01.02.2021
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Hochschul- und Bildungspolitik der neuen Regierung

  • Covid-19 und Hochschulen

  • Was die US-Bundesregierung jetzt tun sollte

  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,

wir befassen uns in dieser Ausgabe mit dem Hochschul- und Bildungsticker der neuen Regierung im Chronicle of Higher Education und weiterhin mit dem Thema Covid-19 und Hochschulen. Wir werfen zudem einen Blick auf einen Beitrag des Präsidenten des American Council on Education in der Washington Post zur Frage, wie Zugang zu Hochschulbildung in den USA gerechter verteilt werden könne, und schließlich wie immer auf Kurznachrichten der Woche. 

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Gesundheit, Geduld und Zuversicht.

Stefan Altevogt
Hochschul- und Bildungspolitik der neuen Regierung
Der Chronicle of Higher Education verfolgt die ersten sichtbaren Tendenzen der Hochschul- und Bildungspolitik der neuen Regierung mit „Live-Updates“ und befasst sich in einem dieser Updates mit einem Interview, das der designierte Bildungsminister, Miguel Cardona, am vergangenen Montag dem Connecticut Public Radio gegeben hat.
Es wird die Bemerkung vorausgeschickt, dass Cardona in seiner bisherigen Laufbahn vor allem Erfahrungen im primären und sekundären Bildungssektor gewonnen habe, und so verwundert es auch nicht, dass er sich auf die ihm gestellten Fragen erst einmal sicheren Boden unter den Füßen verschaffen möchte. Auf die Frage, wie er der Gefahr begegnen wolle, dass Covid-19 die ohnehin schon tiefe und im wesentlichen einkommensabhängige Kluft hinsichtlich der Studieneignung noch vertiefe, antwortet er etwa, dass er sicherstellen wolle, dass dies nicht geschehe. Er unterstütze den Plan Bidens „to provide some relief for college students”, hebt – ebenfalls in Übereinstimmung mit Biden (was sollte er auch anderes tun?) die Bedeutung von Community Colleges hervor und unterstützt auch den Plan des Präsidenten, den Besuch von Community Colleges ganz von Studiengebühren zu befreien. Etwas deutlicher wird Cardona im Hinblick auf eine bessere Erschließung tertiärer Bildung für bildungsfernere Schichten mittels einer engeren Verknüpfung mit sekundärer Bildung etwa durch die Schaffung von „dual-enrollment programs“. In ihnen könnten an den Hochschulen noch unterrepräsentierte Schichten das Maß an Selbstverständlichkeit eines Hochschulbesuchs lernen, das in bildungsnäheren Kreisen bereits üblich ist.

Sie finden die Live-Updates hier.
Sie finden das Gespräch hier.

Ein weiteres Live-Update verweist auf ein Schreiben des Bildungsministeriums an die Financial Aid Administrators der Hochschulen mit der Bitte hin, in ihren Förderentscheidungen die erschwerten Bedingungen der Studierenden infolge von Covid-19 zu berücksichtigen, etwa der Verlust von Nebenerwerbsmöglichkeiten. Das Update zitiert den Präsidenten der National Association of Student Financial Aid Administrators, Justin Draeger, mit den Worten: „It’s a welcome reminder. We also encouraged schools to do whatever’s within their power to help students and families that are facing income disruption. We’re glad to have the department’s partnership on this.”

Sie finden das Schreiben hier.

Zwei weitere Updates sind die ausdrückliche, aber weniger überraschende Unterstützung der neuen Regierung für die historically black colleges and universities (HBCUs) des Landes und die in ihren Folgen möglicherweise eher überraschende Personalentscheidung, Peter Sung Ohr zum vorläufigen General Counsel des National Labor Relations Board zu machen. Was dies mit Hochschulen zu tun haben könnte, erschließt sich aus dem Satz: „Ohr wrote the 2014 decision affirming that Northwestern University football players were employees who were legally entitled to unionize.“
Covid-19 und Hochschulen
Der Covid-Ticker des Chronicle of Higher Education meldet unter anderem Erfolge der Covid-Strategie an der University of Notre Dame und schreibt: „After a two-week suspension of in-person undergraduate classes [im August 2020], the university finished out the semester with relatively low levels of transmission. A new report from the Centers for Disease Control and Prevention credits the turnaround to more testing, better contact tracing, and improved adherence to mitigation measures like social distancing.”

Sie finden den Ticker hier.
Sie finden den zitierten Bericht hier.

