Ausgabe ___ | March 29 2017
29.06.2020
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:

  • Das Weiße Haus schließt die Open Doors
  • Covid-19 und Hochschulen
  • „The Impossible Presidency”: Klagen eines Rekrutierers
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,
  
in dieser Ausgabe befassen wir uns aus Anlass der Presidential Proclamation von verganger Woche mit der zunehmenden Abschottung der USA gegenüber dem Rest der Welt und weiterhin mit Nachrichten im direkten Kontext von Covid-19. Wir werfen zudem einen Blick auf Klagen eines Recruiters, warum geeignetes Personal für die Führung von Hochschulen so schwer zu finden sei, und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Gesundheit, Geduld und Zuversicht. 
 
Stefan Altevogt
Das Weiße Haus schließt die Open Doors
In der Ausgabe der DAAD Nordamerika Nachrichten vom 8. Juni hatten wir nach dem „Ende der Open Doors” gefragt und als Indizien vor allem auf Versuche abgehoben, das Optional Practical Training (OPT) drastisch einzuschränken und auf das nun deutlich stärkere Misstrauen gegenüber China. Am vergangenen Montag ist nun mit einer sog. „Presidential Proclamation” ein weiterer wichtiger Aspekt hinzugekommen, nämlich der Beginn einer deutlichen Abschottung des US-amerikanischen Arbeitsmarktes von internationalem Talent.
Das Weiße Haus hat am vergangen Montag die Vergabe einer Reihe von Visa-Kategorien mit sofortiger Wirkung und vorläufig bis Ende des Jahres gestoppt, darunter die Kategorie H-1B für ausländische Fachkräfte und auch zum Teil Visa der Kategorie J, die berufliche Aus- und Weiterbildungsaufenthalte in den USA erlauben. Die New York Times schätzt, dass die Proclamation vom Montag zusammen mit der zurzeit strenger limitierten Vergabe von Green Cards etwa 525.000 Arbeitsplätze bzw. –kräfte betreffen würde, und schreibt zu den politischen Hintergründen der neuerlichen Restriktionen und zu deren Gegnern: „Stephen Miller, the White House aide and the architect of Mr. Trump’s immigration policy, has pushed for years to limit or eliminate the worker visas, arguing that they harm employment prospects for Americans. And in recent months, Mr. Miller has argued that the economic distress caused by the virus has made it even more important to turn off the spigot. But the directive, which has been expected for several weeks, is fiercely opposed by business leaders, who say it will block their ability to recruit critically needed workers from countries overseas for jobs that Americans are not willing to do or are not capable of performing.”
Es hagelte sofort Kritik zahlreicher Verbände, von denen vor allem die aus der Industrie für die Trump-Administration keine guten Nachrichten sind. Der CEO der ansonsten eher konservativen U.S. Chamber of Commerce wird zu den erwarteten negativen Auswirkungen mit den Worten zitiert: „Putting up a ‘not welcome’ sign for engineers, executives, IT experts, doctors, nurses and other workers won’t help our country, it will hold us back. Restrictive changes to our nation’s immigration system will push investment and economic activity abroad, slow growth and reduce job creation.” Je wissensbasierter die Unternehmen, desto größer sei der Widerstand gegen eine Abschottung und mit Todd Schulte lässt der Beitrag auch einen Vertreter des vor allem von der Tech-Industry getragenen und immigrationsfreundlichen Think Tanks FWD.us zu Wort kommen: „This is a full-frontal attack on American innovation and our nation’s ability to benefit from attracting talent from around the world.”

Sie finden den Beitrag hier.

Ein von mehr als 320 Firmen unterzeichnetes Schreiben an Trump und die Außen-, Arbeits- und Heimatschutzminister in seinem Kabinet hatte bereits Mitte Mai, also im Vorfeld der erwarteten Proclamation, vor „unintended consequences” und „substantial economic uncertainty” für den Fall gewarnt, dass die USA ihre noch offenen Türen für „Gastarbeitende, -forschende, und -praktizierende” (die überwiegende Mehrheit der Kategorien sog. Nonimmigrant Visa) schließen würden.
Allerdings herrscht derzeit Wahlkampf und mit „build the wall!” glaubt Trump, seinem derzeit laut Umfragen austrocknenden Wählerreservoir Wasser zuführen zu können. Die hoffnungsfrohe Nachricht am Wahlkampf ist allerdings, dass am 3. November gewählt wird.

