Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
|
|
Die Themen dieser Woche:
- Hochschulbildung und Lebensqualität
- Ist Studienerfolg ein goldenes Kalb?
- Covid-19 und Hochschulen
- Kurznachrichten
|
|
Liebe Leserinnen und Leser,
in dieser Ausgabe befassen wir uns mit dem Zusammenhang zwischen Hochschulbildung und Lebensqualität und mit der Frage, ob die Graduation Rate ein sinnvoller Maßstab von Hochschulleistung ist. Wir werfen zudem einen Blick auf aktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus und mögliche Folgen für die Hochschullandschaft und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten der Woche.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.
Stefan Altevogt
|
|
Hochschulbildung und Lebensqualität
|
|
Ein Beitrag in der New York Times befasste sich in der vergangenen Woche mit dem bereits vor fünf Jahren durch die Ökonomen Anne Case und Angus Deaton nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Bildung und Lebensqualität. Case und Deaton hätten zu verstehen versucht, warum derart viele weiße US-Amerikaner (es seien vor allem Männer) durch Selbstmord bzw. chronischen Formen des Selbstmords wie Alkoholismus oder Drogenmissbrauch dem „death of despair” zum Opfer fielen, dass es sich bereits in allgemeineren Statistiken niederschlage – „a rare and shocking pattern in a modern society”.
Fragen der Bildung hätten überhaupt nicht im Zentrum des Erkenntnisinteresses der beiden Ökonomen gestanden, doch an einer Tatsache habe man schlichtweg nicht vorbeisehen können: „Up and down the age spectrum, deaths of despair have been surging for people without a four-year college degree.” Hätten 1992 die statistischen Selbsmordraten von Weißen zwischen 45 und 54 mit und ohne Hochschulabschluss noch relativ eng beieinander und um die 30 pro 100.000 gelegen, habe sich die Selbstmordrate unter Weißen dieser Altersgruppe ohne Hochschulabschluss bis 2017 fast verdreifacht, während sie in der Gruppe der Weißen dieser Altersgruppe mit Hochschulabschluss nur ganz leicht gestiegen sei.
Ohne Hochschulabschluss sei man deutlich weniger oft verheiratet (78% vs. 65%), gehe weniger häufig in die Kirche (27% vs. 23%), leide mehr unter chronischen Schmerzen (60% vs. 45%) und sage häufiger, man sei „not too happy these days” (18% vs. 8%).
Die leicht nachzuvollziehende Schlussfolgerung aus den vorliegenden Daten: „The combined result is a divergence in the life expectancy of white college graduates and non-graduates. Overall mortality for whites between the ages of 45 and 54 has held roughly steady in the last 25 years. But that average hides a big increase in death rates for non-graduates and a big decline for graduates.”
Sie finden den Beitrag
hier
.
Ein anderer Beitrag der New York Times befasst sich mit den jüngsten Zahlen des Survey of Earned Doctorates (SED) und den sehr schlecht gewordenen Aussichten von Promovierten vor allem in den Geisteswissenschaften, ihre akademischen Karrieren auf einer entfristeten Professur zur Blüte bringen zu können. Es heißt: „The humanities labor market is in crisis. Higher education industry trade publications are full of essays by young Ph.D.s who despair of ever finding a steady job. Phrases like ‘unfolding catastrophe’ and ‘extinction event’ are common. The number of new jobs for English professors has fallen every year since 2012, by a total of 33 percent.”
Der Beitrag zeichnet die folgende Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten nach: Seien von den etwa 940.000 Lehrenden an US-amerikanischen Hochschulen 1995 noch etwa 400.000 entfristet gewesen oder auf dem Weg zur Entfristung (Tenure Track), so habe sich am Ende der letzten starken Wachstumsperiode, von 12,2 Mio. Studierenden 1995 auf 18,1 Mio. Studierenden 2011, ein anderes Verhältnis zwischen Lehrbeauftragten und Festangestellten eingestellt gehabt: „The number of contingent faculty more than doubled, to 1.1 million. The number of tenured and tenure-track faculty, by contrast, increased by only 9.6 percent, to 436,000.” Für die Hochschulen sei es vor allem eine Kostenfrage, ob mit Lehrbeauftragten oder Festangestellten unterrichtet werde, für die Contingent Faculty eher eine Frage, ob die Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreichten, was in zu vielen Fällen nicht gewährleistet sei: „Many adjuncts earn only a few thousand dollars per course, with no health insurance or retirement benefits. Twenty-five percent of part-time faculty receive some form of public assistance.”
