln der Hochschule für die Zukunft langfristig festgelegt habe. Das an der New School für $350 Mio. geschaffene University Center werde zwar von den Studierenden geliebt, habe aber die Weichen auf Präsenzunterricht gestellt. Zu diesen traditionellen Entscheidungen schreibt Bruni: „A campus also inflates the cost of college. Tuition, fees, room and board at Minerva are about $32,000 a year – easily half the sticker price of many prestigious private colleges – for students paying full freight, which is only about 20 percent of them. That’s made possible by the absence of gleaming campus structures.“
Covid-19 verhindere nun weitgehend Präsenzunterricht und mache einen kostentreibenden Faktor entsprechend obsolet, weshalb es sich gerade jetzt lohne, einen Blick auf die Konzeption des Minerva Projects zu werfen. Als Freshman sei man dort für zwei Semester am Standort San Francisco eingeschrieben, bevor es für jeweils ein Semester nach Berlin, Buenos Aires, Seoul, Hyderabad und London gehe, um schließlich wieder in San Francisco den Abschluss zu machen. In dieser Art Hochschulbildung, freilich für den Jet Set, aber mit einem Betreuungsverhältnis ebenbürtig den besten Privathochschulen und virtuellen Unterrichtsmodi „a far cry from Zoom“ könne Minerva gerade in Zeiten von Pandemien wegweisend für eine Weiterentwicklung im Höhenkamm der US-amerikanischen Hochschullandschaft sein.
Das Geschäftsmodell traditioneller Hochschulbildung im zumeist privatfinanzierten und hochpreisigen Segment der Landschaft hätte allerdings auch schon vor Covid-19 deutlich erkennbare Risse bekommen. Es heißt: „Mitchell Stevens, an associate professor of education at Stanford, told me that even before the pandemic higher education ‘was in many ways being held together by prayers, Band-Aids, international students and a lot of debt. What the pandemic creates is a kind of existential challenge to so many colleges and universities and business-model presumptions. That’s an opportunity for fairly radical rethinking.‘”
 
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Sie finden das Minerva Project hier.

Wir hatten uns 2014 an dieser Stelle bereits einmal mit dem Minerva Project befasst. Anlass war seinerzeit ein Beitrag im Atlantic Monthly, dessen Zusammenfassung lautete: „A brash tech entrepreneur thinks he can reinvent higher education by stripping it down to its essence, eliminating lectures and tenure along with football games, ivy-covered buildings, and research libraries. What if he’s right?“

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Kurznachrichten
In einem Beitrag zu möglichen Gründen für wachsenden Populismus in westlichen Demokratien zitiert Thomas Edsall in der New York Times eine vergangenes Jahr mit dem Titel „The College Wealth Divide: Education and Inequality in America, 1956-2016“ veröffentlichte Untersuchung dreier Ökonomen der Universität Bonn, die die Entwicklung der Einkommens- und Vermögenskluft in den USA seit Beginn der 1970er Jahre beschreibt. Es heißt: „The real income of non-college households stagnated, while the real income of college households has risen by around 50 percent. (…) While non-college households were treading water in terms of wealth, college households have increased their net worth by a factor of three compared to 1971.“
 
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In einem Beitrag für das Edmonton Journal fordert die Direktorin des Human Capital Centre der Canada West Foundation, Janet Lane, ein Überdenken des Konzepts tertiärer Bildung in Kanada und eine stärkere Einbeziehung berufsbildender Aspekte, so wie es etwa in europäischen Berufsbildungskonzepten verfolgt würde. Sie schreibt: „With so many well-educated and experienced workers looking for good quality work right now, apprenticeship could be the way to fill their gaps in required competencies and enable them to become the job-ready candidates that new employers are looking for.“

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In einem Beitrag auf Inside Higher Education fordert Janet Napolitano, ehemalige Ministerin im Department of Homeland Security und derzeit Präsidentin des University of California Systems, die derzeit durch Covid-19 deutlich niedrigeren bzw. ganz abgeschafften Bezahlschranken zu den Ergebnissen öffentlich finanzierter Forschung langfristig abzuschaffen. Sie schreibt: „Lifesaving research should always be available to all – not only during a global health crisis. As the pandemic has demonstrated recently, our way to better therapeutics and a vaccine depends on open access to scientific research.“

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Inside Higher Education zitiert einen Beitrag auf Consumer Reports, wonach College Board Daten von (angehenden) Studierenden mit den Größen auf dem US-amerikanischen Datenmarkt (Adobe, Facebook, Google, Microsoft, Snapchat, Yahoo und AdMedia) teilen würde, und zitiert dessen Sprecher mit den Worten: „We only share information this way to send messages to students who have created personal, online accounts on our website, CollegeBoard.org. The data we share with third party platforms is encrypted and hashed, and is used by those platforms to deliver our messages to our users. We are not paid by any of those platforms. Students can always manage privacy settings within platforms and apps, including what happens once they get to any platform.“

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Die New York Times widmet sich mit dem „College Drop-Off“ einer Tradition US-amerikanischer Familien, der durch Covid-19 nun eine Pause verordnet worden sei. Es heißt: „The poignant annual tradition of college drop-off – parents driving the new, nervous college student to school, bringing along brothers and sisters to see their sibling’s new home, setting up the tiny dorm room together, sharing one last meal with the entire family, then waving goodbye as the almost-adult runs off with a big pack of possible new best friends – has become the latest family milestone rendered almost unrecognizable by the coronavirus pandemic.”

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