Sie finden das Schreiben hier.

Die DAAD-Außenstelle New York hatte über das German Academic International Network (GAIN) gemeinsam mit dem Generalkonsulat New York für den Tag nach der Presidential Proclamation zu einem virtuellen „Townhall Meeting“ eingeladen, bei dem es vor allem um die transatlantische Zusammenarbeit in Zeiten von Covid-19 und um alltags- und reisepraktische Fragen an das Generalkonsulat gehen sollte. Trump drängte sich (mal wieder) in den Vordergrund.
Wenngleich das deutsche Generalkonsulat selbstverständlich keine Rechtsauskünfte zu US-amerikanischer Visumspolitik erteilt, konnte der Generalkonsul die mehr als 50 Zugeschalteten immerhin mit einigen Hintergrundinformationen und dem Hinweis darauf beruhigen, dass innerhalb der J-Kategorie Visa für internationale Postdocs in den USA von der Verfügung ausgenommen sind.
Diese Ausnahme zeigte sich auch in den Stellungnahmen der beiden wichtigsten Verbände nordamerikanischer Forschungshochschulen, die Association of American Universities (AAU) und die Association of Public and Land-grant Universities (APLU), die die Suspendierung von Visa der Kategorie H mit einer der Industrie vergleichbaren Argumentation kritisieren, dass nämlich mit diesen Visa dringend in den USA gebrauchte internationale Arbeitskräfte angeworben würden, die die US-Wirtschaft nicht schwächten, sondern im Gegenteil stärkten.

Sie finden das Statement der APLU hier.
Sie finden das Statement der AAU hier.
Covid-19 und Hochschulen
Inside Higher Education berichtet vom Beispiel einer Hochschule, die das sog. „Gap Year”, also eine oft zwischen Oberschule und College angesiedelte Auszeit von formaler Bildung zugunsten eher informeller Bildung wie Reisen, in die Zeit an der Hochschule integriert hat. Es heißt: „Park University is encouraging students from other institutions to transfer and study online for a year at a discounted tuition rate. Are special offers like this a good idea?” Das Besondere an diesem Angebot sei, dass es in Reaktion auf Covid-19 die Möglichkeit biete, die Zeit sinnvoll zu nutzen, in der traditionelle Lehre an Hochschulen schwierig durchzuführen sei. Wie die allermeisten Schwerter sei aber auch dieses Angebot wenigstens zweischneidig, denn es berge das Risiko, nach einem Gap Year die Kohorten von derzeit 36 Mio. US-Amerikanern zu bereichern, die zwar studiert, aber keinen Abschluss gemacht hätten.

Sie finden den Beitrag hier.

Inside Higher Education zitiert einen Beitrag von Times Higher Education, wonach die chinesische Regierung versucht sein könne, die ökonomisch mittlerweile großes Gewicht habenden internationalen Studierenden aus dem Reich der Mitte gegenüber bevorzugten Gastländern als politisches Intstrument einzusetzen. Es heißt: „With the pandemic looking likely to leave China in a stronger world position having weathered the medical – and thus economic – impacts better than most nations, what do these geopolitics mean for the flows of Chinese students so crucial to so many Western university systems? Could the Chinese government ever follow through on threats to use its students as weapons in its broader conflicts?“
 
Sie finden diesen Beitrag hier.