Der Ausbildung des akademischen Nachwuchses hätten die schlechten Perspektiven allerdings noch nicht geschadet. Im Gegenteil: Die SED-Zahlen wiesen aus, dass zwischen 1988 und 2018 die Promotionszahlen in „Humanities and Arts” von 3.570 auf 5.145 gestiegen seien. Einer der Gründe sei der Nutzen der Doktoranden für die entfristeten Professoren. Es heißt: „Tenured professors like having graduate students around. They teach the boring undergraduate sections for little or no pay and provide inexpensive research assistance. For many veteran scholars, training the next generation is one of the most rewarding parts of the job.”
Sie finden diesen Beitrag
hier
.
Sie finden den jüngsten SED
hier
.
|
|
Ist Studienerfolg ein goldenes Kalb?
|
|
In einem Beitrag für den Chronicle of Higher Education fordert Walter M. Kimbrough, der Präsident der Dillard University: „It’s Time to Stop Calculating Graduation Rates”. Als er 2004 sein Amt an einem der „historically black colleges and universities” (HBCU) angetreten sei, hätten die Graduation Rates – der Anteil der Studierenden, die in 150% der Regelstudienzeit einen Abschluss erreicht hätte – wie an vielen andere HBCUs bei durchschnittlich 16% gelegen, unter Männern gar bei nur 11%. Man dürfe aber angesichts der sozioökonomischen Situation der Studierenden an HBCUs davon nicht überrascht sein. Er schreibt: „With more than two-thirds of HBCU students eligible for Pell Grants, and with Pell recipients generally having lower graduation rates, the numbers aren’t surprising.” Dennoch, trotz der Konzentration auf Kinder aus einkommensschwachen und bildungsfernen Haushalten sei es an Dillard bis 2012 gelungen, die Graduation Rate auf über 40% zu steigern.
Nun aber verfestige sich bei ihm nach 15 Jahren die Einsicht, dass die Fixierung auf die Graduation Rate zu falscher Hochschulpolitik und falschen Entscheidungen angehender Studierender führe: „Graduation rates are meaningless, and we should stop keeping track of them.” Graduation Rates würden komplexe Zusammenhänge ungebührlich vereinfachen, sie würden ohne Kontext verwendet und seit 2013 hätten sie in den College Scorecards eine öffentliche Bedeutung gewonnen, die methodologisch nicht zu rechtfertigen sei. Er führt aus: „A simple analogy might help. Two people visit the doctor: One weighs 175 pounds, the other 200. Is that enough to determine which one is healthiest? Of course not. If we simply used the body-mass-index calculator as a proxy for health, we would have to factor in height, gender, and age. Deeper analysis would include family history, level of physical activity, eating habits, etc. This makes sense to most people.”
So sei es auch bei den Graduation Rates, die für sich allein genommen die allermeisten sozioökonomischen Aspekte ausblendeten. Was sei eine höhere Leistung der Hochschule, eine Graduation Rate von 75% bei einem Anteil von Bafög-Empfängern von nur 20% oder eine Graduation Rate von 40% bei einem Anteil von Bafög-Empfängern von 80%? Schwer zu sagen, dennoch mit weitreichenden Folgen: „Most students and their families don’t have the time or attention span for a meaningful understanding of graduation rates, so the simplistic use of those numbers only harms colleges with rates that people consider to be low. Imagine the frustration I experienced in having to explain to person after person in 2013 that the 24-percent graduation rate at my current institution, Dillard University, posted on the College Scorecard, had been based on the freshman cohort of 2005, which enrolled just days before Hurricane Katrina made landfall here in New Orleans.”