Der Ticker meldet zudem die Veröffentlichung jüngster Zahlen des Student Clearinghouse Research Centers, denen zufolge sich Covid-19 vor allem auf zweijährige Abschlüsse und Zertifikate ausgewirkt habe. Man zitiert aus dem Bericht: „Much of the decline in overall first-time graduates can be explained by associate degree and certificate earners whose numbers dropped sharply at a time when the pandemic began shutting down the U.S. economy and higher-education institutions.”

Sie finden die Zahlen hier.

In Kanada ist man dagegen bislang noch sehr gut mit der Corona-Krise fertig geworden, wie einzelne Meldungen belegen, etwa die über einen Infektionsherd an McGill University, wo 15 Studierende ihre Wohnheime verlassen mussten und insgesamt 44 Studierende nach (nicht genehmigten) Partys positiv auf das Virus getestet wurden.

Sie finden die Meldung hier.

Die Washington Post widmet sich dem Widerstand von Hochschulangestellten der Georgetown University, die von der Hochschulleitung aufgefordert worden seien, sich entweder sinnvoll an den Bemühungen der Hochschule zur Bekämpfung der Pandemie zu beteiligen oder aber unbezahlten Urlaub zu nehmen. Es heißt: „More than 200 people have signed an open letter calling on the university to end the policy they say was created ‘without adequate safeguards to ensure that excess burden is not placed on people with disabilities, women and those with dependent care responsibilities, people of lower socioeconomic status and staff of color within our community,’ according to the letter.”

Sie finden den Beitrag hier.

Ein Beitrag in der New York Times widmet sich den außergewöhnlichen Maßnahmen, mit denen es der University of California in Davis gelungen sei, die von den Studierenden ausgehenden Covid-Risiken für andere Teile der Bevölkerung am Standort zu minimieren. Es heißt: „U.C. Davis (...) has made free coronavirus tests – twice weekly, with overnight results – available to all 69,500 people in the city of Davis and hundreds of nonresidents who just work there. It has also trained dozens of graduate students to help with contact tracing; recruited hotel and apartment owners to provide free isolation and quarantine housing to anyone in town exposed to the virus; and hired some 275 undergraduate ambassadors to combat health disinformation and hand out free masks.” Durch das Programm seien seit Thanksgiving mehr als 850 Infektionsherde rasch identifiziert worden und dadurch beherrschbar geblieben.

Sie finden diesen Beitrag hier.

Als einen „collateral benefit“ der Covid-Krise könnte man die jüngste Tendenz einiger hochselektiver Hochschulen bezeichnen, bei Studienbewerbungen auf Ergebnisse standardisierter Eignungstests wie SAT und ACT zu verzichten. Ein Ergebnis dieser „Offenheit“ ist einem Beitrag der Washington Post zufolge ein starker Anstieg von Bewerberzahlen an diesen Hochschulen, vermutlich auch, weil man sich dort auch noch unter Covid eine hochwertige Ausbildung verspricht. Als Beispiele werden genannt: University of Virginia (+15%), University of California at Berkeley (+28%) und Harvard University (+42 %). Es heißt: „The sudden explosion in demand for these and other big-name schools is another ripple effect of the coronavirus pandemic that could reshape college admissions for many years to come. The pandemic has given huge – and in some places, decisive – momentum to a movement to reduce or even eliminate the use of admissions testing at highly competitive colleges and universities. That, in turn, has lured more applicants to the upper tier of the market.”