NAFSA: Association of International Educators hat in einem offenen Brief an das US Department of State um zeitnahe Klärung der Frage gebeten, wie in Zeiten von Covid-19 die Vergabe von Studierendenvisa für die USA geregelt werden könne. Es heißt: „Given the importance of the upcoming fall 2020 semester to the U.S. economy and to the viability of many U.S. educational institutions, if it is not possible for routine visa services to be restored worldwide we ask that the Department instruct U.S. consulates that international students and exchange visitors should be considered eligible for emergency appointments at each consulate.“

Sie finden das Schreiben hier.

Auf Inside Higher Education berichtet Irina Popescu, Professorin für Lateinamerika-Studien am Bowdoin College, dass sie durch Covid-19 und die Black-Lives-Matter-Bewegung häufiger als bisher im Umgang mit ihren jeweiligen Studierenden als eine Art Psychotherapeut gefragt sei, ohne ausreichend darauf vorbereitet zu sein. Sie schreibt: „I have recently participated in many webinars, meetings, tutorials – you name it – learning to decipher through the many tools of online teaching. But I think we could all benefit from similar programs that teach us how to deal with the rising concerns our students bring up in office hours, online forums and through personal emails.“
 
Sie finden diesen Beitrag hier.
 „The Impossible Presidency”: Klagen eines Rekrutierers
Mit „The Impossible Presidency” bringt der Chronicle of Higher Education im Rahmen einer Reihe zum „Executive Hiring Process” einen Beitrag von Dennis Barden, der als leitender Mitarbeiter der Rekrutierungsfirma WittKieffer umfassende Kenntnisse zu den Schwierigkeiten besitzt, die US-amerikanische Hochschulen bei der Besetzung ihrer jeweiligen Spitzenpositionen zum einen grundsätzlich zu überwinden haben, zum anderen in der gegenwärtigen Situation ökonomischer und damit auch hochschulpolitischer Unsicherheiten. Zum einen: „leadership has a price“ und Führungskräfte brauchen ein dickes Fell (in der vergangenen Ausgabe der DAAD Nordamerika Nachrichten wurde das an Hand des Anforderungsprofils für Provosts verdeutlicht). Zum anderen: „While college and university leaders work to forge a recovery plan, the battle lines have already been drawn. Some constituents, particularly on the faculty, have already declared that ‘University Leaders Are Failing‘. Other observers have called for time and perspective, and urged critics to refrain from ‘Bashing Administrators While the University Burns‘. (…) The divide between the faculty and the administration, in particular, seems wider and more difficult to bridge than at any time in my 40 years in higher education.“
Der Autor sieht zwar eine Parallele zur Situation unmittelbar nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008, die auch die allermeisten Karrierepläne für das Spitzenpersonal erst einmal auf Eis gelegt habe, doch anders als damals, sei derzeit weder die Finanzwelt noch der Aktienmarkt in Schockstarre verfallen. Die Problematik sei derzeit die zunehmende Zersplitterung der verschiedenen Interessen an Hochschulen und der steigende Einfluss rasch wechselnder Aufmerksamkeiten in den (sozialen) Medien. Der Beitrag macht dies an einer von WittKieffer betreuten Rekrutierung deutlich: „In a search for a chief executive of a public research university, a candidate emerged from the pack, having shown obvious and considerable leadership qualities and experience. Yet that same leader was being targeted for removal, for cause, by his current governing board. All of us working on the search knew that from Day 1.”
Die Geschichte habe dann zwar doch einen guten Ausgang genommen, weil man sich trotz einer drohenden Flut negativer Presse von der Wertschätzung der Qualitäten des Bewerbers nicht habe abbringen lassen, doch würden kontroversere Rekrutierung im gegenwärtigen Klima schwieriger: „Not every board will put in that much work or stand firm in the face of ill winds, and a lot of capable leaders who are making very tough and bold choices now and in the months ahead will find they have sacrificed their future in the process. Higher education will be the poorer for it.”

Sie finden den Beitrag hier.

Seit der Interpretation der Lotophagen-Episode in der Odyssee durch Horkheimer und Adorno in der Dialektik der Aufklärung wissen wir, dass Glück (zumindest für den abendländischen Menschen) in der Überwindung von Schwierigkeiten liegt.