Sie finden den Beitrag
hier.
|
|
Obgleich die Fallzahlen in den USA gemessen an der Einwohnerzahl derzeit noch gering zu sein scheint (es wurde bislang aber auch vergleichsweise nur wenig auf das Virus getestet), reagieren bereits einige Hochschulen und Verbände mit Maßnahmen, den Ausbruch einer Epidemie zu verhindern oder aber deutlich zu verlangsamen. In einem Beitrag gibt der Chronicle of Higher Education einen Überblick über einzelne Maßnahmen und schreibt: „As more cases are reported, colleges are re-evaluating their study-abroad programs, moving courses online, and taking other preventive measures. Meanwhile, some academic associations are canceling their conferences.”
Zunächst bis 19. März würden etwa an Standford University alle Unterrichts- und Prüfungsaktivitäten ohne physische Präsenz in Klassenräumen durchgeführt, an der University of Washington und Yeshiva University ginge man ähnlich vor und im Hinblick auf die „March Madness”, eines der größten Ereignisse im College Sport, heißt es: „With the annual March Madness basketball tournaments on the horizon, the National Collegiate Athletic Association announced on March 3 the formation of a Covid-19 advisory panel of public-health and epidemiology experts and member colleges. An advocacy group has advised the association to consider holding games without an audience, and that step has not been ruled out.”
Während zahlreiche Konferenzen und Meetings bereits ausgefallen bzw. verschoben worden seien (darunter auch das Pop-Art-Science Festival South by Southwest), sei man im American Council on Education (ACE) und bei NAFSA: Association of International Educators derzeit noch zuversichtlich, die jeweiligen Jahrestagungen wie geplant durchführen zu können. Zu NAFSA, deren Tagung für Anfang Mai in St. Louis geplant ist, heißt es: „It is one of the largest international-education conferences, with more than 9,000 expected attendees.”
Die Bedeutung internationaler Studierender für die US-amerikanische Hochschullandschaft – derzeit mehr als 1 Mio. mit einem ökonomischen Gewicht von über $40 Mrd. pro Jahr – macht die Entscheidung von NAFSA, nicht vorschnell abzusagen, durchaus nachvollziehbar. Jedoch im Hinblick auf die weitere Entwicklung sei man durchaus besorgt. Es heißt: „For American colleges at the height of the admissions season, the virus is forcing them to work on parallel tracks for international students. On one, it’s business as usual. On the other, they are planning for a myriad of contingencies. Will the students be able to come to the United States for the fall term? Will they want to?”
Sie finden den Beitrag
hier.
Einen entsprechenden Überblick von Inside Higher Education finden Sie
hier.
Ein weiterer Beitrag befasst sich im Chronicle of Higher Education mit den möglichen nächsten Schritten in der Hochschullandschaft und mit entsprechenden Konsequenzen auf die künftigen „Geschäftsmodelle” von Colleges und Universitäten. Würden im Zuge der gegenwärtigen Coronavirus-Krise eingeführte Formen von Unterricht und Prüfung nach Abklingen der Epidemie wieder abgeschafft, oder würden sich die ökonomischen Vorteile von Fernstudien auch dauerhaft in der „klassischen Hochschullandschaft” durchsetzen? Die Autoren des Beitrags vermuten, dass es infolge der akuten Änderungen flächendeckend zu keinem dauerhaften Wechsel der Lehr- und Prüfungsformate kommen werde. Darauf sei die Landschaft in der Fläche schlicht nicht vorbereitet. Es heißt: „While one national survey found that 46 percent of professors had taught an online course, different skills are needed to switch abruptly to doing that. What is the best way to deliver a lecture? What about student presentations, or active-learning projects? Is it better to teach class in real time or asynchronously? Campus ed-tech experts are wrestling with those and other tricky issues.”
Sie finden diesen Beitrag
hier.
Es mag aber dennoch sein, dass die gegenwärtige Coronavirus-Krise einen Trend noch beschleunigen wird, der im „The Trends Report” des Chronicle of Higher Education Mitte Februar 2019 beschrieben worden war (wir berichteten), nämlich die Herausbildung einer Handvoll sogenannter Mega-Universities, die mit vielen Fernstudienangeboten in den vergangenen Jahren starke Wachstumsraten erzielt haben, während die traditionellen Hochschulen eher stagnierten. Es hieß: „At a time when many colleges are struggling with shrinking enrollment and tighter budgets, Southern New Hampshire is thriving on a grand scale, and it’s not alone. Liberty, Grand Canyon, and Western Governors Universities, along with a few other nonprofit institutions, have built huge online enrollments and national brands in recent years by subverting many of traditional higher education’s hallmarks. Western Governors has 88,585 undergraduates, according to U.S. Education Department data, more than the top 14 universities in the annual U.S. News & World Report rankings combined.” Marktführer unter den „Megas” ist derzeit Arizona State University mit mehr als 95.000 Studierenden.