Sie finden diesen Beitrag hier
Was die US-Bundesregierung jetzt tun sollte
In einem Beitrag für die Washington Post beschreibt Ted Mitchell, Präsident des American Council on Education, wie die neue US-Regierung schnell und effizient für bessere und gerechter verteilte Bildungschancen für die Bevölkerung sorgen könnte. Er geht dabei von einem Schlagwort im Wahlkampf der Demokraten aus, nämlich dem „build back better“, einer Strategie also, die sich überlappenden Krisen von Covid-19 und der daraus resultierenden Wirtschaftskrise nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, sondern die Hochschullandschaft insgesamt besser aufzustellen und dafür zu sorgen, dass tertiäre Bildung als Schlüssel zu ökonomischem Aufstieg auch für die sozial schwächeren Teile der Gesellschaft erschwinglich bliebe bzw. würde.
Für einen „Wiederaufbau“ müsse man sich allerdings erst einmal einen ehrlichen Überblick über die gegenwärtigen „Schäden“ verschaffen und feststellen: „Enrollment among first-time college students is down, especially in community colleges that have traditionally been the first rung on the ladder of intergenerational mobility. Moreover, enrollment rates for first-generation, low-income, minority students and ‘dreamers’ have slumped across the board.” Es drohe damit derzeit akut der Verlust von Erfolgen der vergangenen Jahrzehnte.
Dies zu verhindern, solle rasch der Vorschlag Bidens aus dem Wahlkampf umgesetzt werden und mit den Pell-Grants das elternabhängige Studierenden-Bafög auf einen maximalen Förderbetrag von knapp $13.000 im Jahr verdoppelt werden. Die Voraussetzungen in der Legislative seien im Hinblick auf das Pell-Grant Programm günstig, denn beiden Parteien unterstützten es, wenn auch aus jeweils unterschiedlichen Gründen.
Auf eine Gefahr (die auch in Deutschland bekannt sein sollte) macht Mitchell aufmerksam, ohne hier konkrete Maßnahmen aufzuzeigen, der Gefahr zu begegnen. Je stärker sich der Bund in die direkte oder auch indirekte Finanzierung von Hochschulen einbringe, also über höhere Studienbeihilfen höhere Studiengebühren ermöglicht, desto mehr können sich die ohnehin klammen Haushalte der Bundesstaaten aus ihrer jeweiligen direkten Finanzierung von Hochschulen rausziehen, ein Vorgang, der in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu beobachten gewesen sei. Hier schreibt Mitchell lediglich: „The Biden Pell Grant plan must be coupled with safeguards designed to ensure that states continue their general support for public institutions of higher education at current levels.”

Sie finden den Beitrag hier.

Statista bietet einen Überblick zu den Ausgaben des Pell-Grant Programms während der vergangenen 40 Jahre und zeigt, dass es zuletzt ein jährliches Volumen von $27,8 Mrd. hatte. Die indirekte Finanzierung von Hochschulen über Studienbeihilfen wie Pell-Grants und – noch deutlich umfangreicher – die verschiedenen vom Bund subventionierten Student Loan-Programme kommen dabei sowohl den überwiegend öffentlich finanzierten, wie auch den privaten Hochschulen (und selbst den for-profits) zugute.

Sie finden die Zahlen zu Pell-Grants hier.
Sie finden die Zahlen zu Student Loans hier.

Der Chronicle of Higher Education bietet eine soeben veröffentlichte Übersicht über die direkten Investitionen der Bundesstaaten in ihre jeweiligen Hochschulen und den Zusammenhang zwischen diesen Investitionen und dem Anteil, den Studierende über ihre Studiengebühren zur Finanzierung der Hochschulen beitragen. Die Bundesinvestitionen werden ebenfalls aufgeführt und in der Erläuterung heißt es: „Revenue from federal sources includes all federal grants and appropriations to the institution except for Pell Grants, which are included in tuition revenue.“

Sie finden diese Zahlen hier.
Kurznachrichten
Die Abordnung der Verschwörungstheoretikerin Marjorie Taylor Greene in den Bildungsausschuss des US House of Representatives durch die Fraktion der Republikaner wird in der Washington Post mit den Worten der Mehrheitsführerin, Nancy Pelosi, kommentiert: „Assigning her to the education committee when she has mocked the killing of little children at Sandy Hook Elementary school. When she has mocked the killing of teenagers in high school at Marjory Stoneman Douglas High School. What could they be thinking – or is thinking too generous a word about what they might be doing. It’s absolutely appalling.”

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Globe and Mail zitiert Zahlen von Statistics Canada, wonach sich über die vergangenen fünf Jahre Spenden an kanadische Hochschulen auf mehr als Can$1,5 Mrd. summiert hätten, und bemerkt, dass eine Tendenz zu Großspenden von mehr als Can$10 Mio. zu beobachten sei. Es heißt: „A decade ago, a donation of $1-million or more to a university was a big deal, he said, and it still is, but larger gifts are becoming more common. In part, it’s a demographic trend as a generational transfer of wealth occurs, he said. But it’s also because donors, particularly the wealthiest, are focused on impact.”

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University Affairs befasst sich mit einem Bericht des Council of Canadian Academies zum Missverhältnis zwischen den Zahlen von Promotionen und entsprechenden Angeboten auf dem akademischen Arbeitsmarkt. Zwischen 2002 und 2017 habe sich die Zahl der Promotionen in Kanada von 3.700 auf über 8.000 mehr als verdoppelt, während die Zahl der angestrebten Stellen im „tenure stream“ der Hochschullandschaft unverändert bei etwa 41.000 verharre.

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