Kurznachrichten
Inside Higher Education meldet den Widerstand von Studierenden und Fakultätsmitgliedern an der University of North Carolina (UNC) at Charlotte gegen John Bogdan als amtierenden Associate Vice Chancellor for Safety and Security, weil er seine Kernkompetenz durch eine Zeit als Verantwortlicher der U.S. Naval Station Guantánamo Bay in Cuba erworben habe. Die Hochschulleitung stehe derzeit noch zu der Personalentscheidung. Es heißt: „UNC Charlotte’s chancellor, Philip L. Dubois, stands by the decision to hire Bogdan in December 2018, and praises his performance overseeing university police and several other campus units related to environmental health and safety, emergency management, and risk management and insurance.”

Sie finden die Meldung hier.  

Die National Foundation for American Policy hat Mobilitätsdaten internationaler Studierender in den USA ausgewertet und festgestellt, dass ein wesentlicher Nutznießer des Rückgangs von STEM-Studierenden aus Indien um mehr als 25% zwischen 2016/17 und 2018/19 nördlich des 49. Breitengrads zu finden sei. Es heißt: „The evidence indicates in recent years many Indian students have been choosing Canada over the United States as the place to study and make their careers. More restrictive immigration and international student policies under the Trump administration and the difficulty of obtaining green cards in the United States are key factors.To place the significance of the decline in context, note that as recently as the 2016-17 academic year, 67% of international graduate students in computer science at U.S. universities came from India.”
 
Sie finden das Paper hier.
 
Vor knapp zwei Wochen hat der US Supreme Court entschieden, dass die Aufkündigung der von der Obama-Regierung verfügten „Deferred Action for Childhood Arrivals (DACA)” durch die Trump-Administration im Juni 2017 als „arbitrary and capricious” keinen Bestand haben könne und die rund 700.000 „Dreamers” (Menschen, die als Kinder von ihren Eltern illegal ins Land gebracht worden sind und sich auf regulären Bildungs- und Karrierepfaden befinden) weiterhin vor einer Abschiebung sicher seien. Die New York Times sieht in einem Kommentar einen deutlichen Hinweis des Supreme Court an das Weiße Haus, dass sich Trump nicht immer und vor allem nicht blind auf das Oberste Gericht verlassen könne: „The DACA decision contained a message threaded through its dry language of administrative procedure – a warning to the Trump administration not to assume that it gets a free pass, not to take the Supreme Court for granted.”
 
Sie finden den Beitrag hier.

Karin Fisher, die internationale Korrespondentin des Chronicle of Higher Education, betreibt mit Latitude(s) einen „eigenen Kanal”. Sie sieht im Urteil des Supreme Courts zu DACA auch ein möglicherweise positives Signal im Hinblick auf das OPT-Programm (Option Practical Training). Sie schreibt: „If the executive order limits OPT (...) it would almost certainly not do so outright but rather set in motion a rulemaking process. With the election looming, that regulatory action will have to be expedited. The administration had years to get the DACA repeal right but will have just a few months to roll back OPT. No doubt proponents of the program will be watching for any missteps.”

Sie finden diesen Beitrag hier.

Auf einer virtuell durchgeführten Podiumsdiskussion der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der University of Chicago zu den derzeit in den USA vieldiskutierten Rahmenbedingungen freier Meinungsäußerung an Hochschulen erinnerte letztere an die 2014 formulierten „Chicago Principles”, die mittlerweile von zahlreichen Universitäten des Landes übernommen worden seien. In ihrer Keynote machte Verfassungsrichterin Susanne Bär auf die Tatsache aufmerksam, dass in Deutschland – anders als in den USA mit einem alleinstehenden First Amendment – das Recht auf freie Meinungsäußerung verfassungsrechtlich enger mit anderen Rechten (Würde, Unversehrtheit etc.) verwoben sei, so dass mögliche Reibungsflächen andere seien.

Sie finden die „Chicago Principles” hier.

Die Veranstaltung ist aufgezeichnet worden. Die Ankündigung finden Sie hier.