|
|
Ein Beitrag in University Affairs macht noch einmal auf die soziale Schieflage in der kanadischen Medizinerausbildung aufmerksam, die zur Zeit 63% Studierende aus Haushalten mit Jahreseinkommen oberhalb Can$ 100.000 ausbilde, aber nur 7% Studierende aus Haushalten mit Jahreseinkommen unterhalb Can$ 40.000. Dass es auch anders gehe, zeige das Beispiel der University of Manitoba. Dort sei man mittlerweile „a leader in diversity”. Es heißt: „Out of 110 students in this year’s entering class [der Medizinerausbildung], 15 are Indigenous, 42 are among the first generation of their family attending postsecondary education, 41 students were raised in households with incomes below the Canadian median and 36 students are members of a visible minority group.”
Sie finden den Beitrag
hier.
CBC meldet, dass die Simon Fraser University in der vergangenen Woche Opfer einer „ransomware attack” geworden sei und dass im Zuge dessen auch zahlreiche personenbezogenen Daten gestohlen worden bzw. in die Öffentlichkeit gelangt seien. Es heißt: „The information exposed includes student and employee ID numbers, full names, birthdays, course enrolments and encrypted passwords.”
Sie finden die Meldung
hier.
CBC meldet das Urteil des Ontario Superior Court Justice Ed Morgan im Rechtsstreit zwischen dem Rundfunksender, dem Fast-Food-Anbieter Subway und der Trent University. Letztere hatte per DNA-Tests analysiert gehabt, wieviel Chicken tatsächlich im Chicken auf den Sandwiches von Subway sei und das Ergebnis – etwa 50% – habe in den Augen des Senders genug Nachrichtenwert gehabt, es in der beliebten Sendung „Marketplace” zu verbreiten. Subway habe daraufhin auf Rufschädigung geklagt und Can$ 120 Mio. Schadensersatz verlangt. Dies sei nun zurückgewiesen worden, die Kosten des Verfahrens habe Subway zu tragen und lediglich Trent University müsse wegen in den Augen des Gerichts schlampiger Laborarbeit einen Teil der Gerichtskosten (Can$ 220.000) an Subway erstatten.
Sie finden diese Meldung
hier.
Inside Higher Education befasst sich mit der Veröffentlichung des 2020 EDUCAUSE Horizon Report: Teaching and Learning Edition und zitiert den Satz: „Learning designers, more than ever before, are being seen as leading experts in teaching and learning on their campuses. They are shifting from service/support roles to being seen as essential collaborators on the design of learning experiences.”
Sie finden diesen Beitrag
hier.
Sie finden den Bericht
hier.
|
Dieser Newsletter wird bereitgestellt von:
DAAD Außenstelle New York, 871 United Nations Plaza New York, NY 10017, rechtlich vertreten durch Frau Dr. Dorothea Rüland,
Deutscher Akademischer Austauschdienst e.V., Kennedyallee 50, 53175 Bonn
Tel:
(212) 758-3223
Vereinssitz:
Bonn (Deutschland), eingetragen beim Amtsgericht Bonn, Registergericht VR 2105
Redaktion:
Benedikt Brisch, Stefan Altevogt, Casey Detrow
Bildnachweis:
Rainer Sturm/pixelio.de
Haftungshinweis:
Wir übernehmen keine Haftung für die Inhalte Dritter. Für den Inhalt verlinkter Seiten sind ausschließlich deren Betreiber zuständig.
Copyright © by DAAD e.V. Der Inhalt dieses Newsletters ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung des Textes - auch auszugsweise – und der Bilder ohne vorheriges schriftliches Einverständnis des DAAD ist nicht gestattet.
Abmeldung:
Wenn Sie diesen Newsletter nicht mehr empfangen möchten, klicken Sie bitte auf 'Unsubscribe' unten am Ende dieser E-Mail.
|
|
|
|
|
|
|